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Lieber Blog-Leser, unter meinen Blog Artikeln haben sich so genannte Spam-Bot Gästebucheinträge eingenistet, erkennbar an der englischen Sprache. Um diese künftig zu vermeiden, habe ich meine Gästebücher nun mit einem Captcha-Schutz versehen. Ignorieren sie einfach die englischen Absender, dann sind diese unschädlich. Natürlich können Sie weiterhin Beiträge schreiben wie Sie möchten.

 

Ihre Anja D.-Zeipelt

Jetzt kann diskutiert und mitgeredet werden. Besucht regelmäßig meine neuen Blogs und sagt mir Eure Meinung. Am Ende des Artikels ist der Diskussionsbereich und seit Mitte September auch Facebook und Twitter Buttons. Damit Epilepsie noch bekannter und die Tabus weniger werden.

 

Fast alle Blog Artikel gibts auch als PDF Datei zum Download (beachten sie bitte das Coyright). Zu den Downloads geht es hier


Themen


 

 

Psychische Talfahrten

Ich schreibe diesen, für mich, ungewöhnlichen Blog, weil ich denke, dass es gerade Viele da draußen gibt, denen es genauso geht wie mir. Die nach außen weiter fröhlich und stark sind, innerlich aber langsam brechen. Die nicht drüber reden wollen oder können.

 

Eigentlich zeige ich diese Seite von mir sehr ungerne, aber ich glaube, alleine das Wissen, dass wir nicht alleine sind, kann uns helfen. Jedenfalls hoffe ich das und freue mich auf Eure Kommentare.

 

Vielleicht ist es bei Euch ähnlich? Tagsüber lenkt Ihr Euch mit vielen Dingen ab, geht spazieren, lest ein Buch oder arbeitet. Was nützen auch alle Grübeleien über Dinge die man sowieso nicht ändern kann. Man kennt seine Erkrankungen, weiß damit umzugehen und Corona schaffen wir auch noch. Aber nachts im Bett … da kommen sie … die Gedanken, Gefühle, Ängste. Ungehindert, ungefiltert, massiv. Und in diesen Momenten ist nichts mehr sicher und die Angst klammert.

 

Meist schiebe ich diese Gedanken spätestens morgens wieder zur Seite, gehe raus, lächle und bin stark. Meist stark für Andere. Doch langsam ertappe ich mich immer mehr dabei wie die Ängste bleiben, die Tränen immer öfter fließen, wie ich mich nicht mehr aufraffen kann. Meine To do Liste ist lang. Spiel mal wieder Gitarre oder Flöte, male was oder schreibe. Schreib Kinderbücher, plane Deinen Garten usw. Doch es passiert nicht viel davon. Genau gesagt hab ich bisher nur eins geschafft und das mit sehr viel Druck, weil es draußen für unsere Enkelbabys sicher werden soll. Für den Rest kann ich mich nicht aufraffen. Der Kopf ist leer und taub, der Antrieb weg.

Nur eins versuche ich immer wieder einzubauen und das ist das Laufen. Ich laufe nicht mehr so häufig und enthusiastisch wie im Sommer, aber wenigstens überkommt es mich ab und zu und ich befreie meine Seele vom Druck.

Zwischenzeitlich kommen sie dann, die Anfälle. Epileptische Anfälle, asthmatische Anfälle, dissoziative Anfälle. Dazu noch ein paar Schübe von Athrose in Fingern und Knien, vielleicht weil Laufen mir ja so gut getan hat. Ironie aus. Und wieder bin ich ausgebremst.

 

Ich sammele seit meiner frühen Kindheit Krankheiten und ignoriere auch schonmal das Eine oder Andere, weil ich einfach keine Lust mehr auf Arztbesuche habe, oder weil es mir langsam zu blöd ist - nur das Asthma und die Krampfanfälle lasse ich kontrollieren. Für alles andere gibt’s Pillen auf Rezept und Humor nach meinem Geschmack. Mein schräger Sinn für Humor half mir fast immer dabei.

 

Jedoch merke ich deutlich wie ich mich verändere. Der Umgang mit Corona macht mich bitterer, ängstlicher und wütender. Dabei ist es nicht Corona wovor ich Angst habe, es ist die Angst vor der Atemnot die mich fertig macht. Seit ich als Kind eine Tracheotomie hatte, begleitet mich mein Asthma und die Anfälle von Atemnot. Und ich mag sie nicht sonderlich. Corona ist für mich nicht gleichgesetzt mit einem Virus, gegen den man demonstrieren kann, sondern mit Erstickungsangst. Und das wiederum schnürt einem schon vorher buchstäblich die Luft ab. Und da ist sie wieder, die Psyche und die Urangst.

 

Beinahe ein Jahr habe ich alles getan um mich zu schützen. Mein Mann kauft ein, ich treffe keine Freunde und sehe meine Eltern nur noch über den Gartenzaun. Das fällt mir schwer, sehr schwer, aber ist zu unserem Schutz. Seit dem Sommer mehren sich meine Krampfanfälle und ich versuche medikamentös gegenzusteuern. Mittlerweile weiß ich, egal wieviel Tabletten ich schlucke und mich damit noch schlechter fühle, die Anfälle werden davon nicht weg gehen. Im Gegenteil, es werden immer mehr. Meine Psyche rebelliert. Und mein Humor versagt immer mehr.

 

Dank einer TIA im letzten Jahr habe ich, laut meinem Arzt, ein erhöhtes Schlaganfallrisiko und soll keinen Stress zulassen. Das sollte ja kein Problem sein, Stress ist ja auch Gift bei Krampfanfällen, also wäre das keine Umstellung. Wäre, wenn und sollte. Das war der Plan. Ich habe aber auch erlebt, was es heißt, während Corona in einer Klinik zu liegen. Verkabelt, verklebt, wenn es überall piepst. Während man schreckliche Angst hat darf man keinen Besuch bekommen. Gegen Stress wirkt das = null!

 

Auch die Corona Leugner treiben meinen Puls in die Höhe. Ich habe nichts dagegen dass sie Corona leugnen, aber dass sie mit ihrer Ignoranz Andere gefährden, damit habe ich sehr wohl ein Problem. Meine beiden Kinder stehen an vorderster Front und man dürfte mich momentan nicht auf solche Menschen los lassen, sonst würde meine gesamte Wut auf dieses Virus sich Bahn brechen. Mütter eben.

 

Hier macht sich meine komplette Hilflosigkeit breit. Während die Einen das Haus kaum noch verlassen, weil sie um ihre Gesundheit oder die ihrer Lieben bangen, scheren sich Andere einfach nicht darum. Diese Menschen gibt es aber nicht nur unter Corona Leugnern, sondern auch unter Menschen, denen Solidarität einfach fremd ist.

 

Aber ich habe mich mit der Hoffnung auf die Impfung getröstet. Davon werde ich zwar auch nicht gesünder, aber es nimmt mir ganz viel Stress und Risiko raus, das mich noch kränker machen kann. Oder anders gesagt, würde mir rausnehmen. Ich habe zwar Erkrankungen, die mich zu einer früheren Impfung berechtigen, aber genau einen Tag, nachdem ich das Attest vom Arzt hatte, wurde Asthma Bronchiale in Prioritätsgruppe 3 zurückgesetzt. Mein Arzt schüttelt zwar den Kopf darüber, das nützt jetzt aber wenig.

Mich hat der Gedanke getröstet, dass zuerst die Menschen dran kommen die schlimmere Krankheiten haben als ich, was ich gut akzeptieren kann und was absolut richtig ist. Wenn ich aber höre, dass viel mehr Menschen geimpft und geschützt werden könnten, wenn die überbordende und teils unlogische Bürokratie nicht wäre, dann macht mich das unendlich sauer und nimmt mir jegliche Hoffnung auf baldige Besserung. Und da ist sie wieder, meine Psyche.

 

Ich glaube, dass der psychische Schaden, der durch die mangelnde Umsetzung zum Schutze vor Corona entsteht, uns noch sehr lange nachhängen wird und Schlimmeres. Egal ob es um gesundheitliche, familiäre oder wirtschaftliche Schäden geht.

 

Wenn ich down bin, dann helfen mir die winzigen Gesichter meiner Enkelbabys und die Vorfreude auf das Nächste. Dieses Aufrichten hält zwar nicht ewig an (die Psyche hat eigene Gesetze), aber ich bin dadurch gesegnet und mir ist bewusst, dass nicht Jeder dieses oder ähnliches Glück hat.

 

Fühlt Euch Alle gedrückt da draußen und erzählt gerne von Euch*. 

 

 Eure Anja 

 

(*Corona leugnende Beiträge oder Ähnliches tun Niemandem gut und möchte ich auf meiner Seite nicht unterstützen- werden also gelöscht) 

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„Wer sich den Berg nicht hinaufgekämpft hat, wird nie erfahren wie die Aussicht dort oben ist“

(Medikament Nr. 11 oder 12?)

 

Man kann mir ja sicherlich viel vorwerfen, auch beim Thema Epilepsie lasse ich mir nicht viel verbieten, aber eins kann man mir absolut nicht vorwerfen – das ich nicht alles versucht habe um anfallsfrei zu werden.

10 Medikamente, Anfallsselbstkontrolle, CBD Öl und größtmögliche Vermeidung aller meiner individuellen Auslöser habe ich durch, bis ich schlussendlich, vor 2 Jahren, meine Medikamentenfreie Phase begonnen habe. Physisch und psychisch fühlte ich mich richtig gut damit. Und eine Zeit lang hatte ich die Anfälle auch gut im Griff, aber es war auch schon superanstrengend. Dazu nicht immer von Erfolg gekrönt.

 

Die Coronazeit und die Sorgen um meine schwangere Tochter und Schwiegertochter, bzw. später die Babys, nagten scheinbar auch irgendwie an mir. Eine Tia (ein kleiner Schlaganfall) war auch nicht unbedingt zur Entspannung geeignet und letztendlich wurde unsere heißgeliebte Hündin sehr krank und wir mussten sie gehen lassen. Das gab mir den Rest. Meine Anfälle wurden häufiger und stärker und ich tat das, was ich eigentlich bereits vor 2 Jahren als letzte Option im Hinterkopf hatte. Ich versuchte tatsächlich noch ein letztes Medikament, was damals bereits im Raum stand.  

 

Man kennt den Spruch über die Nebenwirkungen – zerreißen Sie den Beipackzettel oder erschlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Letztere mag ich Beide, da versuche ich lieber nett zu sein – aber den Beipackzettel, den verdamme ich tatsächlich. Ich habe bemerkt, dass sich schnell mal übervolle Beipackzettel – oder einzelne Passagen dessen – ins Hirn brennen und man überall Nebenwirkungen wittert, selbst wenn da gar keine sind. Aus diesem einfachen Grund führe ich Tagebuch, ohne den Beipackzettel gelesen zu haben. Letzteren gebe ich vertrauensvoll meinem lieben Mann. Sollten sich  unerwünschte Wirkungen entwickeln, darf mein Mann nachschauen, ob diese in besagtem grauen Waschzettel stehen oder nicht.

Völlig tiefenentspannt begann ich also mit der Einnahme des ersten kleinen runden Pillchens.

Ich meine, was soll ich mich auch verrückt machen, bei meinem Sammelsurium an Krankheiten nehme ich sowieso schon etliche Pillchen, Tabletten und Sprays ein. Und was Nebenwirkungen angeht, bin ich ein wahrer Stand-up Comedian. Ich habe schon halluziniert, Massen zugenommen, abgenommen, war ein Drachen oder zu Tode betrübt, wieder pubertär und hatte einen Teint wie ein Streuselkuchen, vergesslich, wirr und total daneben. Ich erwartete also nichts, was ich oder mein Umfeld nicht schon kannten. Apropos – mein Umfeld war nicht ganz so entspannt wie ich, so manche Nebenwirkung fanden diese so gar nicht lustig. Aber die Entscheidung stand und ich würde mich nicht davon abbringen lassen, bevor ich es nicht probiert hatte.  

Ein Glas Wasser, ein klitzekleines Pillchen und eine Stunde später hieß es „Huiiiii, ab geht die Fahrt“ Ich taumelte und schwankte, nahm es aber sehr gelassen, denn mir war klar – das geht vorbei. Für diese Gefühle mussten Andere Unmengen als Alkohol konsumieren oder ins Phantasialand. Doch tags darauf war es schon wieder vergessen und meine Wahrnehmung wieder normal. Bis ich das nächste Pillchen nahm und Huuiii … weiter gings. Dazu war mir noch leicht übel, aber auch das – ich wusste es – das ging vorbei. 1 Woche später war aus meinem „Huiii“ ein läppisch „Upps“ geworden und eine weitere Woche später merkte ich garnichts mehr. Nichts, nada – überhaupt garnichts! Wow. Ich konnte es nicht fassen, ich vertrug die Tabletten. Keine Verwandlung zum Drachen, keine Halluzinationen, keine Unfälle aufgrund fehlender Koordination, nichts! Außer …

 

Außer einem Anfall von Größenwahn. Ich meinte tatsächlich, dass eine frischgebackene 51jährige Doppel-Omi, die nach ihrer Tia eigentlich allen Stress vermeiden wollte, in der Lage wäre, einen völlig unvorbereiteten, 8 Wochen alten Border Collie Mix Welpen zu adoptieren. Ich nehme es hier schon einmal vorweg. Soviel Stress hatte ich zuletzt vor 29 Jahren, damals mit einem Säugling und einem 2jährigen. Seit 4 Wochen lasse ich mich beißen, ignoriere herzzerreißendes Jammern (nach Hundeschule muss das so sein), stehe nachts 3-5x auf, erziehe und entferne Pipi und Häufchen von Dingen und Orten, wo sie nicht hingehören.

Das Kardio Training, das ich zur Behandlung und Prävention von gesundheitlichen Defiziten 3x pro Woche zelebrierte, schrumpfte von 5 Wochenstunden auf 30-45 Minuten. Die gesunde Ernährung machte schnell verfügbarem Zucker Platz und ich bin so müde wie noch nie. Aber: In 4 Wochen zwei kleine Anfälle, das wars. Trotz dauerhaftem Stress und Schlafentzug hatte ich nur 2 kleine Anfälle. Bis jetzt halten die Tabletten also endlich was sie versprechen und ich bin richtig guter Hoffnung. So gut wie schon lange nicht mehr – Und meine Familie hat sich auch noch nicht beschwert – Ich bin sehr gespannt wie es weiter geht und freue mich auf eine hoffentlich anfallsfreie Zeit mit einem wohlerzogenen Hund, der meine zuckersüßen Enkel hüten darf. Ich schaffe das! 


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Epilepsie in Zeiten des Coronavirus

Störche auf der Reise. "Vogelfrei" und überall gerne gesehen, da könnte man fast neidisch werden.
Störche auf der Reise. "Vogelfrei" und überall gerne gesehen, da könnte man fast neidisch werden.

Monate ist es her, als ich zum letzten mal einen Blog geschrieben habe. Genau genommen sind es drei Monate. Mein letzter Blog war meine begeisterte Weihnachtsgeschichte, voller Hoffnung und Dankbarkeit für die rosige Zukunft, die uns erwarten sollte. 

 

Danach erschien mir jedes Thema das mich umtrieb, zu banal, zu individuell, zu sehr auf meine Situation zugeschnitten, als dass es Euch interessieren könnte. Ich wartete auf ein Thema, das uns in der Mehrheit interessiert. Ein Thema, das uns Alle angeht. Und tatsächlich bekam ich dieses Thema, das uns alle angeht und ich wünschte, dass ich genau das nicht bekommen hätte. Aber jetzt ist er nun mal da, unser aller Coronavirus, und wir müssen unseren Alltag neu lernen!  

 

Wir erinnern uns sicherlich daran wie es anfing, als es noch weit weg in China begann und sich dann ganz langsam Richtung Europa schlich. Ich weiß noch genau, wie wir mit unserer schwangeren Tochter zusammen saßen und uns sorgten, weil der werdende Papa im März nach China reisen sollte. Und wie glücklich wir waren, als er uns mitteilte, dass er dies nicht riskieren wolle. Corona war damit für uns wieder weit weit weg. Weit weg und unbegreiflich, in einem fernen Land, fern von uns und unserem sicheren Alltag. Und dann, scheinbar über Nacht, war es wieder da und diesmal ist es überall.

 

Täglich bekamen und bekommen wir neue Berichte und neue Erkenntnisse. Während Viele da draußen noch Partys feierten, saßen chronisch Kranke teilweise verunsichert und auch stocksauer auf die Ignoranten Zuhause und machten sich Sorgen. Mittlerweile hören wir, dass Epilepsiepatienten keiner erhöhten Gefahr unterliegen**, aber Einige von uns haben nicht nur Epilepsie, sondern gehören durch ihre weiteren Erkrankungen wie, Asthma, Diabetes, Krebs oder Herz-Kreislauferkrankungen usw. zu der gefährdeten Gruppe. 

 

Ich bin auch so ein Fall, mein Asthma nervt mich in diesem Winter so schlimm wie seit Jahren nicht und natürlich habe ich so gar kein Interesse an diesem vermaledeiten Virus. Aber mir ist klar, dass viele Epis sich, auch ohne zu einer Risikogruppe zu gehören, große Sorgen machen, denn Ängste sind nicht immer steuerbar, schon garnicht, wenn man mit einer sowieso schon nicht steuerbaren Erkrankung wie Epilepsie lebt.

 

Also habe ich mir überlegt, wie ich meine Ängste in den Griff bekommen kann und wie ich Euch damit vielleicht, eventuell, wenn alles gut läuft, ein klitzekleines bisschen Humor und Hoffnung geben kann. 

 

Versuch Nr. 1: Ich bin noch jung! –  Meine Kinder würden jetzt grinsen. Ja, gegen einen 70jährigen bin ich noch jung. Ein 17jähriger würde mich wohl als uralte Frau bezeichnen und beim Robert-Koch-Institut zähle ich jetzt auch zu den Älteren (Ältere ab 50-60 Jahre steht dort neuerdings). Versuch 1 ist also – gescheitert!

 

Versuch Nr. 2: Mein Augenmerk auf unsere (wirklich) Jungen lenken. Mein Sohn ist, wie man das jetzt nennt, systemrelevant und werdender Vater, die Schwiegertochter damit logischerweise schwanger, meine Tochter schießt den Vogel ab – systemrelevante Krankenschwester, schwanger und hinter der Schweizer Grenze.  Der Versuch, mein Augenmerk nur noch auf unseren- und den erwarteten Nachwuchs zu richten, war damit zu Anfang auch echt gut gelungen, ich hatte meine eigene Angst vor Corona völlig vergessen, aber die Sorge um unsere Jungen trieb plötzlich solche Blüten, dass ich einen Anfall bekam. – Also, auch dieser Versuch gilt als gescheitert.

 

Versuch Nr. 3: Telefonieren. Ich telefonierte hier und telefonierte da, freute mich über den Kontakt und hörte dabei viele, viele Sorgen, aber auch Haarsträubende Geschichten. So Hanebüchen, dass ich mir noch mehr Gedanken machte. Versuch 3 war also nur bedingt etwas wert. Telefonieren mit Zeitlimit ginge vielleicht. Einen Versuch ist es allemal wert. Wie lange braucht man für „Hallo, ich bins. Geht’s Euch gut? Bleibt gesund! Tschüßchen … ?“ Fazit: ausgedehntes Telefonieren ist für mich persönlich- gescheitert!  

 

Versuch Nr. 4: Schreiben. Tatsächlich ist dies hier mein X-ter Versuch etwas zu „Papier“ zu bringen. Vorgestern habe ich drei geschlagene Stunden vor meinem Monitor gesessen und die erste Zeile angestarrt, die mir, übrigens maximal unkreativ, als Einleitung eingefallen ist. Mein Kopf war leer und voll zugleich. Zu gebrauchen war jedenfalls nichts davon. Irgendwann wurde der Bildschirm schwarz und ich musste mir eingestehen – Versuch vorerst, wegen Schreibblockade, gescheitert.   

 

Versuch Nr. 5: Alle Videos, Bildchen und Grüße lesen, die mich über Facebook, Whatsapp und Mail erreichen. Nach einer Stunde schwirrte mir der Kopf und ich musste meinen Handyspeicher aufräumen. Dabei fiel mir wenigstens auf, dass ich noch keine externe Speicherkarte ins Gerät gesteckt hatte. Außerdem hatte ich am Ende des Tages wieder Schulterschmerzen. Versuch also auch diesmal- gescheitert – mit dem Entschluss, dass ich keine Videos, Bildchen und sonstigen „Grüße“ mehr lesen werde. 

