Lesertelefon „Epilepsie“ vom 5. Oktober 2011 / Nachbericht

 

„Auch Cäsar und Napoleon litten an Epilepsie!“

 

Epilepsie ist eine der häufigsten Erkrankungen des Nervensystems – und doch wissen die meisten Menschen nicht viel darüber. Und reagieren verunsichert oder überfordert, wenn sie zufällig einen epileptischen Anfall beobachten. Das macht Epilepsiepatienten das Leben unnötig schwer. Müssen sie doch häufig nicht nur mit dem Anfallsleiden, sondern auch noch mit den Vorurteilen der Mitmenschen leben. Am „Tag der Epilepsie“ hatten unsere Leserinnen und Leser die Gelegenheit, alle ihre Fragen zum Thema zu stellen. Die Patientenbotschafterin Anja Zeipelt und der Neurologe Dr. Lothar Burghaus standen Rede und Antwort:

 

Was ist die Ursache für Epilepsie?

Dr. med. Lothar Burghaus: Wir kennen einige Ursachen, wie beispielsweise Sauerstoffunterversorgung, Stoffwechselerkrankungen, Hirnfehlbildungen oder auch Hirnschädigungen in Folge von Unfällen. Hier sprechen wir von einer symptomatischen oder strukturellen Epilepsie. Manchmal gibt es auch eine genetische Komponente – und manchmal finden wir keine erkennbare Ursache. Epilepsie kann erblich begünstigt sein, ist aber keine Erbkrankheit im herkömmlichen Sinne.

 

Kann die Krankheit in jedem Alter auftreten?

Dr. Burghaus: Prinzipiell kann eine Epilepsie in jedem Alter auftreten – am häufigsten sind allerdings Kinder und ältere Menschen betroffen.

 

Ich hatte erst vor kurzem meinen ersten epileptischen Anfall. Jetzt bin ich mir unsicher, wie ich an meinem Arbeitsplatz und in meinem Bekanntenkreis damit umgehen soll...

Anja Daniel-Zeipelt: Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, offen mit meiner Epilepsie umzugehen. Ich erlebe auch, dass das Gegenüber umso besser reagiert, je undramatischer ich über die Krankheit berichte. Humor kann ein guter Weg sein, eventuelle Berührungsängste abzubauen. Ich erzähle gerne, dass auch Napoleon und Cäsar an Epilepsie litten – und es trotzdem zur Weltherrschaft gebracht haben!

 

Was passiert während eines epileptischen Anfalls im Gehirn?

Dr. Burghaus: Bei einem epileptischen Anfall ist das Gleichgewicht der Nervenzellen zeitweilig gestört. Viele Nervenzellen entladen sich plötzlich gleichzeitig. Diese nicht normalen Entladungen breiten sich im Gehirn aus und reizen auf unnatürliche Weise einzelne Gehirngebiete oder das ganze Gehirn. Das Bild vom „Gewitter im Gehirn“ trifft das Ereignis eines epileptischen Anfalls sehr gut.

 

Wie häufig kommt es denn zu epileptischen Anfällen – und wie sehen diese genau aus?

Dr. Burghaus: Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Bei manchen Patienten bleibt es bei einem einzigen Anfall, andere erleiden täglich mehrere epileptische Anfälle. Auch kann ein epileptischer Anfall ganz unterschiedlich ablaufen: das Spektrum reicht vom nur wenige Sekunden andauernden Abwesenheitszustand mit starrem und leerem Blick bis zum Krampfanfall mit wild zuckenden Muskeln und dem Verlust des Bewusstseins.

 

Wie verhalte ich mich „richtig“, wenn in meinem Beisein jemand einen epileptischen Anfall hat?

A. Daniel-Zeipelt: Wenn Sie den Betreffenden nicht kennen und nichts über „seine“ Epilepsie wissen, würde ich immer empfehlen, den Notarzt zu rufen. In der Zwischenzeit sollten Sie den Patienten aus der Gefahrenzone bringen und eine Decke oder eine Jacke unter seinen Kopf legen. Auf keinen Fall sollten Sie ihm etwas zwischen die Zähne schieben! Ist Ihnen die Person dagegen bekannt und hat Sie darüber informiert, was im Anfallsfall zu tun ist, müssen Sie keinen Arzt rufen. Es sei denn, der Betroffene hat sich beim Sturz verletzt, läuft blau an oder der Anfall dauert länger als fünf Minuten.

 

Lassen sich epileptische Anfälle heute mit Medikamenten unterdrücken?