 

Versuch Nr. 6: Gassi (Spazieren) gehen. Die bisher beste Lösung für mich. Ein Hoch auf das Landleben, denn wir sind recht zügig im Grünen. Bei dem momentan herrschenden Sonnenschein ist spazieren gehen wirklich der Inbegriff von Ablenkung und Zufriedenheit. Die Sonne im Gesicht, der Wind auf der Haut und die aufbrechende Natur um uns herum, was will Mensch mehr? Wir beobachteten sechs Störche, die wir bei dem Kindersegen in unserem Heimatort alle gut gebrauchen könnten. Und vier Rehe kennen uns beinahe schon mit Namen. Kurz, es ist herrlich. Wenn man die Spaziergänge so richtig schön ausdehnt, hat man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Man hat die Zeit herumgebracht und schläft auch noch besonders gut. Übrigens sieht der Himmel, ohne die vielen Kondensstreifen, doppelt so schön aus. 

 

Manche Menschen bekommen ihre besten Ideen ja tatsächlich draußen in der Natur, Andere auf der Toilette. Wo ich meine besten Ideen bekomme, das werde ich Euch nicht verraten, aber ich verrate Euch was mir dabei eingefallen ist. Die Idee ist nicht besonders kreativ, aber nützlich. Ich habe eine To-do Liste angelegt, die mich durch die nächsten Wochen bringen soll. Dieser Blog-Artikel stand genauso drauf, wie ein Tagebuch mit Ideen zum Zeitvertreib. Ersteres habe ich hiermit umgesetzt, bei Zweitem bin ich noch sehr unschlüssig, ob es dafür überhaupt genug Interesse gibt. Ich lasse mich selbst überraschen, was daraus wird. 

Heute jedenfalls ist mein Programmpunkt ein sehr spannender, denn ich bin etwas aus der Übung. Ich möchte etwas malen. Ein Kinderbild steht auf der Agenda, mal sehen, ob es was wird. 

 

Zusätzlich steht darauf:

- Liebe Grüße an meine Kunden schreiben – ich vermisse sie wirklich!

- Noch etwas malen, schließlich kommen zwei Enkelzwerge. Ich schwitze und zittere jetzt schon. Ideal für Farbe und Pinsel ...

- Im Garten Sträucher schneiden. Aber erst, sobald die kalte Ostluft weg ist. Die winterliche Arbeitshose geht leider nicht mehr zu … 

- Räumen und sortieren. Räumen und sortieren und nochmal räumen und sortieren. Hier sah es noch nie so chaotisch aus wie jetzt! 

- Ein neues Layout für mein Aquarium entwerfen, falls das Aquarium mal wieder zum Einsatz kommt, wäre ich vorbereitet.

- Vielleicht doch noch einen Blog schreiben. Eventuell sind Wechseljahre ja doch interessant, besonders für die Männer …

- Und natürlich das schwerste To Do – die Steuererklärung, uff

 

Habt Ihr auch tolle, aufregende Ideen zum Zeitvertreib? Ich bin gespannt auf Eure Ideen ... 

 

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**Wir wissen mittlerweile, dass alles zum Thema Coronavirus nur Momentaufnahmen des jeweiligen Tages, bzw. der Daten bis zu diesem Moment sind. Auch Risikogruppen wurden stets aktualisiert. Bitte informieren Sie sich über alles, was das Virus betrifft, unter folgenden Links: Schweizerische Epilepsieliga, Deutsche Gesellschaft für Epilepsie oder, stets aktuell beim Robert Koch Institut 

 

 

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(M)eine Weihnachtsgeschichte: "Die hellste Kerze"

Als ich vor wenigen Jahren in Schwäbisch Hall eine Präsentation gezeigt hatte, bekam ich von der Leiterin ein besonders feierliches Geschenk überreicht. Es handelte sich um wunderschöne, große Kerzen, mit jeweils mehreren Dochten, gearbeitet in der dortigen Behindertenwerkstätte.

Diese Kerzen zündete ich nicht an, weil sie einfach zu schön und besonders waren. Sie standen auf einem Ehrenplatz, wo ich sie immer sehen konnte und sie mich daran erinnerten, wie besonders sie waren.

Am Heiligen Abend darauf passierte das Unfassbare. Ein Polizist wurde erstochen. Er hinterließ eine Familie. Eine Familie wie unsere. An diesem Abend hielten wir vor dem Essen inne und steckten eine dieser besonderen Kerzen für den ermordeten Polizisten und seine Familie an. Die andere Kerze fiel um und zerbrach. Ich verwahrte die Kerzenreste, denn ich brachte es nicht übers Herz sie wegzuwerfen.

Im darauffolgenden Mai war ich zu einer Präsentation in Reutlingen zu Gast, wo ich auch auf die Leiterin der SH Schwäbisch Hall traf. In ihrer Hand eine Tasche mit einer neuen Kerze für mich. Ich war total baff und freute mich sehr über diese liebevolle Überraschung.

Aus familiärem Anlass zündete ich diese Kerze am Heiligen Abend letzten Jahres an. Wieder vor dem Essen, wieder mit der ganzen Familie. Den ersten Docht entzündeten wir für die, die vor uns gegangen sind. Den zweiten Docht für ein kleines Wesen, das wie nicht kennen lernen durften. Den Dritten für Frieden auf der Welt und den vierten Docht entzündeten wir für die Babys, die in unserer Familie noch zur Welt kommen und unsere Familie bereichern würden. Es war ein unfassbar schöner Moment, wenigstens solange, bis mein Vater einen Scherz gemacht hat. Ein Docht aber, brannte heller und viel schneller als die anderen Lichter. Wir haben Fotos davon gemacht, weil es so ungewöhnlich war. Es war der Docht für die Babys, die noch kommen würden. Eine Ankündigung? Zufall? Oder gibt es eine ganz einfache logische Erklärung? Ich kann es nicht beantworten, aber irgendwie liebe ich es, an ein kleines Weihnachtswunder zu glauben. Nach Weihnachten sammelte ich die Wachsreste wieder ein und legte sie zu den Resten des Vorjahres.

 

Gestern habe ich diese besonderen Kerzenreste zu neuen Kerzen geschmolzen. Meine Adventskerzen sind nun etwas ganz Besonderes. Symbole für Erinnerungen, Hoffnung und Frieden. Und tatsächlich auch Symbol für unser Weihnachtswunder. Denn wenn die vierte Kerze brennt, sitzen wir unter dem Weihnachtsbaum und freuen uns auf den wundervollen zweifachen Nachwuchs, der nächstes Jahr das Licht der Welt erblicken wird. Und uns daran erinnert, dass Hoffnung heller leuchten kann als jede Dunkelheit. A.D.-Z.

 

Akzeptanz

Wenn die Anfallsfreiheit endet

 

Manchmal spielt das Leben Streiche, an denen man mitunter erst ein wenig zu knabbern hat, bevor man sie tatsächlich akzeptiert.

 

Wer meinen Weg hier verfolgt hat, der weiß, dass ich seit knapp zwei Jahren versuche anfallsfrei zu bleiben. Anfallsfrei ohne Medikamente.

Das war mitunter recht leicht, an anderen Tagen aber auch unglaublich schwer gewesen. Letzteres hat mich vor vier Wochen so geplagt, dass ich beschloss, den Anfall einfach durchzulassen. Der Entschluss fiel mir nicht leicht, denn es verschob meine Fahrerlaubnis theoretisch wieder nach hinten, doch mir fehlte an diesem Tag sowohl die Kraft als auch der Willen weiter dagegen anzukämpfen. 

 

Gefahren bin ich, selbst wenn ich die Freigabe hatte, sowieso ganz selten, ich fühlte mich auf dem Beifahrersitz einfach sicherer. Aber ich machte mir immer Gedanken darüber, wenn meine Eltern älter würden und unsere Senioren nicht mehr fahren dürften. Auf einem kleinen Ort, mit teils nicht sehr günstigen Verkehrsanbindungen, können sich mitunter gerade Arzt- oder Klinikbesuche als sehr schwierig gestalten und mein armer Mann muss jetzt schon zuviel schultern. 

Das Problem war, dieser Gedanke setzte mich noch mehr unter Druck und die Entscheidung, einfach alles fallen zu lassen, half mir sehr.

Tatsächlich kamen dann auch nur drei kleine fokale Anfälle, ich fühlte mich  entspannter und beschloss, erstmals in 17 Jahren, einfach das Auto fahren für immer abzuschreiben.

 

Vier Wochen später bahnte sich der nächste Anfall an und ich war guter Dinge, dass ich, aufgrund meiner neuen tiefen Gelassenheit, einen kleinen fokalen Anfall bekäme, der genauso schnell vorbei sein könnte wie er gekommen war.

Genauso war es auch. Für einen kurzen Augenblick. Denn dann kam der Nächste und der Nächste. Als ich kurz zur Toilette musste, stellte ich erschrocken fest, dass meine Beine und mein Hirn nicht ganz im selben Takt schlugen. Also komplex fokal.

Sicherheitshalber legte ich mich zum schlafen ins Bett, doch dann kam bereits der nächste Anfall. Beim sechsten Anfall veränderten sich die Anfälle plötzlich und statt des Armes begann mein Bein mit dem Anfall. Der Anfall breitete sich auf meine gesamte rechte Körperhälfte aus und ich schlug mir dabei die Decke über den Kopf. Da ich gerade die gesamte Luft aus meiner Lunge gestoßen hatte und weil meine Erinnerungen an meine Asthmaanfälle mich triggerten, stieg Panik auf, doch ich konnte mich einfach nicht wehren. Der Spuk dauerte sicher nicht lange, doch es fühlte sich lange an. Wegen der Enge der Decke, wegen der fehlenden Luft.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt schon jemals so einen Anfall hatte, aber er war maximal unangenehm.

Die anschließenden zwei oder drei Anfälle gingen dann mehr oder weniger an mir vorbei. 

Was für mich auch völlig neu war, waren die anschließenden Fehlfunktionen. Das Körperöl schwappte mehrfach in großem Bogen überall hin, statt auf meine Handfläche. Das Salz platschte in die Soße und das Wasser landete neben dem Glas. Treppenlaufen schien mir auch schwer einschätzbar, denn plötzlich waren die Stufen unter mir weg.

Aus Fischstäbchen wurden Wattestäbchen, die mein Mann aber absolut nicht essen wollte, aber Sprachstörungen sind mir und meinem Umfeld schmunzelnd bekannt und gehören zu mir.

 

Nach wenigen Tagen waren alle meine Funktionen wieder intakt, aber nun muss ich mir die Frage stellen lassen, ob ich nicht doch wieder eine medikamentöse Therapie angehe. Das wäre der 11. Versuch ob ich ein Medikament mit den Nebenwirkungen und/oder Allergien vertrage, die nicht schlimmer wären als die Anfälle selbst (ich habe diesbezüglich leider eine Unverträglichkeit zuviel). Dazu fühle ich mich psychisch und emotional gerade so ausgeglichen und zufrieden, dass ich ungerne experimentieren würde.

 

Tatsächlich nervt mich an der Epilepsie diese Unberechenbarkeit. Bis ich diese Unverträglichkeiten entwickelt habe, war alles im grünen Bereich. Ich habe täglich meine Tabletten geschluckt, war anfall- und beinahe nebenwirkungsfrei. Alles lief vorhersehbar und weitgehend kontrollierbar. Und dann fingen die Wechsel an und kein einziger lief mehr rund.

 

Wie geht es Euch dabei? Was nervt Euch an der Epilepsie am meisten? Oder seid Ihr gut eingestellt? Ich freue mich auf Eure Beiträge,

 

Eure Anja  

 

Und immer wieder - stark wie ein Löwe!

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Spaßbremse Epilepsie?

Kennt Ihr das? Ihr habt eine stressige Zeit, wisst, gesundheitlich müsstet Ihr dringend auf die Bremse treten, aber dann kommt ein Angebot dass Ihr weder ablehnen könnt noch ablehnen wollt?

Natürlich, können kann man immer, wenn man die Konsequenzen in Kauf nimmt, ist das die eigene Entscheidung. Aber will man das? 

Ich für mich treffe manchmal unpopuläre Entscheidungen, weil ich mein Leben selbst bestimmen will. Meistens geht es gut, manchmal auch daneben. Aber ist solch eine Entscheidung auch angemessen? Oder schlicht und einfach nur dumm? 

Aus medizinischer Sicht sind solche unpopulären Entscheidungen meist unangebracht und so mancher meiner Ärzte aus der Vergangenheit würde es nicht verstehen. Viele Menschen können nicht nachvollziehen, dass ich lieber aufs Auto fahren verzichten würde, als auf diesen einen besonderen Glücksmoment. Glücklicherweise habe ich aber mittlerweile Behandler aus der Kategorie "Mensch", bzw. Ärzte, die es sehr gut nachempfinden können, dass ich mein Leben nicht einzig nach der Epilepsie ausrichte und in bestimmten Situationen auch ein Fahrverbot in Kauf nehme. Damit wir uns nicht falsch verstehen. Mein altes Leben musste zum weitaus größten Teil weichen um an meine Anfallsauslöser angepasst zu werden, aber manchmal bekommt die Vorsicht eben nicht was sie gerne von mir möchte und ich setze meinen Willen durch. Ob das wirklich klug ist? Und wenn ja, wann und warum? Aber lest selbst.

 

Meine wunderbare Tochter hatte sich entschieden, ihren Lebensmittelpunkt in die Schweiz zu verlegen. Ihr Freund lebt dort und Krankenschwestern werden in der Schweiz mehr als gerne gesehen. Für meinen Mann und mich war es gar keine Frage, dass wir uns  voll mit reinknien werden, um zu helfen. Auch wenn unsere Tochter meinte, das müssten wir nicht tun, stellte sich uns die Frage erst garnicht. Also informierte ich meine Kunden, legte alle Termine soweit um den Umzug herum, dass ich mich würde erholen können und war, wie immer, maximal vorbereitet.  

Kurz davor fragte unsere Schwiegertochter, ob wir Lust hätten mit nach Island zu reisen. Da wir (Urlaubsmuffel) sonst im Leben nicht dazu kommen würden Nordlichter zu sehen, sagten wir sofort zu. Der Termin lag allerdings genau 4 Tage nach dem Umzugswochenende und mir war schon klar, dass ich da würde ganz stark jonglieren müssen. Dank toller Kunden klappte aber wenigstens such diese Terminverschiebung und es konnte losgehen. 

Bereits beim Umzug in die Schweiz fehlte mir der (für mich wichtige) Mittagsschlaf, denn die winterlichen Straßenverhältnisse machten mich doch recht nervös. Beim Zoll gab es noch ein wenig Aufregung, doch irgendwann hatten wir es geschafft und saßen um 22:30 Uhr beim "Mittagessen" in der neuen Wohnung. Tags drauf noch etwas räumen, zu Ikea und nachmittags wieder Richtung Heimat. Bereits im Auto kämpfte ich gegen einen Anfall, doch dank meiner gut geübten Anfallselbstkontrolle hatte ich diesen Kampf gewonnen.  Punktsieg auf meiner Seite!

Zwei Tage verbrachte ich im Tran, anschließend einen Tag mit Packen und dann gings wieder los. Ab, ins, zu diesem Ze3itpunkt, weiße Island. Stau auf der Autobahn, Verspätung mit dem Flieger, Suche nach dem Mietwagen, verschneite und vereiste Straßenverhältnisse - alles für sich genommen wirklich nicht so schlimm, aber in meinem Kopf stieg der Spannungspegel. Ganz langsam und unauffällig, aber er stieg stetig.

  

Tags drauf war ich unter ständig freudiger Hochspannung, denn das, was wir dort sahen und erlebten, war einfach wunderschön und beeindruckend. Mit jeder Stunde die verging, gewöhnte ich mich mehr an die Autos in den Straßengräben und konnte mich zwischendurch auch mal entspannen. An Schlaf war aber nicht zu denken. Viel zu viel Angst hatte ich, dass ich etwas dieser unglaublichen Natur verpassen könnte. Und der Pegel stieg fleißig weiter ...

Abends erschienen sie dann, die ersehnten Nordlichter. Hatten wir am Abend zuvor schon ein paar grüne Streifen am Himmel bestaunen dürfen, ging das Spektakel nun richtig los. Ein bunter Tanz am Himmel beeindruckte mich so sehr, dass ich zwischen Staunen und Weinen schwankte. Es war regelrecht magisch. 

Wenn man so etwas sieht, geht man nicht eher ins Bett bis es vorbei ist, wer weiß ob man so etwas jemals im Leben wieder sehen wird.

Und der Pegel steigt ...

Der Druck steigt langsam an, bis die Blase dem Druck nachgibt und das Wasser in die Höhe schießt. Ein Geysir ist beeindruckendes Naturschauspiel.
Der Druck steigt langsam an, bis die Blase dem Druck nachgibt und das Wasser in die Höhe schießt. Ein Geysir ist beeindruckendes Naturschauspiel.

Um es kurz zu machen, es hatte etwas zuviel getropft. Zuviele Eindrücke, Ausnahmezustände und/oder Schlafentzug tun manchen Menschen nicht ganz so gut. Und zu dieser Kategorie Mensch  gehöre auch ich.

Der Kopf war voll und lief über. Oder um es am Beispiel eines Geysirs zu beschreiben. Die Gasblase hielt dem Druck nicht mehr stand und schießt eine riesige Wasserfontäne gen Himmel. 

 

Somit fiel der eigentlich anstehende Ausflug in eine Eishöhle aus. 

 

Abends belohnten uns die Nordlichter dann erneut mit ihrem beeindruckenden Tanz und für mich war klar, dass der Anfall ein vergleichsweise kleiner Preis für dieses Naturphänomen war. Niemals würde ich dieses einmalige Erlebnis vergessen. Es gibt wenige Momente in meinem Leben die größer waren als diese.

Was sind dagegen schon die 3 Monate* Fahrverbot die nun auf mich warteten. 

 

*Jeder Patient hat andere Fahrverbotszeiten. Der Arzt kann diese Zeit anhand der Leitlinien, der Anfallsart und des Auslösers genau definieren. Es ist absolut unerlässlich sich an Fahrverbote zu halten - nicht nur zum eigenen Schutz, sondern auch zum Schutz der Mitmenschen!

 

Wenn ich mich nun, schon lange wieder Zuhause, über mein neues Fahrverbot ärgere,  dann erinnere ich mich an dieses unglaubliche Spektakel, das ich tatsächlich an drei Abenden erleben durfte. Viele Menschen fliegen in die nördlichen Länder und sehen es nicht einmal - ich durfte es gleich dreimal bestaunen. Wirklich ein Geschenk des Himmels. Eine Erinnerung, die den Anfall zu einer Winzigkeit schrumpfen lässt und mir für mich bestätigt: Ich darf meine Prioritäten auch auf unpopuläre Weise zurecht rücken, wenn es meiner Familie und mir angemessen erscheint.

 

Aber ...

das ist nur selten der Fall, wie z.B. auf der Hochzeit meines Sohnes. Mein 40. und 50. Geburtstag gehören nicht dazu, da wurde/wird die Feier "um meinen Kopf herum gebaut." Bei Kurzurlauben mit meinen Freundinnen ist es dasselbe. Schon bei der Planung ist die Epi im Gepäck. Dank vieler Tränen und Anfälle, als wir es noch anders handhabten. 

 

Ich will Euch nichts vormachen. Es war ein harter Weg bis hierhin. Es gab viele Tiefpunkte. Nicht nur bei mir, sondern auch bei meiner Familie und meinen Freunden, die meine Anfälle und deren Nebenwirkungen mittragen mussten und müssen. Man muss lernen mit seiner Epilepsie zu leben, denn Epilepsie ist eine sehr komplizierte Erkrankung. "Die" Auslöser gibt es nicht, "die" Anfälle gibt es nicht, "die" Epilepsie gibt es nicht. Deswegen ist die Behandlung oftmals so schwer oder wie ein Arzt einmal sagte "es ist Glückssache, schnell ein Medikament zu finden das passt." Bei mir dauerte diese Glückssache 11 Medikamente und 13 Jahre. Um dann bei der Anfallsselbstkontrolle zu landen. Das ist sehr viel Arbeit und erfordert Disziplin und Akzeptanz, da mich kein Medikament mehr schützt.

 

Wenn dann noch dissoziative Anfälle dazu kommen, gesellen sich noch weitere Anfallsauslöser hinzu und man muss zusätzlich lernen diese Trigger auch noch zu meiden. Manchmal ist das ein Drahtseilakt. 

 

Ich habe in den 12 Jahren als Epilepsie-Patientenbotschafterin unzählige Geschichten gehört und oft auch miterlebt.

Manche Epilepsiepatienten lassen sich zu sehr in ihre Erkrankung fallen und geben dem Leben keinen Raum mehr zur Entfaltung.  Bei anderen sind es die Angehörigen, die ihre Lieben in das Epi-Korsett zwängen. 

Bei mir war es genau andersrum. Ich habe der Epilepsie in meinem Leben keinen Raum gegeben, weil ich Andere damit nicht (mehr) belasten wollte. Ich hatte in den ersten Jahren täglich mehrere Anfälle und wollte, als sich die Anfallshäufigkeit lichtete, Niemandem mehr zur Last fallen. Niemanden nerven. Wieder intakt sein, alles mitmachen - ganz so, wie früher.

Das rächte sich natürlich. Meine Tochter sagte einmal zu mir "Du kannst nicht erwarten, dass Andere Rücksicht auf Dich nehmen, wenn Du selbst keine Rücksicht auf dich nimmst!"  Das saß, denn sie hatte natürlich recht. Seit diesem Satz habe ich gelernt "Nein" zu sagen. Ich muss nicht mehr überall dabei sein, nicht mehr jede Veranstaltung mitmachen und auch nicht mehr überall helfen. 

 

Ich baue ganze Tage um ein bevorstehendes Event herum, damit ich ausgeruht hineingehen und mich anschließend regenerieren kann. Anfallsauslöser meide ich so weit wie möglich und ernte auch da nicht immer Verständnis bei meinen Mitmenschen. Denn ich meide u.a. auch Menschen  die mich triggern* könnten - auch wenn es manchmal sehr schwer fällt.  *Bei dissoziativen Anfällen (wegen Traumata)

 

Aber ich habe meinen Weg weitgehend gefunden. Wieder mal. Als ich noch häufige Anfälle hatte und Autofahren und Anfallsfreiheit nicht ansatzweise in Sichtweite waren, habe ich dies komplett anders gesehen und Anfälle genommen wie sie kamen. Wozu auf etwas verzichten, wenn der Anfall mich ja sowieso heimsucht. Jetzt sieht das aber anders aus. Ich kenne Anfallsfreiheit und auch wieder das freie Gefühl Auto fahren zu dürfen. Und genau das will ich wieder zurück.

    

 

Es ist nicht einfach  und hätte ich medikamentös anfallsfrei und nebenwirkungsarm eingestellt werden können, wäre mir das natürlich lieber gewesen. Da es aber nicht sein sollte, musste ich einen neuen Weg gehen. Und letztlich bin ich eigentlich ganz froh darüber. Denn seien wir doch mal ehrlich. Es schadet uns nichts ganz tief in uns hinein zu spüren und das zu tun oder nicht zu tun, das am besten für uns ist und nicht für Andere. 

Manchmal ist die Vernunft der beste Weg und manchmal darf man auch einfach mal leben. Wann und wie das der Fall ist und ob wir bereit sind auch eventuelle Konsequenzen zu tragen, das können und dürfen nur wir selbst entscheiden, denn wir haben eine äußerst individuelle und komplizierte Erkrankung, die so manchen Arzt an seine Grenzen bringt. "Die" Epi gibt es eben nicht und "den" Menschen auch nicht. 

 

Wie ergeht es euch dabei? Lebt Ihr lieber mit Anfällen und Fahrverbot? Oder seid ihr eher vorsichtig? Mit Erfolg oder ohne? Oder seid Ihr mehr wie ich - abhängig von der gerade vorherrschenden Lebenssituation und der aktuellen Anfallshäufigkeit- angepasst im Umgang mit der Anfallsprophylaxe?

 

 

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Dem (Epi-) Leben einen Sinn geben

Hört Ihr auch manchmal einen der seltsam anmutenden Sätze, mit süffisantem Unterton, "Du musst ja Zeit haben", "was du alles machst ...", oder "dafür hätte ich gar keine Zeit" und bleibt Eurem Gegenüber entweder eine Antwort schuldig oder Euch rutscht eine eigentlich dämliche Antwort heraus?

 

Mir passiert das ganz oft und ich würde den Leuten gerne so etwas sagen wie "sei froh, dass Du gesund bist und eine Arbeitsstelle hast" oder "meinst Du nicht, ich würde gerne ein sicheres Gehalt mit späterer Rente haben?" Eigentlich wäre das die richtige Antwort, aber mir ist das zu dramatisch - das passt nicht zu mir.

 

Trotzdem, einen festen Job, mit netten Kollegen und sicherer Rente hätten wir wohl alle gerne und manchen von uns ist das auch vergönnt - und das ist toll. 

 

Einige von uns haben aber zu viele Anfälle um einen passenden Arbeitsplatz zu finden, haben zu ungewöhnliche Anfälle oder schlicht die Belastungsgrenze eines Marienkäfers. So wie ich. Ich sammele Krankheiten wie andere Leute Briefmarken, bin aber nicht bereit mich davon herunterziehen zu lassen. Und dann kommen solche Sprüche und tun genau das. Sie drücken meine Motivation und Laune für Tage und in meinem Kopf spukt die Angst vor dem Älter werden ohne vernünftige Rente. 

 

Dabei habe ich nicht wirklich zu viel Zeit, im Gegenteil. Ich bin oft gestresst und verpeilt, weil ich zu viel im Kopf habe. Ich nutze meinen Tag nur anders und versuche dem, was ich mache, trotzdem einen Sinn zu geben. Einen Sinn, mit meinen eigenen Möglichkeiten. Ich lebe das Leben, das ich habe, intensiver, genauer, bewusster. Weil ich es kann und weil es meinem Leben etwas gibt das viele andere auf ihrem Weg der Hektik verloren haben - einen Sinn!

 

Natürlich hat nicht alles was ich tue einen wirklich tiefen Sinn, manchmal sind es nur Sandkörnchen, die ich bewege, aber auch Kleinigkeiten können helfen und glücklich machen. Andere und mich. Oder wie sagte mein Opa immer (in einem anderen Kontext, aber es passt auch hier): "Kleinvieh macht auch Mist."

 

Morgens habe ich Kunden höheren Alters, denen ich den Umgang mit Handy und Computer beibringe. Klingt banal, ist es aber nicht für ältere Menschen. Diese Freude, wenn sie das erste mal mit dem weit entfernten Enkelkind skypen. Wenn sie sich informieren können oder virtuell den einen Ort besuchen, an dem sie glücklich waren. Das macht auch mich glücklich. Dann kann ich sehen, wie auch eine kleine Arbeit einen riesengroßen Sinn ergeben kann..

 

Mittags beschäftige ich mich oft mit Dingen rund um die Epilepsie. Und manchmal schaffe ich es sogar einem Menschen damit ein klitzekleines bisschen zu helfen und auch das gibt all der investierten Zeit einen wirklich schönen Sinn. 

 

Ganz wichtig ist mir auch, anderen Menschen eine Freude zu machen. Ich liebe die Freude in den Gesichtern meiner Lieben oder anderer Menschen. So etwas muss nicht immer ein gekauftes Geschenk sein, sondern kann ein selbst gebackener Kuchen oder etwas gebasteltes sein - oder ein Lächeln, das von Herzen kommt. Hand aufs Herz - wie fühlt Ihr Euch, wenn Euch wildfremde Menschen zulächeln und einen Gruß schenken? Wunderbar, oder?  

 

Früher habe ich meine Kinder vor Weihnachten bei ihren Spielsachen ein Teil aussuchen lassen, das sie einem Kind weiter schenken sollten, dem es nicht so gut geht. Schon die Beiden begriffen, wie schön es ist zu geben und auch heute käme es mir nicht in den Sinn Kleidung oder andere Utensilien einfach wegzuwerfen. Es gibt immer einen dankbaren Abnehmer. Und damit hat selbst das Entsorgen einen Sinn. 

 

Apropos Kinder, meine erwachsenen Kinder haben mich wunderbar erzogen. Ich versuche mittlerweile nachhaltig zu kaufen und ökologisch zu denken. Es gelingt mir nicht immer und manchmal tappe ich dann doch wieder in die alte Gewohnheitsfalle. Aber ich recherchiere viel über das Thema und bin erstaunt, wie viel ich durch diese Informationssuche schon zum Besseren umsetzten konnte. Wenn das keine sinnvolle Zeitinvestition in unsere Zukunft ist, dann weiß ich auch nicht. 

 

Lachen ist auch etwas sinniges. Ich versuche mir viel kindliches zu bewahren und auch über mich selbst zu lachen. Über meine Vergesslichkeit und meine Koordinationsstörungen genauso wie über meine Witze. Manchmal bin ich albern oder sogar unabsichtlich peinlich. Wenn andere dann mit mir lachen können - wohl bemerkt mit mir - nicht über mich, dann ist das toll, denn Lachen macht glücklich und schenkt angeblich sogar Lebenszeit.  

 

Selbst Pausen machen einen Sinn. Ihr kennt das bestimmt auch, der Kopf wird wieder ruhig und der Körper kann mit Übungen trainiert werden, die andere Beschwerden senken. Damit bin ich wieder belastbarer um meiner Familie, Freunden und oft auch fremden Menschen ein offenes Ohr zu leihen oder zu helfen. Ich bin achtsamer mit mir selbst, was überaus sinnvoll ist. Die eigene Achtsamkeit wird von vielen Menschen aber eher stiefmütterlich behandelt -  manchmal auch von mir - wie ich zugeben muss. Aber ich gelobe Besserung, was sehr sinnvoll wäre.

 

Genau genommen sind das nur einige wenige Beispiele, wie man bei beinahe allen täglichen Dingen, dem Leben einen Sinn geben kann. Manche Dinge sogar so intensiv, dass ganze Tage, Wochen oder Monate dabei draufgehen. Familie, Tierschutz, Umweltschutz, Flüchtlingshilfe, sammeln für Obdachlose, bis hin zu sammeln von Plastik, wenn man spazieren geht usw. Unglaublich viele Dinge geben unserem Leben einen Sinn. Man könnte das Thema mit vielen Ideen füllen und Inspirationen schaffen und ich würde mich freuen, wenn Ihr unten Eure Ideen oder Tätigkeiten erzählt. 

 

Sicher, ich habe keine Arbeitskollegen, kein festes Gehalt und kann nicht sicher sein, was mir das Alter finanziell bringt. Aber im Prinzip ist das auch das einzig relevante Manko, was mir die Krankheit gebracht hat. 

Der wirkliche Sinn des Lebens kann das aber unmöglich sein, der liegt ganz woanders.

 

Wenn ich also das nächste mal den wirklich dämlichen, süffisanten Kommentar hören muss. "was machst Du denn den ganzen Tag?", dann antworte ich: "ich gebe meinem Leben einen Sinn!" 

 

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Ab ins Fernsehen

Öffentlichkeitsarbeit für die Epilepsie-Aufklärung ist mir wichtig und ich tue Vieles dafür. Wenn aber ein TV-Format anruft und glaubt, mit mir Drama machen zu können, dann bin ich raus. Einer hatte sogar meine Geschichte neu geschrieben. Umso überraschter und erfreuter war ich, als ich die Anfrage einer Journalistin bekam, die auf meiner Wellenlänge lag. Positiv und freundlich kann sie rüber und genauso sollte eine Aufklärungssendung über Epilepsie werden.  Dass ich da nicht mehr nein sagen konnte, lag klar auf der Hand. Wenn ich etwas Gutes gegen das Stigma der Epilepsie tun wollte, dann durfte ich hier nicht ängstlich sein und sagte zu. 

Die Idee der Journalistin, mich zu einem meiner Vorträge zu begleiten und dazu noch ein Interview zu machen, wäre zwar toll gewesen, aber mein Hirn hätte da garantiert nicht mitgespielt. Deswegen kamen die netten Leute vom TV zu mir nach Hause. 

Was soll ich sagen, schon bei der Begrüßung nahmen mir das Team gleich die Angst, weil wir das formelle "Sie" gleich übersprungen. 

Damit fiel ein kleines bisschen Anspannung von mir ab und ich konnte (fast) locker ich selbst sein. 

Ich staunte nicht schlecht, was da alles in unser Haus getragen wurde. Mein riesiges Wohnzimmer schrumpfte zusehends unter dem Eindruck der Kameras, Lampen, Kisten und des Tonequipments. 

 

Nach dem gefühlt schier endlos dauernden Aufbau der Gerätschaften war meine Stunde nun gekommen. Wir starteten mit dem Interview. 

Farblich passend zur Bluse verkabelt, musste ich nun versuchen, meine Aufregung in den Griff zu bekommen. Was bei den ersten Antworten noch leicht unsicher rüber kann, wurde zunehmend besser, weil ich mich sicherer fühlte. Viele Fragen zu mir und meiner Epi wurden gestellt und am Ende nutzte ich die Chance mein eigenes Statement dazu abzugeben. Ich bin glücklich, Nicht nur trotz, sondern auch dank meiner Epilepsie! Wer meine Geschichte kennt, weiß warum.

Anschließend stellte sich eine meiner mutigen Kundinnen der Herausforderung und stellte sich ebenfalls der Kamera. Da ich PC-Kurse gebe, ist gerade das auch ein wichtiger Teil meines Lebens, den ich durch die Epi erst entdeckt habe. Anneliese war natürlich genauso aufgeregt wie ich, aber einfach klasse. Mit Ü70 brillierte sie und schenkte mir dabei einen sehr rührenden Moment. Mein Sohn machte währenddessen Fotos von den Filmaufnahmen, damit ich tolle Erinnerungen fürs Familienalbum bekomme. 

Nach einem kurzen Mittagsschlaf, den das Team mir gönnte um Kopfseitig wieder fit zu werden, wurde erneut umgebaut. Ich übte meinen Vortrag für die nächste Epilepsieveranstaltung  und versuchte dabei immer im Bereich der Kamera und des Tons zu bleiben, was mir garnicht so leicht fiel. Apropos Ton, ich hatte großes Mitleid mit dem "Tonmeister", denn seine Arme leisteten hierbei wirklich beachtliches.

Mit diesem Tag stieg meine Hochachtung für die Menschen hinter der Kamera beträchtlich. Es wird Zeit, dass sie eine eigene Fan-Base bekommen. Ich mache hier mal den Anfang.

 

Anschließend musste natürlich auch mal eines meiner Hobbies gezeigt werden und da weder ein Männerballett im Training, noch eine Heilquelle zu pflegen war, was könnte es da spannenderes als Fische geben. Auf diese Weise bekamen einige Wasserpflanzen einen radikalen Sommerschnitt und der Kameramann ungewöhnliche Unterwasser-Aufnahmen. 

 

 

Irgendwann wird der schönste Raum einmal langweilig und so zogen wir ins obere Stockwerk weiter. 

Ich stellte meinen Löwen vor, ein Bild, was ich symbolisch während einer meiner schwierigeren Epi-Zeiten zur Motivation malte.

 

 

Selbstverständlich durften auch meine Bücher nicht fehlen, die immerhin ursächlich für unfassbar spannende Momente in meinem Leben waren, aber hoffentlich genauso hilfreich dem einen oder anderen Leser. 

Zum guten Schluss durfte der Star des Ortes vor die Kamera. Unser Hund Lilli. Gekauft, damit ich täglich raus muss, aber mit einem nicht antrainierten Anfalls-Instinkt ausgestattet, ist sie der Liebling der Familie und vielleicht jetzt auch des TV Teams. Es war auf jeden Fall unglaublich süß, als der Kameramann, in den Knien gebeugt, neben meinem Hund herlief, um beste Bilder von Lilli einzufangen. Meine Tochter war mittlerweile dazu gestoßen, um selbst ein paar Erinnerungsfotos zu schießen. 

Nachdem dieser entspannende Spaziergang abgedreht war, hatte das tolle TV Team seinen verdienten Feierabend und ich wanderte ohne Umwege in mein Bett. 

Abends gönnte ich mir mit meiner Familie noch ein Gläschen Wein um diesen denkwürdigen Tag zu feiern. Es war sicher nicht einfach, sich der Kamera zu stellen und die Öffentlichkeit in das heimische Reich einzuladen, aber ich hoffe, dass ich mit dieser Aktion einen Beitrag dazu leisten konnte, dass Epilepsie wieder ein kleines Stück bekannter und weniger tabuisiert wird.

 

Ich werde jetzt sicher noch zwei Tage an diesem Stück Arbeit zu knabbern haben, aber ich bin dankbar und froh, dass ich diese Chance- und so ein tolles Team für die Dreharbeiten bekommen habe. 

 

In diesem Sinne, Eure Anja

 

Gut zu wissen: Für diese Sendung wurde auch eine junge Sportlerin begleitet und ein Facharzt wird zu Wort kommen. Ein tolles Konzept, wie ich finde.

 

Der Film wird am 20.10.2018 um 12:45 Uhr auf Health TV zu sehen sein. Im Zwei-Stunden Takt bis 18:00 Uhr. Nach diesem für mich aufregenden Tag, kann man die Sendung auf healthtv.de unter folgendem Link streamen. https://www.healthtv.de/c_eur/de/sendungen/kleinereportage/epilepsie-aktiv-gegen-vorurteile 

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Wenn`s dem Esel zu doll wird, geht er aufs Eis und bricht sich ein Bein …

Diesen Spruch hatte ich mir schon öfter anhören müssen und ich wusste, dass er stimmt, aber irgendwie war er in meinem Kopf wie Schall und Rauch – ich vergaß es immer wieder.

 

Wenn ich in den vergangenen Monaten morgens aufwachte, war ich glücklich und dankbar, dass es mir so gut ging. Nach 11 Medikamentenversuchen, die allesamt mit nicht akzeptablen Unverträglichkeiten endeten, war ich nun frei davon und hatte mit Anfallsselbstkontrolle alles im Griff. Meine Allergie gegen die Medikamenten-Zusatzstoffe hatte also etwas Gutes und ich war stolz mir diese Eigenkontrolle über meinen Körper erarbeitet zu haben. Naja, genau genommen war es ein gutes Stück Arbeit gewesen, die mich viele Jahre Training gekostet hatte, aber es hatte sich gelohnt.

 

Nun war ich also anfallsfrei und durfte wieder Auto fahren. In meinem Kopf tobten schon die Zukunftspläne und ich vergaß nach und nach meine lauernde Epi. Meine Mitmenschen allerdings auch, und so wendete sich alles wieder in meinem Leben. Ich war nun wieder die Frau, die vor 15 Jahren alles schmiss. Seelsorger, Manager, Geschäftsfrau, Hausfrau, Mutter und neuerdings Schwiegertochter in Vollzeit. Da meine Schwiegermutter nun verwitwet war, war das Haus für sie zu groß und für uns zu weit weg.

 

Unser neues Projekt hieß also nun „Oma zu uns holen“ und wenn sich Jemand mit Umzügen auskannte, dann wir. Dank unserer Kinder und unseren eigenen Umzügen hatten wir Erfahrung im zweistelligen Bereich. Deswegen sollte auch das jetzt locker zu machen sein.

 

Und ich tat, was ich am liebsten tat: Managen und alles organisieren. Nebenbei noch räumen und Kisten schleppen und dazu das ganz normale Tagesgeschäft, das ja auch nicht liegen bleiben durfte. Dass ich zusätzlich als seelischer Abfalleimer der Nation prima funktionierte, war bekannt und auch gerne genutzt. Aber ich hatte alles im Griff. Ohne Frage.

 

Natürlich hätte ich merken müssen, dass mein Kopf mittlerweile immer mehr einem Tollhaus glich. Die Gedanken schwirrten und summten, meine Träume drehten sich nur noch um die Organisation und Arbeit und an erholsamen Schlaf war nicht mehr zu denken. Ich lag nachts stundenlang wach und mein wichtiger Mittagsschlaf fiel meiner Kopfkirmes zum Opfer.

 

Der Druck im Kopf wurde immer größer und kleinste Spitzen und Bemerkungen bauten sich zusätzlich als Lasten auf. Bis ich eines Tages an meiner eigenen Arbeit scheiterte. Drei Sätze musste ich auf einer Homepage aktualisieren und selbst das erschien mir nicht machbar. Langsam aber sicher baute sich etwas auf, das sich unbedingt entladen wollte. Ein Gefühl, dass ich erfolgreich verdrängt hatte. Ich versuchte nun also meine rechte Gehirnhälfte zu aktivieren, den drohenden Anfall umzulenken. Das klappte zwar, aber es war unfassbar anstrengend und ließ auch nicht nach. Atemübungen, Entspannungsübungen, alles versuchte ich, aber der Druck wollte nicht schwinden. Als ich merkte, dass ich das nicht dauerhaft durchhalten würde, nahm ich eine Tavor. Als sie endlich wirkte, war mir klar, dass ich diese Selbstkontrolle keine 5 Minuten mehr durchgehalten hätte. Dieser Anfall hätte mich überrollt wie eine Dampfwalze – und das nur, weil ich meinen eigenen Grundsatz mit Füßen getreten hatte. Auf seinen Körper hören und nicht auf die To do Liste oder andere Menschen.