Dr. Burghaus: Dank der Medikamente können heute bis zu 70 Prozent der Epilepsiepatienten anfallsfrei leben. Neben den klassischen Präparaten stehen neuere Antiepileptika zur Verfügung, die bei speziellen Formen der Erkrankung bessere Ergebnisse erzielen. Auch werden sie häufig besser vertragen. Welches Medikament für welchen Patienten das richtige ist, muss der behandelnde Arzt entscheiden. Wichtig ist immer, dass die Patienten ihre Medikamente regelmäßig einnehmen, da ein Wirkstoffspiegel im Organismus aufrechterhalten werden muss. Wer seine Medikamente absetzt oder nicht nach Plan einnimmt, riskiert einen erneuten Anfall.


Was kann ich noch tun, um das Risiko für einen epileptischen Anfall zu verringern?

Dr. Burghaus: Sie sollten für einen geregelten Tagesablauf mit ausreichend Schlaf sorgen. Meiden Sie übermäßigen Alkoholkonsum oder Drogen sowie Belastungssituationen wie Stress, Lärm oder Reizüberflutung.

 

Ich bin mir unsicher, was ich als Epilepsiepatient noch machen darf – und was nicht…

A. Daniel-Zeipelt: Nach meiner Diagnose bekam ich von dem behandelnden Neurologen eine lange Liste mit Verboten ausgehändigt. Die ersten Jahre habe ich mich auch strikt daran gehalten – bis ich einem Epilepsie-Professor von der Liste erzählte und der lächelnd den Kopf schüttelte. Er riet mir, einfach auszuprobieren, was ich alles tun kann und was mir gut tut. So ist es für mich beispielsweise kein Problem, gelegentlich ein Glas Wein zu trinken – obwohl auf besagter Liste auch ein generelles Alkoholverbot steht. Ich habe gelernt, auf meinen Körper zu hören und weiß mittlerweile, was mir gut tut. Das gilt auch beim Thema Sport: So spiele ich Fußball und trainiere ein Männerballett! Gewisse Aktivitäten bergen allerdings ein beträchtliches Risiko – hier gilt es, vernünftig abzuwägen.

 

Ankündigung

Darf ich mit Epilepsie noch Auto fahren?

A. Daniel-Zeipelt: Wenn keine Anfallsfreiheit besteht: ein ganz klares Nein! Sind Sie allerdings anfallsfrei, sollten Sie das Thema mit Ihrem Arzt besprechen. Er kann in genauer Kenntnis Ihrer Erkrankung und Medikation entscheiden, ob Sie Auto fahren dürfen. Ich denke, dass jeder Epilepsie-Patient grundsätzlich so verantwortungsvoll mit seiner Erkrankung umgehen sollte, dass er weder sich noch Andere gefährdet.

 

Was ist, wenn sich die Anfälle mit Medikamenten nicht in den Griff kriegen lassen – gibt es dann noch weitere Behandlungsmöglichkeiten?

Dr. Burghaus: Manchen Patienten kann mit einer Operation geholfen werden. Eine weitere Behandlungsoption ist die sogenannte Vagusnerv-Stimulation: Ein Gerät ähnlich dem Herzschrittmacher wird unter die Haut eingepflanzt und stimuliert den Vagusnerv, um die Zahl der Anfälle zu verringern. Wenn Sie sich zu diesen Behandlungsmöglichkeiten beraten lassen möchten, sollten Sie ein Epilepsie-Zentrum aufsuchen.

 

 

Lesertelefon „Epilepsie“ vom 5. Oktober 2011 / Infokasten

 

Gut informiert zum Thema Epilepsie

 

www.epilepsie.sh

Die Deutsche Epilepsievereinigung ist der Bundesverband der Epilepsie-Selbsthilfe. Neben dem Informationsangebot zur Krankheit können Betroffene hier eine Telefon- oder Onlineberatung in Anspruch nehmen und Informationen zu regionalen Selbsthilfegruppen erhalten.

Die Epilepsie-Hotline ist Montag bis Donnerstag von 12 bis 18 Uhr bundesweit zum Ortstarif unter der Telefonnummer 01801 – 42 42 42 zu erreichen.

 

www.epilepsie-gut-behandeln.de

Auf dieser sehr übersichtlich gestalteten Internetseite können sich Betroffene und Interessierte umfassend zum Thema „Epilepsie“ informieren. Sie finden hier

  • Wissenswertes zur Krankheit und ihrer Behandlung,
  • Tipps zu unterschiedlichen Lebensbereichen und –abschnitten,
  • eine Arztsuche und Links zu den wichtigsten Epilepsie-Institutionen,
  • das Botschafter-Programm – Betroffene berichten von ihrem Umgang mit der Erkrankung,
  • und verschiedene Serviceleistungen wie den Newsletter oder die Notfallkarte zum Herunterladen.