 

Klar, es ist auch nicht einfach, Arbeiten zu ignorieren, die gemacht werden müssen. Die vielen Sprüche und Geschichten zu ignorieren und von sich fern zu halten. Den Kopf auf Kommando leer zu machen. Aber es ist dringend nötig, wenn man mit Anfallsselbstkontrolle arbeitet. Und nicht nur dann, auch wenn man Anfälle verhindern will und die eigenen Anfallsauslöser Stress und Schlafentzug sind.

 

Es ist gerade nochmal gut gegangen, doch ich musste die Bremse aprupt durchtreten. Manche haben verstanden, dass man nun nicht mehr alles auf mich abwälzen darf, Andere wieder fühlen sich auf den Schlips getreten. Was mich dann auch wieder belastet. Letztlich ist aber am schlimmsten, dass ich immer wieder eines solchen Weckrufs bedarf. Dass ich so leicht vergesse, übermütig werde und mich in völliger Selbstüberschätzung hochmotiviert in alle Aufgaben stürze. Aus 10 Aufgaben werden ganz schnell 100 und mein Kopf spielt Karussell. Damit es nicht noch Gewitter spielt, ist es wichtig, sich selbst zu besinnen. Immer wieder zwischendurch und nicht erst, wenn es eine Minute vor zwölf geschlagen hat.

 

Es ist furchtbar schwer daran zu denken und noch schwerer es durchzuhalten, schließlich haben wir keinen Gips, der uns immer wieder ermahnt, etwas langsamer zu machen. Aber es wäre so wichtig.

 

Was macht Ihr um Euch selbst zu zügeln? Habt Ihr etwas gefunden, dass Euch im Zaum hält, ohne Euren Spaß am Leben einzudämmen? Oder seid Ihr auch so wie der „Esel“ und ich?  

 

Ich bin gespannt auf Eure Rezepte,

 

Eure Anja

 

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Das Outing (erstmals erschienen im Magazin "Epi-Kurier", aber immer aktuell))


Manchmal erlebt man als Epileptiker Dinge die einen zweifeln lassen. Zweifeln an der Gesellschaft, an dem System, zweifeln am gesunden Menschenverstand.
Mein letztes Zweifeln liegt schon ein paar Tage zurück, aber ich muss trotzdem immer wieder darüber nachdenken.
An besagtem Tage war ich auf einer Veranstaltung wo ich sehr viele Freunde und alte Bekannte traf.
Im Laufe des Abends gesellte sich eine Frau in den Dreißigern zu mir und stellte mir die Frage „Hast Du schon mal Carbamarzepin genommen?“ Ich war überrascht über diese, eigentlich ganz harmlose Frage. Wenn meine Epilepsie auch wirklich kein Geheimnis in unserer Umgebung ist, kennt wohl kaum einer den Wirkstoff eines Antiepileptikas. Ich setzte mich also zu ihr und begann eine Unterhaltung. Schon ihr Vater hätte eine Epilepsie gehabt, erzählte sie mir, und nun habe sie selbst es auch getroffen. Fatal, denn sie hatte ihren Kindern beigebracht, dass Epilepsie eine Krankheit ist über die man nicht spricht!


In diesem Augenblick war ich sprachlos , denn ich hatte nach dem Einsetzen meiner Epilepsie meindirektes Outing. Ich erzählte zuerst meiner Familie davon, dann meinen Freunden, ich schickte eine e-mail an Bekannte und outete mich direkt bei meinen Vereinstreffen. Und das alles in drei Tagen.
Ich bin nicht der Typ für Geheimniskrämereien oder falsche Scham, ich bin der offensive Kämpfer der es nicht mag jede Geschichte tausend Mal, mit der Hand vor dem Mund, aufs neue erzählen zu müssen, und das immer mit dem Abschluss „aber psst das soll keiner wissen…“


Ich persönlich kenne keine Anfalls Situationen wo ich mich hätte schämen müssen weil alle meine Mitmenschen entsetzt auf mich starren, da ihnen gerade klar wird dass etwas nicht stimmt mit ihrer Anja. Doch halt, ein einziges Mal in einer Pizzeria mit wildfremden Menschen, es war mein erster
Anfall in der Öffentlichkeit – das war mir sehr peinlich. Aber da war meine Krankheit erst ein paar Wochen am toben.

 

Ich hatte zwischenzeitlich Hochkonjunkturen von bis zu acht Anfällen am Tag und ging meinen Freizeitaktivitäten trotzdem weitgehend nach. Weil ich mich geoutet hatte.
Mir tat diese junge Frau wirklich leid, denn sie hatte sich so verrannt in die Vorstellung dass sie jederzeit und überall einen Anfall bekommen könnte. Und mit dieser Vorstellung hat sie ja auch völlig recht, nur, es beherrscht sie. Sie kann sich nicht mehr fallen lassen und einfach sie selbst sein. Ihre
Gedanken kreisen nur noch um den vierteljährlichen Anfall und wie es der Familie dabei geht. Ich könnte ihr die Antwort geben. Es geht der Familie ziemlich mies bei dieser Geschichte, denn, darüber spricht man nicht.

 

Niemand weiß etwas, keiner ahnt was zu tun ist, das Teufelsrad beginnt sich zu drehen. Ist die Familie vorbereitet ist das natürlich auch kein Garant für beste Versorgung im Anfallsgeschehen. Meine 10jährige Tochter war während dieser Ereignisse so souverän, dass sie erst einmal ungebetene Zuschauer aus dem Zimmer komplimentierte und einfach bei mir wartete bis alles vorüber war, denn sie wusste ja - in wenigen Minuten ist alles wieder vorbei und wenn nicht, dann kann ich immer noch die 112 anrufen.

Meine erwachsene Schwester dagegen, wurde Zeugin eines Anfalls und lief schreiend weg. Das Ergebnis zu vieler Horrorfilme in früher Jugend.
Wenn ich aber meine Krankheit verschwiegen oder in ein dunkles Tuch gehüllt hätte, dann wären Panik und Angst garantiert gewesen!


Ich merkte schon sehr früh in meiner Epileptikerlaufbahn die Tendenz zu solch einem Vertuschungsverhalten, was ich auf der einen Seite verstand aber auf der anderen Seite immer sehr aufregte.

Ich bin es doch immer noch. Immer noch die, immer zu Scherzen, aufgelegte Anja mit dem leichten Hang zu Schusseligkeiten und Naivität. Dass ich jetzt noch ein bisschen schusseliger bin als vorher, liegt an den Medikamenten und das ich jetzt dumme Witze über mich selbst mache an meinem Galgenhumor.

 

Aber all das bin ich. Das konnte keine Epilepsie verändern. Und ich kann ich
selbst bleiben, ich muss mich nicht verstecken und nicht verstellen, denn Jeder weiß Bescheid über mich!


Diese junge Frau dagegen lebt nun ein Leben das auf einer Lüge basiert. Auf der Lüge das sie gesund ist. Und es ist verdammt schwer solche Lügen aufrecht zu erhalten. Wie z.B. erkläre ich meinen plötzlichen Rückzug aus der Gesellschaft, wie halte ich meine Ausreden aufrecht, wie lebe ich ein
Leben dass nicht meines ist?

Es ist schwer, scheint aber in einigen Fällen ganz gut zu funktionieren, wenigstens so lange bis das Kartenhaus zusammen bricht, weil man in der Eisdiele neben der Arbeitsstelle einen Anfall bekommt und die Arbeitskollegen in Windeseile Spekulationen, gepaart mit den abenteuerlichsten Geschichten, austauschen.

Dann wird das Leben plötzlich richtig aufregend…


Ich selbst bin ja in meiner Wut über die Stigmatisierung der Epilepsie sogar so weit gegangen, dass ich mein erstes Jahr mit meinen Anfällen, sorgfältig dokumentiert habe. Inklusive Peinlichkeiten und Ärgernissen, habe ich meinem Ärger Luft gemacht. Ich habe versucht ein Tabu zu brechen, frech, taktlos und mit einer gehörigen Portion Selbstironie meinen Epi Alltag zu beschreiben und das Buch dann veröffentlichen lassen.

Nun weiß jeder im gesamten Umkreis wie ich esse, schlafe, feiere, jetzt kennen alle meine Familie, und wie ich im Anfall so drauf bin.

 

Auf den Punkt gebracht: Jetzt kennen alle mich, nicht meine Epilepsie, MICH.


Diese Frau kennt mich auch, mich und meine Geschichte – und trotzdem verheimlicht sie ihr Problem jahrelang. Eine Ausnahme? Nein, ganz sicher nicht. Eine weitläufige Verwandte von mir, beichtete vor einigen Monaten auch ihr kleines Geheimnis. Sie schilderte es mir, nur mir. Nicht ihrem Mann, nicht ihren Freunden, einzig und allein der, vermeintlichen, Leidensgenossin.

 

Doch ich leide nicht mit ihr. Während sie Angst hat dass man sie für eine Irre halten könnte, lebe ich mein Leben, so weit wie möglich, weiter wie bisher.
Ich bin keine Irre, oder vielleicht bin ich ja doch eine, aber gewiss nicht weil ich Epileptikerin bin.

Das Schlimmste an diesen beiden Geschichten ist, dass diese beiden Frauen im Gesundheitswesen arbeiten. Wie kann man Aufklärung unter der breiten Masse erwarten, wenn es bei den Profis ein Tabu ist über Epilepsie zu reden.


Seit mein Buch veröffentlicht wurde, erreichten mich so viele Anrufe wildfremder Menschen, die endlich einmal über ihre Epilepsie reden wollten. Da muss erst eine kleine Frau kommen und an der Sprachlosigkeit rütteln, dass man wagt sich zu outen.


Ich hatte einmal einen Anfall während eines Sportturniers des örtlichen Schützenvereins. Ich merkte, dank meiner Aura, dass es passieren würde und versuchte den voll besetzten Gastraum zu verlassen. Dummerweise kam ich gerade mal bis in den Flur, in dem es zuging wie im Taubenschlag. Als der Anfall vorbei war, saßen zwei Freundinnen an meiner Seite, ein Bekannter fragte mich ob er mich nach Hause fahren solle und die vorbei eilenden Menschen ignorierten mich entweder oder warfen mir ein aufmunterndes Lächeln zu. Keine einzige Panikreaktion, keine Zuschauer, kein Krankenwagen. Es war ja bekannt dass ich diese Krankheit hatte und es war auch keine Frage was zu tun war.


Ob ich mit einem Familienmitglied oder mit Freunden aus dem Haus ging, es gab keine ungeklärten Fragen und keinerlei Berührungsängste. Sie hatten die Situation unter Kontrolle und sorgten dafür, dass man mich einfach mal eben machen ließ, die paar Minuten ...


Ich habe nicht einmal erleben müssen, dass man mich gemieden hätte. Ich vergehe allerdings auch nicht in Selbstmitleid, sondern integriere meine Anfälle in mein Leben und nicht umgekehrt. Der Weg dorthin war nicht leicht, aber er war kurz. Wenn man sich nur einmal kurz überwinden und outen kann dann geht der Rest von ganz alleine. Und plötzlich hat man den Weg erklommen, sieht wieder Licht am Ende des Tunnels und merkt dass man nicht mehr alleine ist. Auch Epileptiker haben Freunde, überall! Um sie zu sehen muss man nur eines tun: Den allerersten schweren Schritt!


Ihre Anja D. Zeipelt

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Anfallsauslöser und Ausgehen bei Epilepsie

 

Wie aufregend ein einfacher schöner Abend für einen Epilepsie Patienten sein kann, wissen wohl die Betroffenen am allerbesten. Ein Anfall könnte unvorbereitet kommen oder auch nur ein Anfallsauslöser, den man bisher noch nicht kannte. Während es beispielsweise für Gehbehinderungen klare Hilfen gibt, die eingesetzt werden können, ist es bei Epilepsie völlig unklar was dem einzelnen nun schaden oder helfen könnte. Zu individuell und mannigfaltig können die Auslöser sein.

 

 

Seit 15 Jahren kann ich die Epilepsie nun als meinen treuen Lebenbegleiter bezeichnen und seit einigen Jahren kenne ich meine Anfallsauslöser doch recht gut. Was ein absoluter Vorteil ist, denn mittlerweile ergänze ich die Therapie durch die sogenannte Anfallsselbstkontrolle. So kann ich u.a. versuchen zu vermeiden was nicht absolut notwendig ist. Aus genau diesem Grund habe ich bisher möglichst Konzerte vermieden, nenne ich doch die sehr seltenen Anfallsauslöser hohe/schnelle Tonwechsel und die weniger seltenen Auslöser Flackerlicht als Auslöser mein Eigen. Dazu kommt, wie bei ganz vielen Epis, der altbekannte Auslöser Stress.

 

 

Vor einigen Monaten erzählte mir meine Freundin von einem ganz besonderen Konzert, das sie planen und welches ganz anders werden sollte. „Movies, Musicals and more“ sollte die Veranstaltung unseres heimischen Gesangvereins heißen. Bevor ich auch nur eine Karte kaufen konnte, machte man sich schon Sorgen um mich, was ich ganz süß fand. Zuerst kam die Mutter der Freundin meiner Tochter auf die Idee, dass das Flackerlicht, das am Eingang für Special Effects sorgen sollte, mir schaden könnte. Danach kam meine Freundin und schlug mir den Seiteneingang vor und dann noch unsere Apothekerin. Mein offener und unkomplizierter Umgang mit Epilepsie zahlte sich spätestens jetzt aus.

 

Tatsächlich wagte ich es trotzdem und ging mit meiner Tochter zu diesem Konzert. Bereits am Eingang wurden lichtempfindliche Personen auf das Flackerlicht aufmerksam gemacht, was ich sehr weitsichtig und gelungen fand. Ich schirmte meine Augen ab und man ersparte mir das Blitzlichtgewitter am Eingang. Kein großer Aufwand für die Veranstalter, aber ein Rieseneffekt für mich.

 

 

Als das Konzert schließlich begann, startete die Begleitband ausgerechnet ein Jazzlied mit schnellen Tonfolgen. Dazu kamen Fotografen mit Blitzlichtern, die in dem abgedunkelten Raum direkt auf mein Hirn zu wirken schienen. Meine Tochter lenkte mich zwar ab und ich überstand das Lied durch „Anfallsselbstkontrolle“, aber wer das kennt, weiß, dass man das nicht lange durchhalten kann. Deswegen kündigte ich meiner Tochter bereits meinen schnellen Aufbruch an, sobald ich die kritische Grenze erreichen würde. Hier kamen mir meine früheren häufigen Anfälle zugute, denn ich kannte meine Reaktionen und meine Zeitfenster in- und auswendig. Wahrscheinlich wäre ich zu diesem Zeitpunkt trotzdem schon längst gegangen, man muss ja nichts herausfordern, hätte meine Tochter sich nicht so sehr auf diesen Abend gefreut. Da sie definitiv darauf bestanden hätte, mich zu begleiten, blieb ich noch sitzen und wartete, was als nächstes passieren würde. Verrückt, ich weiß, aber manchmal lohnt sich auch ein bisschen Mut.

 

 

Als der Chor mit einem Udo Jürgens Medley begann, konnte ich etwas entspannen, was auch daran lag, dass meine Tochter stets die Fotografen beobachtete und mich warnte sobald jemand die Kamera hob. Ich schloss dann, mit gesenktem Kopf, die Augen und schützte mich auf diese Weise vor den Blitzen. Ein „roter Teppich“ Gast würde aus mir wohl nie werden, soviel war klar. Dass dieser Fotoschutz nicht ewig klappen würde, war natürlich zu erwarten. So nutzte ich eine Sangespause um mich zur Fotografin hinter mir umzudrehen und mit zwei Gesten zu verstehen zu geben, dass mir das Blitzlicht nicht gut tat. Sie verstand sofort, nickte mir zu und fotografierte von anderer Stelle. Ich war ihr überaus dankbar, denn nun konnten wir den Abend genießen.

 

 

Es war ein unfassbar schönes und emotionales Konzert, dass mich vergessen ließ, dass ich noch am Morgen Angst hatte, ohne Tavor nicht durch den Tag zu kommen, weil meine Anfallsfreiheit durch den Stress der letzten Wochen mehr als gefährdet war. Mehr noch, es war ein Erlebnis das meinen Kopf befreite, mich in Erinnerungen und schöne Momente meiner Vergangenheit entführte und mich mehr Tränen vergießen ließ, als mir lieb war.  

 

 

Vergessen war die Epilepsie, die Anfallsbereitschaft und alle Sorgen. Ich war zutiefst berührt und dankbar, dass auch ich mit meinen seltenen Anfallsauslösern dieses Konzert genießen durfte und dass man auf so vielfältige Arten auf mich aufgepasst hatte. Für diesen Blog hätte es viele Überschriften geben können, da ich weiß wie vielfältig die Sorgen eines Epilepsiepatienten sind wenn man ausgeht. Doch wenn wir uns verstecken, nutzt das keinem Menschen. Im Gegenteil! Deswegen wäre Epilepsie und Outen eine tolle Überschrift gewesen. Oder Epilepsie und Anfallsauslöser. Passend wäre auch gewesen „Leben mit Epilepsie“, mit der Betonung auf „Leben.“ Alle diese Themen finden sich aber bereits in meiner Blogsammlung und so soll dieser Bericht eine kleine Ergänzung sein, die meine vorherigen Blogs unterstreicht.

 

 

Vielleicht ist es auch einfach meine kleine Weihnachtsgeschichte, die zeigt, dass manche Menschen doch aufeinander aufpassen und damit tiefe positive Spuren hinterlassen. Meine Tochter und ich jedenfalls waren dankbar und glücklich und während ich das schreibe, kullert mir schon wieder ein kleines Tränchen aus den Augen.

Vielleicht wird das nicht Jeder verstehen, aber das ist auch garnicht nötig. Es ist einfach ein kleines Danke Tränchen dass das unterstreicht, was man schon seit Jahren von mir hört:

Es lohnt sich zu kämpfen und immer weiter zu gehen, Schritt für Schritt. Denn nicht die Epilepsie bestimmt unser Leben, sondern wir selbst sind es, die das Ruder in der Hand haben. Mit gelegentlichen Irrwegen, aber mit jedem Schritt etwas näher an unserem individuellen nächsten Etappenziel. Denn wenn man den steilen Berg nicht erklimmt, kann man nicht wissen ob auf dem Berggipfel nicht doch eine unerwartete, wunderbare neue Aussicht wartet.

 

In diesem Sinne Eure/Ihre Anja D.-Zeipelt

 

 

 

 

 

 

 

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Tattoos bei Epilepsie

Auch alte Tattoos wollen nochmal nachgestochen werden.
Auch alte Tattoos wollen nochmal nachgestochen werden.

Darf ich mich trotz Epilepsie tätowieren lassen? Diese Frage stellen sich Menschen mit Epilepsie immer wieder. Und tatsächlich kann man sie auch nicht so ohne weiteres mit Ja oder Nein beantworten. Nicht, weil es prinzipiell anfallsauslösend wäre ein Tattoo stechen zu lassen, denn das ist es nicht, sondern weil nicht alle Tätowierer so frei sind und es machen.

 

Doch kommen wir zuerst zur anfallsauslösenden Situation. Wie bei allem im Alltagsleben eines Epilepsiepatienten gibt es auch hier die ganz wenigen Patienten, die auf die interessantesten Dinge reagieren können. Wie z.B. ich auf meine hohen Töne, also ungewöhnliche akustische Reize. Andere reagieren auf nichts außer ein, zwei typische Dinge. Es ist also sehr individuell.

 

Doch ich bin anfallsfrei und darf auch wieder Auto fahren. Zudem habe ich das Glück einer Aura, spüre einen Anfall also vorab und hatte auch noch meine Tochter dabei, denn es sollte diesmal ein Mutter/Tochter Tattoo werden. Diesmal? Ja, tatsächlich bin ich keine Ersttäterin. Diejenigen die mich kennen, werden nun überrascht sein, denn meine bisherigen Tattoos kennen nur meine Freunde und Bekannten im persönlichen Umfeld, bei Auftritten waren sie immer gut versteckt, doch das dürfte nun anders werden - wenn auch dezent.

 

Da saßen wir nun, der Termin war lange ausgemacht und ich hatte vergessen die Tätowiererin über meine Epilepsie aufzuklären. Sie tätowierte gerade meine Tochter, als ich sie fragte ob sie etwas dagegen hätte wenn ich einen Blog über Epilepsie und Tätowierungen schreiben würde. Leicht erschrocken erzählte sie uns dann von einem Kindheitserlebnis und das sie Menschen mit Epilepsie aus Sicherheitsgründen eigentlich nicht tätowieren würde.

Da saß der Schreck bei mir tief. Glücklicherweise war sie offen und schnell überzeugt dass sie sich in meinem Fall keine Sorgen machen musste. Und sie war einverstanden mit dem Blog.

 

Trotzdem machte ich mir so meine Gedanken über ihre Worte. Klar, ich war anfallsfrei. Ich hatte eine Aura und für den Notfall - der nicht eintreten würde, wäre meine Tochter dabei. Aber wie musste es Tätowierern gehen, die vielleicht Nicht-Anfallsfreie Patienten unter der Nadel liegen haben. Die nicht wussten was eine Aura ist. Die nicht zwischen fokalen Anfällen, Absencen und den für ein Tattoo echt übel werden könnenden Grand mals unterscheiden können. Die befürchten müssen, dass die Nadel mit Tinte abrutscht und eine sichtbare unschöne Erinnerung bleibt. Der Anfall würde niemals vergessen werden. Nicht nur für den Tätowierer. Ich verstand sie gut und ein schlechtes Gewissen schlich sich über meine große Vorfreude über diese tolle Mutter/Tochter Statement. Obwohl wir genau wussten dass ich eben noch nie einen Grand mal hatte, konnte sie den Unterschied nicht kennen. Vielleicht interpretierte ich auch wieder einmal zuviel in das Gefühlsleben anderer Menschen hinein, ich machte mir schließlich immer Sorgen um andere. Aber so bin ich eben.

 

Es war in dem Moment vergessen, als meine Tochter einen Blicke auf das halbfertige Tattoo warf und begeistert war. Nun überwog die Freude und alle Sorgen waren vergessen.

 

Ob es weh tut? Es kommt darauf an wo es ist. Kinder bekommen ist schlimmer, ein Eis essen angenehmer. Was ich beim nächsten mal machen würde?

 

Ich war in meinem Leben bei 4 Tätowierern und das war die erste Tätowiererin, bei der es überhaupt nicht blutete oder zu Wundsekret kam. Schaut Euch nach Jemandem um, der nicht zu tief sticht. Bei Freunden oder im Netz findet man viele Bewertungen.

Ich würde, wenn ich es noch einmal zu tun hätte, die Epilepsie direkt ansprechen und ggf. genauer erklären.

Eine Begleitung macht auf jeden Fall Sinn, auch für Euch.

Falls Ihr Blutverdünnende Medikamente nehmt, lasst helle Farben sein. Eins meiner Tattoos färbte sich durch Einblutungen in ein unschönes rosa. Ich nahm damals ein Antiepileptikum was blutverdünnend wirkte.

 

Viele Tätowierer lassen vor Beginn ein Blatt zu ihrer und Eurer Sicherheit ausfüllen, gebt alle Informationen wahrheitsgemäß, es ist zu Eurer eigenen Sicherheit.

 

Falls Ihr nicht anfallsfrei seid, besprecht Euren Wunsch ausführlich mit Eurem Arzt und dem Tätowierer. Erst wenn Beide kein Problem damit haben, wagt den Wunsch zum Tattoo - es gibt in diesem Falle nichts schlimmeres als ein verkorkstes Tattoo das Ihr Euch ein Leben lang ansehen müsst.

 

Und falls alles o.k. ist, für Euer "Bild für die Ewigkeit", wünsche ich Euch alles Gute und viel Spaß damit.

 

Eure Anja

 

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Allgemeine Op bei einer Epilepsie

Lange ärgerte sie mich schon, meine Galle. Lange überlegen musste ich deswegen nicht, als die Ärzte mir die Entnahme rieten. Raus mit dem Ding, dachte ich mir, ich wollte wieder essen können, ohne ständige Schmerz- oder Übelkeitsattacken und machte zügig einen Krankenhaustermin.

 

Da ich diese Geschichte relativ gelassen anging, war ich doch nicht wenig überrascht, dass man in der Klinik ziemlich intensiv auf meine Epilepsie einging. Meine Wunschklinik war ein Haus, in dem meine Tochter jahrelang gearbeitet hatte, eine Klinik, dessen Personal sie kannte und vertraute. Aber da dieses Haus keine neurologische Abteilung besitzt kamen doch relativ viele Fragen bei der Erstuntersuchung:

-wie müssen wir uns die Anfälle vorstellen?

-wie wurden sie ausgelöst?

-wie lange haben sie das schon?

-können  sie uns die neurologischen Befunde mitbringen? Am besten alle.

u.s.w.

 

Meine weiteren Vorerkrankungen machten das Bild nicht besser, aber die waren für die Ärztin klar einzuordnen – aber Epilepsie? Die Epi war schwammig. Also setzte ich mich Zuhause an meinen PC und schrieb eine Mail an meinen Arzt an der Epilepsieklinik, der mir recht klare Tipps gab wie die OP am besten abzulaufen hat.

 

-Möglichst morgens operieren, damit mein Tagesablauf nicht durcheinander gerät und ich nachts wieder normal schlafen kann.    

-Auf jeden Fall die Epilepsiemedikamente nehmen (auch wenn man nüchtern sein soll)

-Wenn möglich, nach dem Aufwachen eine vertraute Person in der Nähe haben

 

Mit diesen Tipps ging ich zur OP-Untersuchung und besprach alles mit dem Stationsarzt. Er war superfreundlich und ging ganz toll auf meine Wünsche ein. Mein OP Termin wurde von mittags auf früh morgens verschoben. Der Anästhestistin war auch sofort klar, dass ich meine Medikamente nehmen muss, da gab es gar keine Probleme und überhaupt war ich begeistert von ihr, denn sie war die erste ihres Fachs, die auf meine vernarbte Luftröhre (hat nichts mit der Epilepsie zu tun, war aber immer ein Stressfaktor bei Operationen für mich) Rücksicht genommen hat und den kleinsten Tubus vermerkte, um mich nicht unnötig zu quälen.

Alle infrage kommenden Medikamente wurden schon vorab auf meine Epilepsie und Allergien hin überprüft und tatsächlich stand nur meine Allergie einem Schlafmittel im Wege - alle anderen Medikamente konnten problemlos genommen werden.

 

Eine weitere, für mich günstige, Abmachung bestand darin, dass ich nur 2 statt 4-5 Tage bleiben müsse, wenn meine Tochter  sich zuhause um mich kümmern würde. Sie war an diesem Haus als zuverlässige OP und Krankenschwester bekannt, was mir diesen Vorteil verschaffte – und ich war wahrlich nicht böse darum.

 

Da ich keinen unnötigen Stress und Schlafentzug riskieren wollte, buchte ich mir ein Einzelzimmer. Anfälle in nicht spezialisierten Kliniken sind immer so eine Sache, finde ich.

 

Zwei Tage später hatte ich eine tiefenentspannte Nacht und sollte um 7:00 Uhr in der Klinik sein. Um 6:00 sollte der Wecker für die Dusche klingeln, doch glücklicherweise wachte ich früher auf. Draußen war das Schneechaos ausgebrochen. Ich nahm meine Tabletten - bis zwei Stunden vorher durfte ich auch noch Wasser oder Tee trinken, duschte und wir fuhren los.

 

Pünktlich saßen wir vor der Anmeldung und lernten ein weiteres Paar kennen, mit denen wir viel Spaß hatten. Mit dieser Frau hätte ich gerne mein Zimmer geteilt. Nett und nicht jämmerlich. Erstens war sie aber für eine völlig andere Station vorgesehen und zweitens kann man sich seine Bettnachbarn ja auch nicht aussuchen.

 

Als ich auf Station kam, war mein Einzelzimmer doch keines. Eine junge Frau lag bereits darin, die so gar keine Lust auf small talk und mich hatte. Mein Mann wollte sie nicht stören und verließ uns schnell wieder.

In OP Hemd und orthopädischen Strümpfen wartete ich nun lesend auf meine OP. Umso schneller, desto lieber war hier mein Motto, denn die Flasche Wasser auf dem Nachbar-Nachttisch war schon sehr verlockend für meine mittlerweile trockene Kehle.

 

Im OP selbst hatte sich seit meiner letzten OP doch einiges verändert. Ob es am medizinischen Fortschritt oder an meiner Epilepsie lag, kann ich nicht beurteilen, aber bei früheren OPs schaffte man es erst nach mehrmaligem nachspritzen mich schlafen zu legen, diesmal nutze man die Kombination von zwei Mitteln und einer Atemmaske. Ich schlief zügig und noch plaudernd ein.

 

Wach wurde ich durch den Satz "ich bringe Euch Larissas Mama." Tatsächlich war auch die Zeit im Aufwachraum anders als bei den OPs vor meiner Epilepsie. Früher fuhr man mich nach dem Aufwachen sofort auf mein Zimmer zurück, diesmal beobachtete ich eine Stunde lang den Zeiger der Uhr, der sich quälend langsam bewegte. „Anordnung der Ärztin“, erklärte die Schwester dem Kollegen, „Frau Zeipelt bleibt eine Stunde bei uns“. Es war ok. man passte auf mich auf und dagegen war absolut nichts zu sagen.  

 

Als ich wieder auf mein Zimmer kam, war meine Bettnachbarin unterwegs und ich war froh nun in Ruhe schlafen zu können. Da klopfte es auch schon lauthals an der Tür und die Eltern der jungen Frau waren begeistert über die renovierten Zimmer. Nach meinem Pflichtgespräch ging die Tür im 5 Minuten Takt auf- und zu, solange, bis ihr Bett endlich hinausgeschoben wurde. „Frau Zeipelt, sie bekommen jetzt ihr Einzelzimmer“. Himmel, war ich dankbar für die nun einsetzende Ruhe.

 

Nachdem ich meine Narkose weitestgehend ausgeschlafen hatte, kam mein Mann. Bisher hatte ich noch nie Schwierigkeiten nach Narkosen und so rechnete ich auch jetzt nicht damit und ließ mich von ihm auf die Toilette begleiten. Das war eine gänzlich unglückliche Idee. Kaum hatte ich einen Fuß vor den anderen gesetzt, überkam mich die erste Übelkeitswelle. Ich würgte und konnte mich kaum auf den Beinen halten, während mein Mann die Schwester aufsuchte, um nach einer Brechschale zu bitten. Vielleicht war der Medikamenten/Narkose Cocktail doch anders zu bewerten als früher, ohne die Antiepileptika, vielleicht war ich aber auch einfach nur älter geworden. Aber eins war sicher, mein Kreislauf spielte nicht mehr mit und somit war die Brechschale nicht das einzige was ich bekam. Eine klare Ansage bekam ich auch noch. Keine Alleingänge mit Mann mehr!

 

Den zweiten „Ausflug“ machte ich dann abends mit Mann und Schwester. Dummerweise bekam ich dabei Schüttelfrost. Meine Zähne klapperten minutenlang aufeinander und ich zitterte am ganzen Körper, was sofort wieder Unruhe auslöste. Obwohl wir der Schwester versicherten, dass dies ganz sicher kein Anfall, sondern maximal mein Kreislauf war, zog sich dieser Vorfall bis zum nächsten Mittag durch alle Instanzen. Fieber gemessen wurde nun nicht mehr nur im Ohr, sondern rektal, die Schwestern schauten noch öfter als geplant herein, was mich auch nachts öfter weckte und tags ordnete der Arzt an, dass ich mit dem Bett weiter vom Fenster weg stehen müsste, damit ich mich nicht noch zusätzlich erkälten würde.

 

Man sorgte sich also allumfassend um mich und ich fühlte mich umsorgt und geborgen, was nicht zuletzt auch an den vielen lieben Gesprächen über die alte Kollegin Lissi gehörte – das muss ich zugeben.

 

Nach dem Vorfall mit dem Schüttelfrost ließ der Stationsarzt mir, zu meinem Leidwesen, noch einmal Blut abnehmen, um sicher zu gehen, ob er mich wirklich schon Samstag entlassen könnte. Man wagt sich wirklich nicht mal mehr zu frieren oder mit den Händen zu zittern. Während ich noch unsicher auf die Ergebnisse wartete, hörte ich die Stimme der Oberärztin vor meiner Tür "was macht Du denn hier?" "Das ist meine Mama!" Draußen folgte ein Lachen und ein angeregter Austausch, während in mir drinnen Hoffnung aufkeimte. Kurz darauf stand meine grinsende Tochter in der Tür, mit genau der Nachricht, die ich mir gewünscht hatte. Sie hatte meine Entlassung für den nächsten Tag ausgehandelt.

 

Zuhause pflegte meine Tochter mich vorbildlich. Ohne Angst vor Zittern und Anfällen. 2 Folgen "Hart of Dixie", 1 x aufstehen um den Kreislauf in Schwung zu bringen, 2 Folgen Hart of Dixie, 1x aufstehen usw.

Montags musste ich zum Hausarzt, Dienstag noch einmal ins Krankenhaus zur Nachuntersuchung. Alles lief wie bei jedem anderen auch.

 

Und meine Epilepsie? Mein Neurologe hatte es bereits gesagt, es würde keine Probleme geben, wenn man diese Kleinigkeiten wie Tagesablauf und Medikation beachtet. Und genauso war es auch.

 

Dank unglaublich netter Ärzte, fürsorglicher Schwestern und Pfleger und einer wunderbaren Familie war ich auf dem unaufhaltsamen Weg der Besserung und werde bei der nächsten OP höchstens noch vor einem Angst haben: vor anderen Patienten ;-)

 

Jedem, der eine OP in Kombination mit Epilepsie vor sich hat und deswegen verunsichert ist, möchte ich auf diesem Wege gute Besserung und alles Liebe wünschen.

 

 

 

 

 

 

Eine gute Möglichkeit sich einen Einblick zu verschaffen ...

bot der Tag des offenen OP an der orthopädischen Klinik Braunfels. Zugegeben, wir fuhren nur dorthin, weil unsere Tochter dort arbeitet und wir gerne ihren Wirkungskreis sehen wollten, waren aber tief beeindruckt. Da auf den meisten Fotos fremde Menschen sind, darf ich diese hier nicht veröffentlichen, aber einen winzigen Teil möchte ich gerne mit Ihnen teilen.

Die Besucher bekamen Operationsmethoden und die Instrumente erklärt, durften auch selbst Hand an legen, was ich persönlich vom Gefühl her  sehr eklig fand, auch wenn es nur Kunststoff war und an Bananen nähen "üben". Dieses Nähen sah doch sehr viel einfacher aus als es ist. Kein Vergleich mit Nadel und Faden zuhause. Meine Banane hätte auf jeden Fall keine Schönheitswahl mehr gewonnen.

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Auf der anderen Seite des Anfalls

 

Gestern bekam ich Besuch von einer Bekannten aus Berlin die, genau wie ich, an Epilepsie erkrankt ist. Einziger Unterschied: Ihre Epilepsie ist noch aktiv und ich hatte seit 18 Monaten keinen Anfall mehr. Dafür meide ich aber auch Stress, Aufregung und wenig Schlaf. Kerstin traut sich da schon einiges mehr als ich und reist alleine durch unser schönes Land. Aber jeder kennt ja seinen Körper und seine Epilepsie am besten. Und so habe ich rein gar keine Angst, dass sie einen Anfall bekommen könnte. Anfälle dauern ja nicht lange, Anfälle gehen vorbei. Auch komplex fokale. Schließlich habe ich die auch und kenne das bestens.

 

 

Als Kerstin ankam, führte ich sie noch ein halbes Stündchen durchs Städtchen und informierte mich über ihre speziellen Anfallsarten, bevor wir ins Auto stiegen, um Richtung Heimat zu fahren. Kerstin läuft einfach weg, wenn sie Anfälle hat. Man darf sie nicht anfassen, dann ist alles gut. Sollte man dies doch tun, wäre es allerdings unklug, da sie sonst zuschlagen könnte. Mit epilepsietypischen Bärenkräften. Da sie sich aber nie in Gefahr bringt, vor kein Auto rennt und instinktiv vor roten Ampeln stehen bleibt, ist das ja kein Problem.

 

 

 

Nachmittags trinken wir Kaffee und plaudern. Schlafen mag Kerstin nicht. Was sie nicht sagt, sie will uns nicht enttäuschen, weil sie Gast ist. Wir denken verwundert, dass sie fit ist und laden sie zum „Gassi gehen“ ein. Unser Hund wartet schon ungeduldig auf seine Runde.

 

 

Schon auf dem Weg bemerken wir erste Müdigkeitserscheinungen, aber Kerstin will unbedingt unseren ältesten Baum sehen und schließlich ist sie unser Gast und der Gast ist König. Die viele hundert Jahre alte Eiche „erlebt“ Kerstin auch noch, aber danach war dann urplötzlich das Ende der Fahnenstange erreicht.

 

Kerstin fängt an zu rennen, unser Hund natürlich begeistert mit. Wir hatten auch nicht im entferntesten daran gedacht, dass Kerstin den Hund als Bedrohung erkennen könnte. Mit ausdruckslosem Blick greift sie dann plötzlich nach unten, schnappt sich das Halsband unseres Mischlings und zieht. Unser Hund beginnt zu winseln, mein Mann schnappt sich den Hund, um den Druck auf den Hals zu entlasten und ich rufe Kerstin, um sie abzulenken. Irgendwann nimmt sie mich wahr, vergisst den Hund und lässt los. Mein Mann und ich starren uns entsetzt an, unfähig zu realisieren, was dort gerade geschehen ist.

 

 

Während mein Mann unseren Hund auf dem Arm hält, rennt Kerstin weiter den Berg hinunter. Sie kommt aus ihrem Anfall einfach nicht raus. Immer wieder dreht sie sich um und ich denke, jetzt hat sie es geschafft, dann geht es wieder los. Serien von Anfällen packen sie. Plötzlich stoppt sie an einem liebevoll gestalteten Bienenhaus, das aussieht wie ein kleines Wohnhäuschen. Kerstin hebt Äpfel auf und versucht die Äpfel durch die aufgemalten Fenster zu werfen. Ich schreie sie wieder an „Kerstin, hör auf. Das sind Bienen“. Keine Chance. Ich weiß, ich kann sie nicht stoppen, sie würde mich k.o. schlagen. Davor hatte sie mich erst mittags gewarnt. Trotzdem schreie ich sie immer weiter an „Kerstin, nein, das sind Bienen, hör auf.“ Dann nimmt sie einen der Äpfel, geht ans Bienenhaus und versucht mit Gewalt eine Öffnung zu finden. Ich werde panisch und schreie sie immer lauter an. Irgendwann hat sie es geschafft, einen Apfel zum stecken bleiben zu bringen. Gott sei Dank kommen keine Bienen, bevor Kerstin es reicht und sie wieder rennt.

 

 

Mittlerweile ist sie mitten auf dem Weg und schwenkt die Arme. Von hinten nähert sich ein Fahrradfahrer. Da ich nicht weiß, wie Kerstin auf die Klingel reagieren würde, sage ich ihm leise, dass er bitte ohne klingeln und vorsichtig vorbei fahren soll. Am nächsten Tag erzählt mir Kerstin, dass dies genau das richtige war, denn das Klingeln hätte sie noch mehr hineingerissen.

 

 

Auf dem Heimweg war ich unsicher, wie wir Kerstin überhaupt auf den richtigen Weg bringen sollten, denn einholen konnte ich sie nicht, auf Ansprache reagierte sie nicht und anfassen durfte ich sie ja sowieso nicht. Also wechselte ich einfach die Straßenseite so, dass sie es sehen musste. Und tatsächlich, es klappte. Sie kam auch auf die andere Seite. Das stimmte mich in meiner Angst etwas zuversichtlicher.

 

 

Eine Straße vor unserem Zuhause zählte Kerstin die Zaunbretter an einem Zaun, bevor sie urplötzlich die Hose aufknöpfte. Sie „befahl“ uns stehen zu bleiben und wollte sich gerade setzen, da kam sie wieder zu sich. Der Stein, der uns vom Herzen fiel, den kann ich gar nicht beschreiben.

 

 

Es dauerte keine fünf Meter, da war sie aber schon wieder weg und rannte wieder. Glücklicherweise instinktiv Richtung zuhause. Dort kramte sie in ihren Taschen, lief von Raum zu Raum und wir wussten nicht, wann sie klar war, umdämmert oder komplett weggetreten. Die Zeit zog sich wie endlos langes Gummi und wir wussten nicht was sie alles imstande war zu tun oder auch nicht. Ich brachte sie in ihr Zimmer, in der Hoffnung, dass sie schlafen würde. Etwas, das bei meinen Anfällen immer gut geklappt hatte.

 

 

Erst gegen halb neun abends kam sie plötzlich im Nachthemd ins Wohnzimmer und war wieder die Alte. Etwas ruhiger, aber sie schien ganz bei sich. Dass sie das immer noch nicht war, erzählte sie uns erst am nächsten Tag.