 

www.epilepsie-im-griff.de

Nicht jeder Epilepsie-Patient ist ausreichend über seine Krankheit informiert und erhält die bestmögliche Behandlung. Das Service-Programm „Epilepsie im Griff“ will Betroffene in ihrem Umgang mit der Erkrankung und der Therapie unterstützen – auf der Internetseite können sich Epilepsiepatienten online zu dem Programm anmelden. Teilnehmer erhalten leicht verständliche Informationen über Epilepsie und zur Wirkweise von Medikamenten, es gibt Materialien wie das „Therapie-Tagebuch“ oder die Broschüre „Tipps für Ihr Arztgespräch“ und die Möglichkeit, andere Betroffene kennenzulernen.

 

 

Die Experten der Telefonaktion im Überblick

 

  • ·         Facharzt für Neurologie, Universitätsklinik Köln
  • ·         Anja Daniel-Zeipelt; Epilepsie-Patientenbotschafterin, Leun bei Wetzlar

 

Quelle: PR NRW

Servicethema Gesundheit

 

Epilepsie: Raus aus der Tabuzone – rein ins Leben

 

Ratgeber-Telefon mit Experten

Mittwoch, den 5. Oktober 2011, 10 bis 15 Uhr

Kostenfreie Hotline 0800 – 0 90 92 90

 

Mit bösen Geistern und Dämonen erklärten sich Menschen in früheren Zeiten epileptische Anfälle und noch im 19. Jahrhundert wurden Betroffene häufig weggesperrt und isoliert. Heute wissen wir, dass Epilepsie die häufigste Erkrankung des Nervensystems ist, an der hierzulande etwa 750.000 Menschen leiden. Doch Vorbehalte und Unverständnis begegnen Epileptikern noch heute. Kein Wunder, dass die Angst vor sozialer Ausgrenzung bei vielen Epilepsie-Patienten groß ist – und neben der ständigen Sorge vor dem nächsten Anfall das Leben erschwert. Alle Fragen zur medizinischen Behandlung und zu einem offenen und selbstbewussten Umgang mit der Krankheit beantworten am „Tag der Epilepsie“ der Neurologe Lothar Burghaus und die Patientenbotschafterin Anja Zeipelt an unserem kostenfreien Lesertelefon.

 

Gewitter im Gehirn...

Wenn Nervenzellen im Gehirn sich spontan „entladen“ kommt es zu einem epileptischen Anfall. Und der kann ganz unterschiedlich aussehen: von nur wenige Sekunden andauernden Abwesenheitszuständen über Bewegungs- und Bewusstseinsstörungen bis hin zum dramatisch aussehenden Krampfanfall mit rhythmischen Zuckungen, Bewusstlosigkeit und Schaum vor dem Mund. Zu den bekannten Ursachen des Leidens zählen Schädigungen des Gehirns, etwa infolge einer Verletzung oder Erkrankung. Doch in den meisten Fällen liegt die Ursache der Epilepsie im Dunkeln. Nichtsdestotrotz lassen sich bei etwa 70 Prozent der Patienten mit der richtigen medikamentösen Behandlung die Anfälle stoppen.

 

... und Leben mit ständiger „Unwetterwarnung“

Um die optimale Behandlung für den einzelnen Patienten zu finden, sind eine gründliche Diagnostik und die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Arzt nötig. Keinesfalls sollten Patienten eigenmächtig die Dosierung der verordneten Medikamente verändern oder die regelmäßige Einnahme vernachlässigen. Doch eine gute medizinische Versorgung ist nur die halbe Miete: Jeder Epilepsiepatient steht daneben vor der Herausforderung, Alltag und Beruf mit der Krankheit zu meistern. Das reicht von der richtigen Gestaltung der Wohnung, um die Verletzungsgefahr im Falle eines Anfalls so gering wie möglich zu halten, bis zum offenen Gespräch mit Freunden und Kollegen. Denn wenn die Krankheit kein Tabu ist, hat Ausgrenzung keine Chance.

 

Kostenfreier Expertenrat am Telefon

Was kann ich tun, um das Risiko für einen epileptischen Anfall zu verringern? Darf ich trotz Epilepsie Auto fahren? Was muss ich beachten, wenn ich schwimmen gehe oder Fahrrad fahre? Muss ich meinen Arbeitgeber über meine Krankheit informieren? Was kann ich tun, wenn ich einen epileptischen Anfall beobachte? Ist Epilepsie vererbbar? Gibt es neben den Medikamenten noch weitere Behandlungsmöglichkeiten? Diese und alle weiteren Fragen zum Thema beantworten Ihnen die Experten an unserem Lesertelefon – wie immer kostenfrei, vertraulich und mit Sachverstand:

 

  • ·        
    Facharzt für Neurologie, Universitätsklinik Köln
  • ·        
    Epilepsie-Patientenbotschafterin, Leun bei Wetzlar

Rufen Sie an! Mittwoch, den 5. Oktober 2011, von 10 bis 15 Uhr.

Gebührenfreie Rufnummer: 0800 – 0 90 92 90.

 

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