 

 

Die ersten Stunden konnte ich nicht schlafen. Immer wieder hörte ich meinen Hund quietschen und sah ihn in ihrem Griff zappeln. Ich konnte zum ersten mal in meinem Leben die anderen verstehen, die Angst vor uns Epis haben. Die Gesunden, die Ahnungslosen … Meine Güte, ich selbst war ja so ahnungslos gewesen. Ich glaubte, als Epileptiker fast alles über Anfälle zu wissen, was man wissen muss.

Ich hatte meine eigenen Anfälle miterlebt, weil ich bei meinen Anfällen wach oder umdämmert war, ich hatte Grand mals gesehen, Menschen im Arm gehalten, die fokale Anfälle hatten und führte ständig Gespräche mit Epis und deren Angehörigen.

Und doch, ich hatte noch nicht annähernd auch nur einmal eine solche Hilflosigkeit empfunden wie in diesen Stunden.

Zugegeben, Kerstin hat eine sehr seltene Art der Anfälle. Aber ich bin auch sehr viel vorbereiteter als manch anderer unbeteiligter Mensch.

Wie muss es da Menschen gehen, die noch nie oder völlig unvorbereitet Zeugen eines Anfalls werden. Bis an diese Stelle habe ich aus der Situation und aus dem Gefühl heraus geschrieben, genau wie in meinem ersten Buch. Damit meine Emotionen authentisch bleiben, lasse ich es unbearbeitet so stehen.

 

 

 

 

 

Nun, Tage später, hatte ich noch viel Zeit mit Kerstin zu reden und mir darüber Gedanken zu machen. Kerstin war genauso am Ende wegen dieser Geschichte wie ich. Sie hatte mit einer solchen Serie von Anfällen nicht gerechnet und schon gar nicht damit, dass sie unserer Lilli etwas tun könnte oder uns so erschrecken.

 

 

Menschen ohne Epilepsie haben nicht die geringste Vorstellung, was es bedeutet, Anfälle zu haben. Viele glauben auch, Grand Mal Anfälle wären das furchtbarste, was es geben könnte. Ich glaube tatsächlich, dass es ein Segen wäre, wenn man sich an Manches nicht erinnert.

 

Menschen mit komplex fokalen Anfällen können sich später an all das erinnern was sie getan haben und was um sie herum passiert ist. Sind Sklaven ihres Tuns. Tun Dinge, gegen die sie machtlos sind. Kerstin hörte den Hund genauso schreien wie ich. Und wünschte sich später, dass sie sich nicht hätte erinnern können. Denn solche Momente brennen sich ein. Tief!

Unser Hund ist jedem Menschen und Tier, das jemals aggressiv gegenüber ihm war, lebenslang nachtragend. Bei Kerstin war das anders. Als Kerstin wieder klar war, war Lilli wieder beste Freundin. Der Hund spürte, dass Kerstin absolut nichts dafür konnte. Eine Eigenschaft, die ich jedem Menschen wünschen würde.

 

 

Aber andersrum ist auch sehr viel mehr Verständnis angebracht, als man häufig hört. Wie oft lese ich Schimpftiraden von Menschen mit Epilepsie, über Menschen ohne Epilepsie, weil die nicht richtig, gar nicht oder zu sehr gehandelt haben. Oft wird gar zu Strafanzeigen aufgerufen, weil der Polizist, der Sanitäter oder Arzt falsch gehandelt haben. Als wären das keine Menschen, die Fehler machen können. Als hätten die täglich mit den mannigfaltigen Versionen einer Epilepsie zu tun, denn die eine Epilepsie gibt es nicht, auch wenn das Viele zu glauben scheinen. Wie fehl aber solche Einschätzungen tatsächlich am Platz sind, wie schwer Außenstehende es haben können, das ist mir erst jetzt klar.

 

Kerstin hat dieses Verständnis übrigens, was ich sehr toll finde. Man kann viel von ihr lernen. Ich denke, nicht nur Menschen ohne Epilepsie sollten lernen, Menschen mit Epilepsie gegenüber mehr Verständnis aufzubringen, sondern tatsächlich mangelt es auch umgekehrt oftmals an Verständnis an falschen, keinen oder Überreaktionen. Ich für meinen Teil wurde jedenfalls ein gutes Stück demütiger und verständnisvoller am gestrigen Tag und werde mich nun dringendst bei meiner Mutter entschuldigen müssen. Denn ihre Sorge und Hilflosigkeit ist nun erst bei mir angekommen!

 

 

 

 

Kerstin und ich beschlossen gemeinsam diesen Blog zu veröffentlichen. Wir möchten um Verständnis für Nichtbetroffene werben, egal ob sie zum ersten mal mit so etwas konfrontiert werden und völlig verunsichert und verängstigt sind – und es vielleicht sogar gar nicht als Anfall erkennen können. Oder ob es Familienangehörige sind, die ihre Lieben am liebsten in Watte packen würden, denn das hätte ich mit Kerstin auch gerne getan, nur um so etwas nicht noch einmal miterleben zu müssen. Danke Kerstin, das war toll und mutig von Dir!

 

 

 

 

 

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Nach 11 Medi-Umstellungen in 13 Jahren ...

habe ich den Gipfel bestiegen*

(*In meinen Vorträgen habe ich stets die Metapher verwandt, dass ich nicht weiß, wie der Ausblick aussehen wird wenn man den Gipfel erreicht.)

Vor 6 Wochen noch verfasste ich einen verzweifelten Blog  voller Frust und voller offener Fragen. Wieder einmal - nur noch schlimmer als sonst. Zu allem Übel hatten wir einen Wanderurlaub geplant und natürlich hatte ich Angst vor diesem Urlaub, denn bisher schaffte ich keinen Urlaub ohne abzubauen. Doch einen halben Tag schaffte ich schon, was für eine Wanderung ausreicht - bis vor gut 10 Wochen, da wurde es schlimmer. Vor gut 6 Wochen schaffte ich dann keinen Tag mehr ohne drei-vier Schlafeinheiten tagsüber. Ich zitterte, war schwach, wacklig, vergesslich, hatte Kopfschmerzen und absolvierte mit Ach- und Krach zwei Arbeitsstunden täglich. Und das waren noch die kleineren Übel. Die Nebenwirkungen machten mich fertig, ich vertrug den neuen Wirkstoff noch weniger als die vorigen und vegetierte vor mich hin.

 

Dann kam der überraschende Durchbruch. Der frustrierende Arztbesuch, der mich zu oben genanntem Blog inspirierte, danach endlich der (längst überfällige) Gang zu einem mir bekannten Spezialisten und sofort eine andere Lösung, mit der alles anders wurde. Ich bin ein neuer Mensch, nicht mehr erkennbar, voller Vorfreude und Motivation. Kein Mittagsschlaf, keine Vergesslichkeit, keine Kopfschmerzen, kein Zittern, kein - ach Ihr wisst schon was. Aber schaut selbst, was wenige Wochen Umstellung bewirken können ...

 

 

 

Das Herz unserer Reise war unser Heim für eine Woche, bei Inge, Gerhard und den Hühnern im Landhaus Riemerfeld. Wir haben uns bei den unheimlich netten Gastleuten wie Zuhause gefühlt und hatten riesigen Spaß.

Vor der Tour auf den Jenner hatte ich am meisten Angst. Einmal auf den Weg gemacht gibt es kein zurück. Meine Freundin hatte mir schon erzählt wie anstrengend das war und ich hatte im Kopf noch dunkle Erinnerungen an letzte Urlaube, wo ich nicht durchhielt. Aber ich fühlte mich seit der Umstellung gnadenlos fit, als könne ich Bäume ausreißen und so stand ich den Dienstag Morgen auf und beschloss: "ich schaffe das!" Motivation war ein alkoholfreies Weizen und eine leckere Brotzeit. Schwindelfrei bin ich zwar nicht wirklich, aber was solls ...

Was ich nicht ahnte, ich sollte den Jenner nicht nur hoch, sondern auch noch runter laufen. Der Lohn war die Sichtung eines Murmeltieres und das unglaubliche Gefühl es geschafft zu haben.

Der Zauberwald mit Hintersee brachte Spaß für uns alle. Diese Wunderwelt war wirklich der richtige Ort um Geschichten über Fabelwesen zu erzählen. Kein Wunder, dass hier schöne Sagen entstanden. Auch hier waren wir, dank der "Berchtesgaden app", stundenlang unterwegs.

3 1/2 Stunden durch die Almbachklamm, die wir wegen Umbauten etwas umlaufen mussten, sodass es schon spannend wurde. Als der Gamsbock den Berg hinunter sprang waren wir total fasziniert. Mit faustgroßen Gesteinsbrocken als Hinterlassenschaft, die uns direkt vorbei an der Nase vor die Füße sprangen, verschwand der selten anzutreffende Bergbewohner dann wieder blitzschnell. Zurück blieben tief beeindruckte und begeisterte Zeipelts.

Wunderschön waren der Königssee mit Obersee und Wasserfall. Das war auf jeden Fall ein Höhepunkt unseres Urlaubs, was nicht nur dem lustigen Kapitän des Schiffs zu verdanken war "Der Königssee ist so kalt, wer dort als König hinein steigt, kommt als Prinzessin heraus." Die Landschaft war einfach gigantisch und auf den Fotos garnicht einzufangen. Unsere Lilli war allerdings der Star des Weges - wieder einmal.

Ein besonderes Erlebnis und am letzten Tag auch mal etwas ruhiger, war der Besuch des Falken- und Adlergeheges, wo wir Murmeltiere füttern und aus der Nähe sehen konnten. Im Gegensatz zu dem kleinen Kerl am Jenner, waren diese Zwerge doch sehr zutraulich und neugierig.

 

Die Panoramastraße des Obersalzberges sollte man auch unbedingt einmal gefahren/gelaufen sein. Wenn ich hier auch einen Rückzieher machte, als ich die Purtschelleralm auf der Spitze stehen sah - unser eigentliches Ziel, weil dort die Deutsch/Östereichische Grenze mitten durch die Hütte geht. Doch der Anblick war dann doch zu unüberwindbar steil für mich und meine Höhenangst. Wir fanden aber die Grenze auch so und standen dann mit jeweils einem Bein in D/Ö bzw und auch in B/Ö.

Zum guten Schluss: Ist es nicht unglaublich wie ein Körper sich in wenigen Wochen regenerieren kann, wenn die Medikation endlich angepasst ist? Hiermit möchte ich Mut machen weiter zu gehen, wenn man nicht glücklich ist mit seinem Arzt, mit seiner Medikation oder mit seiner Anfallshäufigkeit. Ein guter erfahrener, verständnisvoller Spezialist kann der Durchbruch sein. Vielleicht könnte das auch der Neurologe vor Ort erreichen, aber die Erfahrungswerte eines Spezialisten haben den oft entscheidenden Vorteil, dass er auch auf breitgefächerten Wegen Erfahrung hat und vielleicht die Zeitspanne zum Erfolg entscheidend verkürzen kann.

 

Ist man schon beim Spezialisten und ist trotzdem nicht glücklich, sollte man ruhig den Mut aufbringen und auch klar seine Bedenken äußern, auf seinen Bauch hören - wie mein Arzt sagt. Und zur Not wechseln.

 

*In meinen Vorträgen habe ich stets die Metapher verwandt, dass ich nicht weiß, wie der Ausblick aussehen wird wenn man den Gipfel erreicht, dass man es aber nie wissen wird, wenn man nicht weiter geht.

Was soll ich sagen, ich habe mich nun tatsächlich nach oben auf den Gipfel gekämpft und mein Ausblick war sagenhaft!

 

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(erworbene?) Epilepsie und geistige Belastbarkeit

 

Vor 13 Jahren änderte sich mein aktives, verantwortungsvolles Leben, in ein eingeschränktes Leben voller Höhen und Tiefen. Ein Sturz verursachte Epilepsie.

Danach Ursachensuche, Kampf und tatsächlich auch Optimismus. Mein Glas ist immer halb voll. Von damals täglichen Anfällen und heftigen Nebenwirkungen schaffte ich es bis heute zu „so gut wie“ anfallsfrei und vermeintlich „ganz wenigen Nebenwirkungen“.

 

Da könnte man doch davon ausgehen, dass alles im Lot ist. Wie immer bin ich leicht mitzureißen, motiviert und als Patientenbotschafterin stolz auf jeglich Aktivität für „unsere Sache.“

 

Das Problem liegt also nicht bei mangelndem Antrieb, es liegt irgendwo anders, irgendwo, wo ich es nicht fassen, nicht (be)greifen kann.

 

Gerade habe ich wieder einen Termin für einen ZNS-Workshop eingetragen. Da fiel mir mein Blog ein, den ich über den letztjährigen geschrieben habe. Der seit Sommer auf meiner Festplatte vor sich hindümpelt. Alleine, verlassen, unbeachtet. Schade eigentlich. Denn eigentlich bin ich sicher, dass es vielen Epis genauso geht wie mir.

Deswegen krame ich diesen unverständlichen Blog jetzt hervor und veröffentliche ihn jetzt genauso, wie ich ihn damals geschrieben habe.

Wirr. Unfertig:

 

Wieder war ich auf einem ZNS (zentrales Nervensystem) Zukunftsworkshop. Eine tolle jährliche Initiative, die Patienten verschiedenster Indikationen mit verschiedensten Vertretern aus dem Gesundheitswesen zusammenbringt, um über Verbesserungen zu diskutieren und zu beraten.

 

Natürlich ist die Freude groß, wenn man die alten Mitstreiter wiedersieht, die Erfolge hört, die aus den Ideen der letzten Jahre entstanden sind und seine mitgebrachten Ideen einbringen kann. Voller Enthusiasmus freue ich mich jedes Jahr auf diesen Workshop und verdränge den Gedanken, dass ich in den letzten Jahren schon abgebaut habe – abgebaut mit dem zentralen Nervensystem! Also genau mit dem doofen Ding, für das ich jetzt eigentlich jetzt wieder hier sitze!

 

Während ich nun so dasitze und mir seit Stunden die Erfolgsstorys anhöre, fällt es mir mit jedem Vortrag schwerer dem Gesprochenen zu folgen. Bei undeutlichen Vorträgen, zu leise Gesprochenem oder grellen Stimmen scheint mein Kopf fast zu platzen. Ich kann es mittlerweile weder inhaltlich aufnehmen, noch mich geistig abschirmen.

Mein Kopf reagiert wie unter Strom – solange - bis ich den Raum verlasse und mich mit Entspannungstechniken nach Jakobson auf meinem Hotelzimmer entspanne. Ohne meine Begleitung hätte ich den Weg allerdings auch nicht mehr gefunden, dafür aber jede einzelne Gebäudeecke, die ich schmerzhaft „mitgenommen“ habe. Mein Hirn sagt „Error.“

 

Eine Stunde später bin ich erholt und mein Kopf fast frei. Jedenfalls reicht es fürs Abendessen.

 

Ein Tag später geht es in die indikationsbezogenen Diskussionen. Auch hier starte ich wieder voll motiviert, fühle mich aber von meinen jüngeren Mitstreitern schnell überrollt, da ich gar keine Zeit habe meine Gedanken zu sammeln und einzubringen.

 

Hier und da ärgert mich ein Satz des rollenden Zuges und verwirrt mich noch mehr. Ich sage Sätze an falscher Stelle im falschen Zusammenhang, nur um das los zu werden was ich mir schon vor Tagen zuhause gedacht habe, was hier im Kontext aber nicht mehr passt. Denn diesen habe ich längst verpasst.

 

Im Gegenteil verwirrt mich das alles so sehr dass ich zwar weiß was ich gerne sagen würde, aber entweder nicht dazu komme oder dann etwas komplett anderes sage. Zu spät.

Ich kann mit der Geschwindigkeit und dem Durcheinander nicht mehr mithalten.

 

Links neben mir spielt jemand mit dem Kugelschreiber „Klick klack, Klick klack.“ Es macht mich verrückt dieses Geräusch in Verbindung mit den vielen Stimmen.

Dazu kommt meine Empfindlichkeit gegen bestimmt Tonfrequenzen. Ausgerechnet diese Frequenz hat eine verantwortliche Frau in ihrer Stimme. Es fühlt sich nicht gut an was da gerade in meinem Kopf passiert, aber ich halte durch bis zur Pause. Luft schnappen, durchatmen, ablenken – das muss klappen.

 

Etwas später sitzen wir wieder mit allen zusammen und lauschen den Zusammenfassungen. Das heißt, ich versuche zu lauschen, aber mein Kopf quittiert alles mit einem dumpfen aufsteigenden Druck.

 

Ich verstehe einfach nicht, wie die anderen Epis das durchhalten können. Liegt es daran, dass ich eine erworbene Epi habe und sie mit ihrer Kinder- und Jugendepilepsie heute erwachsen und anfallsfrei sind? Ich weiß es nicht.

 

Ich wüsste es aber gerne, denn ich fühle mich alleine in der Epi Gruppe. Unverstanden.

Wieder gehe ich ein paar Minuten hinaus und versuche abzuschalten. Als es besser geht, gehe ich wieder in den Vortragssaal und lausche weiter. Vergebene Liebesmüh.

Mit einer Notfalltablette bringe ich mein hyperaktives Hirn zum Schweigen und mich wieder in einen entspannten Wohlfühlmodus. Die Tabletten sind seit 2013 abgelaufen, denn normalerweise vermeide ich solche anstrengenden Situationen und teile mir die Arbeit besser und ruhiger ein – benötige sie also nicht.

 

Warum ich das mache, fragt mich am nächsten Tag jemand. Idealismus antworte ich. Aber eigentlich habe ich keine Antwort. Denn mein Hirn ist noch immer voll und spult das Geschehene immer und immer wieder ab. Zwei Tage dauert das, dann bin ich wieder die Alte – und voll motiviert!!!

 

 

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Epileptische und dissoziative Anfälle - die Abrenzung

 

Bekommt man seinen ersten Krampfanfall, stellt sich die Frage nach Herkunft und Auslöser dieses erschreckenden Ereignisses. Manchmal beginnt eine lange Odyssee der Suche und Symptomeingrenzungen, in anderen Fällen probiert man sofort Antiepileptika und schaut, ob sie Linderung verschaffen.

Helfen die Antiepileptika, kann man von einem epileptischen Geschehen ausgehen, bleibt die Wirkung aus, liegt entweder ein falsches Medikament oder die falsche Ursache vor.

 

 

Ganz so einfach, wie sich das alles anhört, ist es natürlich nicht, denn jeder Mensch reagiert verschieden auf die unterschiedlichsten Wirkstoffe und auch die Psyche spielt bei Krampfanfällen keine ganz untergeordnete Rolle.

 

Viele Patienten beschweren sich, dass sie sich als Versuchskaninchen behandelt fühlen, jedoch sollte man bedenken, dass dies auf jeden Fall die bessere Alternative ist, statt sich mit einer falschen Diagnose vielleicht jahrelang mit den falschen Medikamenten herumzuschlagen.

 

Denn so verrückt das klingen mag, wenn epileptische Anfälle auch von hirnorganischem Ursprung und dissoziative/psychogene Anfälle von bisher geglaubter psychischer Herkunft sind (neue medizinische Forschungsansätze finden sich in untenstehendem Video), ist es nicht einfach die beiden Anfallsarten voneinander zu unterscheiden.

Im medizinischen Sinne ist dies jedoch zwingend notwendig, da die Behandlungen ganz unterschiedlich ansetzen.

 

 

Wenn wiederholt ambulante Untersuchungen nichts ergeben haben und parallel dazu verschiedene epileptische Therapieversuche nicht anschlagen, sollte der Patient auf eine Überweisung in eine spezialisierte Epilepsieambulanz oder zu einem Monitoring bestehen.

Bei letzterem wird während einer dauerhaften EEG Ableitung eine Videoaufzeichnung gemacht. Oft auch unter Schlafentzug oder einer Anfallsprovokation.

Lässt sich hierbei ein Anfall beobachten, kann der geschulte Fachmann anhand einiger Merkmale die Herkunft des Anfalls bestimmen und damit die Therapie optimieren oder sogar komplett umstellen. Nicht selten entpuppen sich epileptische Anfälle als dissoziative, nicht-epileptische Anfälle oder umgekehrt. Auch beide Arten der Anfälle können Patienten haben.

 

Was medizinisch zwar schwierig, aber unerlässlich ist, könnte im sozialen und privaten Zusammenhang beinahe komplett außer Acht gelassen werden, denn die Patienten kämpfen mit denselben Schwierigkeiten.

Doch gerade hier ist genau das Gegenteil der Fall. An Punkten, wo die Patienten zusammenhalten und sich gegenseitiges Verständnis geben könnten, fangen erneut die Ausgrenzungen an.

Und nicht selten sind genau die Menschen, die sich über die Ausgrenzung wegen ihrer Epilepsie beschweren, auch die Personen, die jetzt ihre "Kollegen" mit dissoziativen Anfällen ausgrenzen. Gibt es also „bessere“ oder „echtere“ Anfallspatienten? Wohl kaum.



Menschen mit dissoziativen Anfällen haben oft Selbst eine Epilepsie, oder beispielsweise ein Trauma, das die Anfälle ausgelöst hat. Neue Untersuchungsergebnisse zeigen auch einen Zusammenhang mit der Atmung und weiteren Faktoren (siehe untenstehendes Video). Sie haben also keine Wahnvorstellungen und sind auch nicht „verrückt.“ Man kann die Anfälle auch nicht gegeneinander aufrechnen, was schlimmer oder besser ist. Was meines Erachtens nach sowieso eine Unart ist, die im Allgemeinen viel zu oft unter Kranken an der Tagesordnung ist.

 

Nein, dissoziative oder psychogene Anfälle sind so wenig beeinflussbar wie Herz-, Kopf- oder Magenschmerzen bei Aufregung oder das „rot werden“ wenn man sich schämt.

 

Wenn Patient A eine Gastritis wegen Stress bekommt, denken die meisten Menschen an Überarbeitung, wenn Patient B aber einen diss. Anfall wegen derselben Ursache bekommt, wird er meist als verrückt abgestempelt. Mitunter sogar von Epileptikern oder Ärzten. Die Gründe kann ich nicht ganz nachvollziehen, sind sie nicht nur absolut kontraproduktiv, sondern auch ungerecht und diskriminierend.



Mittlerweile haben immer mehr Epilepsiekliniken dieses Defizit erkannt und behandeln ihre Patienten mit dissoziativen Anfällen genauso intensiv wie ihre Patienten mit epileptischen Anfällen. Das ist ein guter Weg und ich hoffe, dass er Schule machen wird.



Der menschliche Umgang ist damit allerdings noch immer nicht verbessert. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass mein gesamtes Umfeld meine epileptischen und dissoziativen Anfälle sehr gut aufgenommen hat und mich niemals ausgrenzte, obwohl ich zeitweise mehrere schwerere Anfälle am Tag hatte.

Bei Epilepsiepatienten war ich auch immer sehr beliebt, solange man nur von meinen epileptischen Anfällen wusste. Als man mir später zusätzlich diss. Anfälle diagnostizierte, rümpften einige Mitbetroffene die Nase oder zeigten mir ganz klar, dass sie mich für „nicht ganz dicht“ hielten. Mir machte das meist nichts aus, da ich einen guten Arzt hatte, der mir den medizinischen Hintergrund gut erläuterte. Doch nicht jeder hat dieses Glück und so manches mal zweifelte ich dann doch einmal selbst an mir. Dieses neue Video rückt hier so manches gerade und ich sehe ganz neue Ansätze, die wirklich Mut machen.

 

 

Warum sehe ich diese Erkrankungs aber nun als so schwierig an, tatsächlich als viel ausgrenzender als z.B. meine Epilepsie? Das hat verschiedenste Gründe, die ich hier gerne einmal aufzählen will:

 

-Ich eröffnete stellvertretend für eine junge Frau eine Gruppe für dissoziative/psychogene Anfälle und bin entsetzt, wie viele Verbrechensopfer unter den Anfallskranken sind. Das ist ein Punkt, warum mich die Ignoranz zu diesem Thema so aufregt.

 

-Ich hatte in dieser Zeit 5 TV Anfragen, drei davon waren so inakzeptabel, dass ich die beiden letzten gleich mit den Worten, dass ich mich auf gar keinen Fall auf dramatische Geschichten einlassen würde, empfing. So wurden tatsächlich tolle Gespräche am Telefon geführt. Über eine Stunde gingen jeweils beide Gespräche, solange, bis ich erwähnte, dass ich zu meiner Epilepsie ja „auch“ dissoziative Anfälle hatte. Es wurde umgehend stiller am anderen Ende und letztlich der Dreh gecancelt.

 

-2016 erhielt ich die Anfrage, einen Vortrag zu dissoziativen Anfällen zu halten. Ich habe mich riesig gefreut, finde ich dieses Thema doch viel zu wichtig um es totzuschweigen. Doch genauso kam es. Es kam nichts mehr.

Letzte Woche dann im TV. Eine Frau erleidet einen dissoziativen Anfall und die „Retter“ beschimpften voller Häme ihre Patientin.

 

Für mich eine besorgniserregende Tatsache, die ein Ende finden muss. Zum einen, weil es wohl kaum einen Menschen auf dieser Erde gibt, dessen seelische Situation sich nicht ab und zu auf körperlicher Ebene abzeichnet, egal ob es der Spannungskopfschmerz oder der Herzinfarkt ist. Zum Anderen, weil niemand das Recht hat, einen anderen zu verhöhnen und zum Dritten, weil es immer mehr Epilepsiepatienten gibt, bei denen zusätzliche dissoziative/psychogene Anfälle diagnostiziert werden. Dazu zeigen die neuen Untersuchungen, dass sich noch weit mehr Ursachen für nicht-epileptische finden, die auch nicht psychischer Natur sind.



Ich schrieb diesen Bericht 2011 und ich war sicher dass sich in den nächsten Jahren noch einiges tun würde – positiv gesehen natürlich. Ganz so positiv entwickelte es sich dann aus meiner Sicht, bis 2016, dann doch (noch) nicht. Nun habe ich diesen Film über neue Erkentnisse gesehen und werde definitiv mal endlich wieder meinen Lungenfacharzt wegen meines Asthmas aufsuchen. Denn die u.a. als Ursache vermutete schnelle Atmung habe ich sehr ausgeprägt.

 

 

Für den Außenstehenden ist der Unterschied nur mit sehr viel Erfahrung und Wissen erkennbar, für den Patienten meist nur an der Länge des Anfalles unterscheidbar und für den Arzt immer wieder eine Herausforderung. Wäre es unter diesen Umständen nicht langsam Zeit, dass alle Anfallspatienten zusammenkommen? Daher plädiere ich für ein Miteinander. Mit gegenseitiger Unterstützung kämen wir alle sehr viel weiter.



Ich wünsche allen eine anfallsfreie Zeit, egal welcher Art ihre Anfälle auch sein mögen.

 

Hier geht es zu dem interessanten Film über nicht-epileptische Anfälle

 

Ihre Anja D. Zeipelt

 

September 2011/überarbeitet März 2016/überarbeitet Mai 2018

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Hinter den Kulissen/der Patient im Mittelpunkt

Als Patient bekommt man ja leider nur die Dinge mit, die bereits seit längerem bekannt sind oder die man hören soll.

 

Während andere in Deutschland sich mit den Fluten von Wasser auseinandersetzen mussten und dabei schreckliche Tage und Wochen erlebten, sahen wir aber auch den Zusammenhalt der Bevölkerung, die Hilfe, die unerwartet und von Herzen kam.

 

Ähnliches durfte ich zum gleichen Zeitpunkt erfahren. Die Situationsdramatik spielt sich in diesen Fällen zwar zuhause bei den einzelnen Patienten ab, dort aber oft jeden Tag aufs Neue. Völlig unbemerkt oder ignoriert von der Öffentlichkeit.

 

Ich war nun bei einem Workshop zu Gast, bei welchem Hilfe für diese Patienten geleistet wurde. Für Patienten mit chronischen Erkrankungen. Ich durfte dort nicht nur mitarbeiten, ich lernte auch sehr viel.

 

Natürlich lernte ich zuallererst Patienten unterschiedlicher Indikationen kennen. Vertreter der Indikationen Epilepsie, Parkinson, Restless Legs und Rheuma waren vor Ort und ich war beeindruckt von dem Willen dieser Menschen. Während wir Patientenbotschafter (Epilepsie, Parkinson und RLS) mit Öffentlichkeitsarbeit Tabus zu durchbrechen versuchen, haben die Rheuma Vertreter gemeinsam mit UCB bereits großartige Hilfsmittel entwickelt, die kostenlos abgegeben werden. Einige davon durften wir vor Ort bewundern und mitnehmen. Aber auch Entwicklungen anderer Firmen wurden gezeigt, sodass man einen guten Einblick bekommen konnte welche Hilfen für die einzelnen Indikationen zu bekommen sind.

 

Epilepsie:

Natürlich gibt es auch für den Bereich Epilepsie bereits seit längerem Hilfsmittel, die sich im Bereich apps, Broschüren, Anfallskalender usw. ansiedeln. Doch darauf wollte man sich nicht ausruhen und wir überlegten hin- und her, was den Patienten noch helfen könnte.

Der Epilepsie Manager, eine Apple app, wird in Kürze als android Version vorliegen.

 

Doch ganz wichtig erschien uns ein Hilfsmittel, was in Australien bereits Anwendung findet. Ein ähnliches Hilfsmittel wird hierzulande in der Schmerztherapie bereits seit längerem angewandt. Wir überlegten genau wie man diese "Verlaufshilfe" am besten umsetzen könnte und wie es am leichtesten zu nutzen sei.

Genauso, dass es für Patient und den Arzt eine Hilfe sein kann. Ich bin gespannt, was aus unseren Überlegungen wird.

 

Neu für mich war auch "Watson", der IBM Supercomputer. Genau genommen war nicht "Watson" neu für mich, sondern die Tatsache, dass er auf die Krankheit Epilepsie "angesetzt" wurde. Wenn ich mich recht erinnere, wird er nun ein Jahr lang, weltweit vorhandene Lektüre über Epilepsie lesen und verarbeiten. Denn Watson ist kein einfacher Computer, Watson lernt, analysiert und wird in Zukunft eine wertvolle Hilfe bei der Epilepsiebehandlung sein. Der erste digitale Epileptologe. Mehr zu Watson im Gesundheitswesen gibt es hier: http://www-05.ibm.com/de/watson/gesundheitswesen.html

 

Ernüchternd war das Wissen über die Entwicklung neuer Medikamente, deren Erfolgschancen auf Zulassung und Erstattung in Deutschland. Es wundert mich, dass es überhaupt noch forschende Pharmaunternehmen gibt, ist mir doch jetzt erst der gravierende Unterschied zwischen forschenden Pharmafirmen und Generikafirmen klar geworden.

Kurz umrissen: 13,5 Jahre dauert es im Durchschnitt, bis aus 5000 - 10000 Substanzen der "eine" Wirkstoff gefunden wird, der es bis zur Zulassung schafft. Eine Zeit die zwischen 970 Mio. und 1,6 Milliarden US Dollar (pro Medikament) verschlingt!!! Dachte ich bisher immer, mit der Zulassung sei bereits das Medikament erhältlich, wurde ich auch hier eines besseren belehrt.

http://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/so-funktioniert-pharmaforschung/so-entsteht-ein-medikament.html

 

Nur wenn ein Zusatznutzen nachgewiesen werden kann und das o.k. der entsprechenden Behörde kommt, wird das Medikament in Deutschland auch erstattungsfähig, d.h. die Krankenkassen zahlen es für den Patienten.

http://www.vfa.de/de/wirtschaft-politik/artikel-wirtschaft-politik/animation-amnog-fruehe-nutzenbewertung.html?gclid=CJ2P6fyf47cCFbMftAodB0wAnw

 

Viele Menschen schimpfen über die Pharmalobby, doch uns sollte klar sein, dass Viele von uns kein lebenswertes Dasein mehr hätten oder schlimmeres, würde es die forschende Pharma nicht geben. Schaut man sich in ärmeren Ländern um, muss einem klar werden, wie gut wir gestellt sind. Ich kann nicht beurteilen, wie alle Pharmaunternehmen ihren ethischen Grundsätzen nachgehen, aber es gibt definitiv noch die Pharmafirmen, die den Grundsatz haben, Patienten auch mit finanziellem Einsatz zu helfen. Nicht nur mit Medikamenten, sondern mit breit gefächerten Hilfen. Ich habe es nun mehrfach an verschiedenen Stellen erleben dürfen und freue mich sehr darüber!

 

Warten wir nun gespannt auf die Neuigkeiten und hoffen, dass bei allen neuen Epilepsiemedikamenten ein Zusatznutzen gefunden wird, damit auch den Epilepsiepatienten, denen bisher noch nicht geholfen werden konnte, alle Möglichkeiten offen stehen. 

 

Alles Gute,

 

Ihre Anja D.-Zeipelt

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Gemeinsam stark

Die Botschaft "gemeinsam stark", war eine meiner Hintergedanken bei dieser Präsentation, da das aber doch sehr abgedroschen klinkt, erwähnte ich das eher nicht so deutlich und nutzte dazu lieber ein Bild. Meinen Löwen. 

Die Präsentation entwickelte sich zu einem Selbstläufer. Das Publikum inspirierte mich und ich scheinbar das Publikum. Aus einer mühsam einstudierten Präsentation wurde eine lockere Erzählung, die irgendwie verband. Und auch der Herr Doktor konnte sich dem ganz offensichtlich nicht entziehen. Was so verheißungsvoll locker begann, zog sich genauso weiter. Durch den Vortrag von Doktor Krämer, die Pause, die Diskussionsrunde und die Verlosung. Es wurde gelacht und geredet und alle Scheu schien abgelegt. Alle schienen mitmachen zu wollen und die gut 80 Personen schienen zusammenzuwachsen. Aus dem Herrn Doktor wurde irgendwie der Krämer, aus der Frau Zeipelt die Anja und aus den Gästen irgendwie alte Bekannte, auch wenn Viele sich nie zuvor gesehen hatten. Es war sehr eindrucksvoll wie sich alles bunt vermischte und aus meiner Präsentation gelebte Realität wurde. Nicht weil die Präsentation so toll war, nein, weil alle Anwesenden ihre Scheu ablegten und miteinander agierten. Weil zusammen gewitzelt, geneckt und gelacht wurde. Weil der „große“ Doktor Krämer keine Scheu hatte, zu gestehen das auch Koryphäen Fehler machen. Und weil das die Zuhörer erreichte. Weil mein Laserpointer sehr authentisch zitterte und die Menschen darüber lachen durften. Weil Christiane einen Nervositätsmoment beim musizieren hatte und jeder sie verstand. Weil ein Hund während der Vorträge laut schnarchte und Dr. Krämer damit an sein Zeitlimit erinnerte. Weil auch mal ein Tränchen lief. Weil gelacht wurde. Weil plötzlich alle eine große Familie waren. Fremde wurden zu Freunden, weil jeder mitmachte. Gemeinsam stark. SO lebt man gut mit Epilepsie. SO behandelt man Epilepsie. SO akzeptiert man Epilepsie!!!

 

Dass ich das miterleben durfte, macht mich sehr glücklich und ich wünsche Ihnen allen auch ganz viele solcher Momente. Miteinander stark, miteinander glücklich!

 

Ihre Anja D.-Zeipelt

 

PS: Die Präsentation können Sie sich hier downloaden, beachten sie aber bitte das Copyright."

 

 

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Leben mit Epilepsie/Outing
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Leben mit Epilepsie/Outing mit Erklärungen
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Immer diese Pauschalkisten...

Manchmal reizen mich Aussagen anderer tatsächlich bis zur Weißglut.

 

Da wird gesprochen von DEN Frauen, DEN Männern, DEN Jugendlichen, DEN Amis, DEN Japanern und DEN Deutschen.

Ist es nicht furchtbar, wenn alles in dieselbe Schublade gesteckt und pauschalisiert wird? Als hätte nicht jeder Mensch, jede Sache, ihr eigenes individuelles Wesen.

 

Was im Allgemeinen noch gang und gäbe zu sein scheint (leider), ist aber bei anderen Dingen richtiggehend lebensbehindernd. Wie zum Beispiel bei der Epilepsie.

„DER Epileptiker ist ja dumm“ lautet ein Vorurteil. Jemand der schlauer ist als Thomas Alva Edison und Da Vinci, darf das ruhig sagen. Denn aus seiner Perspektive aus gesehen mag das sogar stimmen.

„DIE Epileptiker können ja nichts“ hört man auch heute noch hier und da. Vielleicht könnte ich das sogar glauben, hätte ich nicht schon leibhaftig vor den Werken Michelangelos gestanden. Aber selbst wenn ich das nicht mit eigenen Augen und offenem Mund bestaunt hätte, ist der absurde Glaube an eine solche Vorstellung doch eher abwegig, eroberten Napoleon und Cäsar schließlich die halbe Welt trotz ihrer Epilepsie. Irgendwas scheinen Epis also doch zu können.

Am besten aber finde ich die Superschlauen, die mit „Epileppis“ nichts zu tun haben wollen. Denn oft sind es gerade diejenigen, die ihr Geld unwissentlich entweder für Konzerte von „so einem“ ausgeben oder die Eintrittskarten fürs Kino kaufen um einen „Epileppi“ als Elrond in „Herr der Ringe“ oder Agent Smith in „Matrix“ zu sehen. Und nicht die geringste Ahnung haben, dass in ihrem Zimmer ein Poster von einem dieser Epileppis hängt.

 

Was gibt es Schöneres, als diese unwissenden Fans aufzuklären???  

 

 

Dummerweise neigen aber auch andere Menschen zu Pauschalisierungen. Besonders ärgerlich ist das, wenn man (wie ich) solche Pauschalisierungen ablehnt und plötzlich feststellt, dass man sich auch dazu hat hinreißen lassen. Teilweise völlig unbemerkt.

Zwei Jahre lang glaubte ich an DIE Epilepsie, an DIE Verbote für Epilepsiepatienten und DIE Ärzte die uns behandeln können. Zwei Jahre lang verschenkte ich wertvolle Freiheiten, weil ich mich selbst in ein „Epikorsett“ gezwängt hatte.

Das erste Mal hellhörig wurde ich, als ich eine Jurastudentin kennenlernte, die nachts durch die Straßen schlich, um Bäume zu pflanzen. Schlafentzug? Ja und? Das interessierte sie nicht, es machte ihr schlicht nichts aus.

Als Nächstes lernte ich einen Schwimmer kennen, der nicht nur an Wettkämpfen auf Bundesebene teilnahm, sondern auch noch im Buch der Rekorde stand. Mit 24 h Dauerschwimmen! Und ich mied sogar die Badewanne …

Da fängt man an Fragen zu stellen und nicht mehr einfach alles Verbotene hin zu nehmen. Und tatsächlich erhielt ich auch ganz schnell die Antworten. DIE Epilepsie gibt’s nicht. DIE Anfallsauslöser gibt’s auch nicht. Und DEN Epilepsiepatienten schon gar nicht.

Ich hatte mich also ganz selbstverständlich in eine Pauschalisierungsmaschine stecken lassen und war aus dem Individuum Anja zu der Epileptikerin XYZ geworden. Natürlich im Auftrag wohlmeinender Ärzte, die sich außer mit mir, auch noch mit einer Unmenge anderer neurologischen Erkrankungen herumschlagen mussten. Wen wundert da der obligatorische DIN A 4 Verbotszettel, auf dem man sicherheitshalber alles aufführte, was einem Epi, egal wie zutreffend oder nicht, gefährlich werden konnte.

 

Aber, ich war definitiv selbst schuld. Mir war ja völlig klar, dass Ärzte immer weniger Zeit für den einzelnen Patienten haben und das es keine Spezialisten gäbe, wenn jeder Arzt das gleich gut behandeln kann. Ich wurde also das Opfer meiner einseitigen Gedankengänge und reihte mich so in die Oberflächlichkeit oben aufgeführter Pauschaldenker ein.

 Dabei hätte ich nicht nur jeden Anreiz gehabt mich selbst etwas näher zu informieren, nein, ich hatte auch noch alle Möglichkeiten. Dem www sei Dank. Und wenn ich als Betroffene nicht meine Motive nutzte, warum sollten es Menschen tun, die mit Epilepsie nichts zu tun haben?

Nun, ich habe eine Antwort dafür. Sie müssen es gar nicht tun, denn es besteht kein Grund für sie, aber sie könnten einfach aus Menschlichkeit und aus Achtung vor anderen Menschen, versuchen uns nicht als dumm zu verkaufen. Manchmal sind wir etwas hinterher, wie mein Beispiel unwiderlegbar beweist, aber solange Menschen wie Alfred Nobel und Sokrates unsere Reihen füllen, sind wir bestimmt vieles, aber garantiert nicht dumm, schwach und talentfrei.

 

In diesem Sinne

 

Ihre schubladenfreie Anja D.-Zeipelt

 

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Optimismus - nach jedem Winter folgt ein Frühling

Über Humor habe ich bereits in zwei Blogs geschrieben, jetzt liegt mir ein weiteres Thema am Herzen, das ich gerne aufgreifen würde. Optimismus oder auch positiv denken genannt.

 

Es gibt zwei Arten zu denken, wenn man ein Glas Wasser erhält, das bis zur Hälfte gefüllt ist. Für die einen ist dieses Glas halb leer, für die anderen ist dieses Glas halb voll. Dieses Glas Wasser ist eine wunderbare Metapher für die Lebenseinstellung der Menschen. Man kann alles negativ sehen, aber auch positiv.

 

Wenn ich einen Spaziergang durch die Natur mache, dann denke ich „was ist die Sonne so herrlich, darauf habe ich mich den ganzen Winter gefreut. „Der Pessimist denkt vielleicht „das dumme Ozonloch, jetzt muss ich aufpassen das ich keinen Krebs bekomme“

 

Wenn sich die Knospen öffnen denke ich „herrlich, die Natur erwacht und ich kann das trotz meiner multiplen Pollen- und Gräserallergien genießen. Durch eine kleine Tablette, die ich der Forschung zu verdanken habe“

 

Von Pessimisten habe ich schon oft gehört „Scheiß Frühling, jetzt fliegen wieder die Pollen und ich muss drinnen bleiben. Und diese Tabletten dagegen, nee, das macht doch nur die Pharmaindustrie reich …“

 

Dieselbe Ausgangslage, zwei völlig verschiedene Grundgedanken. Wer, denken Sie, ist glücklicher? Ich denke, dass ich zufriedener aussehe, wenn ich Lachfalten um die Augen, statt Sorgenfalten auf der Stirn habe.

 

Was Krankheiten angeht, verhält es sich ganz ähnlich. Ich habe am vergangenen Wochenende eine alte Freundin wieder getroffen und sie hat mir von ihrer bevorstehenden Operation erzählt. Die zehnte steht jetzt an. Sie erzählte das mit einem umwerfenden Lächeln. „Wenn ich die geschafft habe, dann habe ich es geschafft, dann habe ich den Krebs besiegt.“ Sie hätte genauso gut sagen können „stell Dir mal vor, schon meine zehnte OP. Krebs in meinem jungen Alter, womit habe ich das verdient?“ Aber nein, sie strahlte mich an, ihre kleine Tochter an ihrer Hand und sah voller Zuversicht in die Zukunft. Diese Frau umgab in diesem Moment eine unglaubliche Aura von Stärke und ich musste sie einfach mal ganz fest drücken und mit ihr lachen.

 

An diese alte Freundin, und viele mir nahestehender Menschen muss ich denken, wenn ich mich einmal wieder über einen Anfall oder mein Autofahrverbot ärgere. Für sie wäre das eine Kleinigkeit. Mit welchen positiven Gedanken und welch befreiendem Lachen manche Menschen umgehen, ist einfach nur bewundernswert. Nicht alle diese Menschen haben den Kampf gewonnen, aber sie hatten Eines, bis fast zum Schluss. Hoffnung und Dankbarkeit.  Ich nehme mir diese Menschen zum Vorbild, denn sie haben diese Welt ein Stück hoffnungsvoller gemacht, ihr ein Lächeln geschenkt.

 

Meine Oma sagte mir immer den kleinen Spruch, den ich nie vergessen konnte: „Und wenn Du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“  Dieser Spruch ist so banal, fast schon kindlich, und trotzdem war es dieser Spruch, der mich in den dunkelsten Zeiten meines Lebens wieder zum Weiterkämpfen ermutigte.

Man kann es auch so sagen, meine Oma wusste aus eigener Erfahrung, dass alles Schreckliche auch mal ein Ende hat. Dass auch aus schlechten Dingen immer irgendetwas Positives erwächst. Auch wenn wir es nicht sofort erkennen können. Dass es Höhen und Tiefen gibt, wir aber alles schaffen können, wenn wir es nur mutig angehen. Dass es genau das ist, was das Leben lebenswert macht.

 

Ich wünsche uns allen viel Freude beim Anblick aufgehender Blütenknospen, Genuss beim spüren der Sonne auf der Haut, immer das Gefühl der Dankbarkeit und bei Tiefen eine unerschütterliche Positivität.

 

Wir haben vielleicht nicht alles was wir uns wünschen, aber wir haben viel mehr als viele andere Menschen auf der Welt. Wunderbare, nicht selbstverständliche Dinge, mit denen wir beschenkt wurden und noch werden. Dinge und Menschen, die uns ein glückliches und dankbares Lächeln ins Gesicht zaubern können.  Ich freue mich darauf!

 

Ein sonniges optimistisches Lächeln schickt Ihnen

Ihre Anja D.-Zeipelt

 

 

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Epilepsie und die Psyche

Es gibt wahrscheinlich eher wenige Krankheiten, wo die Psyche keine Rolle spielt, bei Epilepsie nimmt sie aber einen ganz besonderen Platz ein.

Nicht nur, dass psychischer Druck, also negativer Stress, Anfälle begünstigen kann, nein, gerade die „Nebenwirkungen„ der Epilepsie bescheren oft einen enormen psychischen Druck.

 

Bei jungen Menschen ist dies aufgrund der Lebensbedingungen noch höher als bei Menschen die im Alter erst Epilepsie bekommen und die Schule, Beruf und Lebensplanung schon hinter sich haben.

Kinder und Jugendliche müssen sich den Regeln des Heranwachsens stellen, wie Eltern, Lehrern und Ausbildern, zusätzlich aber auch den Regeln denen sie von der Epilepsie unterworfen werden. Und was diese Regeln angeht, sprechen die Eltern auch noch mit, was nicht immer unproblematisch ausgeht, aber auch normal und wichtig ist. Falls ein Kompromiss gefunden werden kann.

Wenn Mitschüler, Lehrer und Freunde dann kein Verständnis aufbringen, oder Vorbehalte gegen den Epileptiker haben, wird es für die Kinder besonders schwer. Vielleicht versuchen deswegen viele Eltern die Epilepsie der Kinder zu vertuschen. Ein Teufelskreis, der nur allzu oft jegliches wachsendes Selbstbewusstsein der Kinder im Keim erstickt.

Auch bei der Planung des Berufslebens können Vorurteile den jungen Patienten verzweifeln lassen.  

Junge Menschen, die ihre Epilepsie angenommen und mit ihr umzugehen gelernt haben, tun sich hier leichter. Denn sie haben einen Weg gefunden die Epilepsie so darzustellen, dass sie den Weg nicht blockiert. Doch gerade das Annehmen fällt vielen so schwer.

 

Und das ist nicht nur ein Problem von jungen Menschen, sondern ein Problem aller Altersklassen. Leider kann gerade daraus ein Teufelskreis werden. Je mehr die Epilepsie, und die Angst um die Anfälle, eine Person beherrscht, desto mehr bestimmt sie ihr Leben.

Es ist tatsächlich auffällig, das Menschen, die einen Weg gefunden haben ihr Leben mit Anfällen zu akzeptieren, viel weniger Einschränkungen haben als Menschen die ihre Epilepsie ablehnen oder nicht wahr haben wollen. Manche geben der Epilepsie auch die Schuld an allem was schief läuft. Ob das nun ein anderes körperliches oder ein soziales Problem ist. Man versucht erst gar nicht mehr in anderen Bahnen zu denken, die Epilepsie ist an allem schuld.

Oft führt auch das wiederum zu erneuten sozialen Problemen, denn es versteht sich ganz von selbst, dass man sich so nicht viele Freunde macht.  Die Epilepsie hat da aber nichts mehr mit zu tun. Es ist nur sehr viel einfacher es darauf zu schieben.

 

Ein ganz anderer Fall ist, wenn man zu den epileptischen Anfällen auch noch dissoziative/psychogene Anfälle entwickelt. Man selbst nimmt es überhaupt nicht wahr, dass die Anfälle sich von den epileptischen Anfällen unterscheiden und auch die Ärzte tun sich hier schwer. Wenn dann, z. B. nach einem Monitoring, die Diagnose fällt, sind die meisten völlig vor den Kopf geschlagen. Ich und psychogene Probleme? Niemals, das kann gar nicht sein!!! Die Verweigerung der Akzeptanz macht diese Anfälle aber nicht besser, viel eher leidet man unbewusst noch mehr. Und begünstigt die Anfälle noch weiter. Es kann aber auch andere Wege geben. Mir sagte ein Spezialist, dass es Patienten gäbe die alleine durch die Diagnose schon von ihren dissoziativen Anfällen geheilt seien. Sie akzeptierten die Problematik und fanden ein Weg damit umzugehen. Ich habe es zwar auch akzeptiert aber so ganz im Griff hatte ich die Anfälle trotzdem nicht. Aber sie wurden bedeutend weniger, was ja auch ein riesiger Erfolg war.

 

Egal wie sich die psychischen Probleme auswirken, ob ganz leicht wie bei beinahe jedem Menschen oder bereits depressiv und damit ein Fall für den Arzt, mit Hilfe von Therapeuten und in manchen Fällen auch Medikamenten kann man Hilfe annehmen und lernen zu akzeptieren. Bei vielen (außer der Depression) hilft auch schon der Weg der Akzeptanz und des Loslassens, der Weg sich neu zu erfinden. Diese Wege sind allesamt nicht einfach und es ist auch kein schneller Weg. Wenn man aber nicht den einen ersten Schritt auf einem oder gar mehrerer dieser Pfade zu gehen bereit ist, wird der alte und breit getretene Weg garantiert sehr viel schwerer und länger sein.

 

Mit besten Wünschen für Ihre seelische Gesundheit

Anja D.-Zeipelt

 

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Perfekter, Schöner, Gesünder - leben in einer verdrehten Welt

Wenn man sich umschaut ist es schon unfassbar mit welch verdrehter und manipulierter Wahrnehmung wir mittlerweile uns und unsere Umwelt wahr nehmen. Nicht nur über Epilepsie und ihre Behandlung, nein auch über andere Dinge, die unsere Großeltern noch als Wunder sahen und uns als selbstverständlich erscheinen.

 

Und die Medien sind daran nicht ganz unschuldig...

 

Sicher, früher hatte man auch Angst vor Epilepsie, aber wenn man ehrlich ist, kannte man ja nur die Grand mals. Wer hätte denn schon wegen einer Absence oder eines kurzen fokalen Anfalls Panik oder gar Angst bekommen? Man hatte Angst wenn jemand stürzte, krampfte und Schaum vor dem Mund hatte–eben weil das so gefährlich aussieht. Damit galt man auch als geistig behindert und wer Pech hatte, geriet in die Hände von dubiosen Ärzten die in Kriegszeiten Experimente an den Patienten durchführten, aber diese Zeiten sind ja Gott sei Dank vorbei.

 

Epilepsie hat heute eine ganz andere Rolle in unserem Leben, könnte man meinen. Aber ist das wirklich so? Man könnte diese Rolle aufteilen, in verschiedene Personenkreise. Die Forschung und Medizin lernt immer mehr über diese Krankheit und kennt heute Formen der Epilepsie die früher niemals jemand bemerkt hätte.

 

Die Medien berichten mittlerweile auch über Epilepsie. Leider aber meist nur wie es gerade profitabel passt. Lieblingswerkzeug „epileptischer Anfall“ für Krankenhaus- und Arztserien. Ärzte und Schwestern schreien sich panisch an, der Krampfende wird fest gehalten und mit Notfallmaßnahmen gerade nochmal so „gerettet“. Die Szene im TV dauert doppelt so lange wie im richtigen Leben und jeder Angehörige eines Epilepsiepatienten bekommt Panik.

 

Auch die Zeitungen halten sich nicht zurück wenn es um ihre Epilepsieberichte geht. Bei mir wurde aus einem Sturz auf den Kopf mit einem kleinen Haariss (den die meisten Ärzte nicht mal im MRT erkannten) bei der Presse ein Schädelbasisbruch. Hört sich doch gleich viel besser an. Angebote des TV musste ich auch ablehnen, die Vorgabe von Dramaturgie konnte ich nicht mit meinen Überzeugungen vereinbaren. Und so geht es mehreren Menschen die bereit wären etwas über sich zu erzählen. Auf diese Weise halten sich veraltetes Wissen und Vorurteile über Epilepsie hartnäckig und nur wenige Zeitungen berichten sachlich und nach neuestem Wissensstand über die verschiedenen Formen der Epilepsie.

 

Das Wissen in der Öffentlichkeit scheint mir dasselbe zu sein wie zu der Zeit als noch ein Nachttopf unter dem Bett stand und die Menschen täglich um 5:00 Uhr ins Feld gingen. Als es weder Telefon, noch Fernsehen oder Autos in jedem Haushalt gab, in dieser Zeit scheinen wir in vielen Medienberichten stehen geblieben zu sein. Kleine harmlose Anfälle werden komplett ignoriert (zu unspektakulär), große Anfälle dramatisiert. Wen wundert es da, dass wir Epilepsiebetroffenen kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben oder sich manche Betroffenen gar verstecken.

 

Wir bekommen vorgegaukelt wie wir heute zu sein haben. Perfekt, schöner, schlanker, fitter, gesünder. Wem die Kniescheibe vor Dürrheit nicht vorsteht wird in manchen Zeitungen schon als zu dick bezeichnet, die Brüste müssen aufgepolstert sein und Falten sind nur was für arme Leute. Ohne Abitur ist man ein Nichts und die Hände macht man sich am besten auch nicht mehr schmutzig. Dieses verzerrte Weltbild macht es Kranken heutzutage noch schwerer. Wobei ich Epilepsie ungerne als Krankheit und diese Ansichten noch weniger gern als gesund und normal bezeichnen möchte.

Wirklich krank sind doch alle jene die uns eine perfekte und schöne Welt vorgaukeln, die so nicht natürlich ist. Der lächelnde Behinderte ist in meinen Augen viel schöner als das versnobte Supermodel. Der ehrliche Arbeiter viel reicher als der profitgeifernde Millionär und wir Epilepsiebetroffenen viel gesünder als die Silikon bearbeiteten 25 jährigen.

 

Man sollte sich vor Augen halten was wirklich zählt, nicht nur früher sondern auch heute noch. Familienzusammenhalt, eine gute Erziehung für unsere Kinder, Freunde und natürlich ein warmes Dach über dem Kopf, was traurigerweise allesamt heute nicht mehr selbstverständlich ist.

Wir sollten herunter kommen von unserem hohen Ross, denn all unsere Jammerei ist lamentieren auf höchstem Niveau. Den meisten von uns stehen bessere Medikamente und eine große Medikamentenauswahl zu Verfügung, wir haben zu Essen und ein Dach über dem Kopf. Ärzte sollten Patienten als Menschen sehen, aber auch Patienten sollten sehen das Ärzte nur Menschen sind. Und die Medien? Die sollten sich mal wieder auf das besinnen was wir von den Medien erwarten können. Niveauvolle Unterhaltung und wahrheitsgemäße Information. Ohne Kleidung sind wir alle gleich. Wir sollten dankbar sein für die Möglichkeiten die wir heute haben und uns erinnern wie es in Deutschland noch vor 60 Jahren war.

 

Dazu können wir alle einen winzigen Beitrag leisten, aber den größten Anteil daran haben unsere Medien. Es wäre schön, wenn das was wir täglich sehen und lesen endlich wieder der Realität und dem echten Leben entspricht und nicht von einem Programmdirektor oder Redakteur verzerrt würde. Kein Mensch ist nur intelligent oder nur dumm, Niemand ist nur krank oder nur gesund und ich kenne keinen der nur schön oder nur hässlich ist. Wir alle sind alles. Ob Millionär oder Bettler, ob Model oder Freak, Gesundheitsminister oder Patient, Sie, ich, Ihr und wir. Wie man es auch dreht und wendet, am Ende sind wir alle nur eins: Menschen und der Natur unterworfen und es wäre an der Zeit das endlich wieder zu akzeptieren.

 

Ihre nachdenkliche Anja D.-Zeipelt

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Angst bei Epilepsie

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Angst ist eines der ersten Gefühle, die sich einstellen, wenn man Selbst oder ein enger Familienangehöriger, Epilepsie diagnostiziert bekommt. Wundern muss das natürlich nicht. Was weiß man schon über die große Unbekannte mit dem unheimlichen Namen?

Erwachsene haben Angst ihr Leben verändern zu müssen. Jugendliche haben Angst benachteiligt zu werden, Kinder werden oftmals überbehütet und Eltern von betroffenen Kindern haben teilweise sogar Angst um die Intelligenz oder das Leben ihres epilepsiekranken Kindes. Dabei kann man Letzteres im Normalfall ausschließen und die Eltern somit beruhigen. Was die anderen Ängste angeht, sind die Ängste leider nicht von der Hand zu weisen.

Wenn ein Erwachsener an Epilepsie erkrankt, ist es reine Glückssache, inwieweit sich das Leben verändert. Natürlich liegt es daran, welche Art der vielen Epilepsieformen vorliegt, aber vor allem liegt auch Vieles am Verständnis der Arbeitgeber, der Familie und dem Freundeskreis. Wenn das Verständnis beim Arbeitgeber fehlt, ist der Kampf gegen die Epilepsie mitunter auch ein Kampf um die finanzielle Existenz der Familie …

Wenn ein Jugendlicher dieselbe Diagnose bekommt, sind die Schwierigkeiten ähnlich wie bei den Erwachsenen. Statt des Arbeitgebers spielen hier oft die Lehrer eine gewichtige Rolle und gerade bei Jugendlichen kann der Freundeskreis sehr grausam sein, wobei sich hier die frühe Chance ergibt, den Freundeskreis auf wirklich wichtige Menschen einzugrenzen, denn hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Doch auch hier kann man etwas tun …

Kinder müssen sich aus dem Kokon der Überbehütung durch die Eltern befreien, was in manchen Fällen auch schon zu drastischen Schritten geführt hat. Hier wären die Eltern gut beraten, etwas mehr auf die Fakten als auf ihre Ängste zu hören. Dazu kommt, dass vielen Kindern sogar die Wahl des Kindergartens oder der Schule verwehrt bleibt und der Grund ist wie bei allen epilepsiebedingten Problemen derselbe: Unwissenheit …

Bei fast allen Epilepsiebetroffenen stellt sich zusätzlich die Angst vor den Anfällen selbst ein, vor den Folgen und den Reaktionen Anderer. Auch hier gibt es einen guten Weg dem entgegen zu treten …

Natürlich ist die Angst absolut nachvollziehbar und es wird auch bei jedem Einzelnen seine Zeit brauchen, um sich dieser Angst zu stellen. Hat man diesen Punkt aber erst einmal erreicht, kann man sehr viel weiter kommen. Ich habe das zuerst bei mir Selbst erleben können und dann bei Unzähligen Anderen danach. Der erste Schritt ist der Mut den passenden Arzt zu finden. Mein Vater sagte immer zu mir „wenn man massive Probleme hat, geht man nicht zum Schmidtchen, sondern zum Schmidt“. Ich wollte das anfangs nicht hören, meine täglichen Anfälle hatten mich viel zu stark im Griff, als das ich den Mut aufgebracht hätte mich ihnen entgegen zu stellen. Ich akzeptierte sie und nahm sie hin, aber nebenbei rebellierte ich auf meine Art, denn ich gab mein vorheriges Privatleben nicht auf. Beruflich hatte ich dagegen keine Chance. Insgesamt schrieb ich mir meinen Frust von der Seele und das sollte sich noch positiv bemerkbar machen …

Bis ich allerdings den Mut besaß, zum „Schmidt“ zu gehen vergingen fast 2 Jahre. Doch dann ging alles ganz schnell. Ich hatte eingehende stationäre Untersuchungen und eine Medikamentenumstellung, die mich innerhalb einer Woche fast anfallsfrei machte. Von mehreren Anfällen am Tag reduzierten sie sich auf einen Anfall im Monat. Weiter kaufte ich mir Fachlektüre zum Thema Epilepsie und „studierte“ diese Werke eingehend. Plötzlich wurde ich viel sicherer im Umgang mit meiner Art von Epilepsie, denn nun wusste ich, dass es „die“ Epilepsie nicht gibt, sondern viele verschiedene Arten. Als ich dann von einem Professor gesagt bekam, dass die ganzen Pauschalverbote (die ich zu Beginn meiner Diagnose bekam) Unsinn seien und ich Selbst probieren müsse, was bei mir Anfälle auslöst und was nicht, änderte sich mein Leben erneut. Denn ich habe nur 3 Dinge, die ich tatsächlich meiden muss, alles andere kann ich bedenkenlos tun. Dieses ganze neue Wissen gab mir neue Sicherheit im Umgang mit meiner Epilepsie. Ich hatte zwar auch vorher keine Hobbys aufgegeben und auch sonst die Öffentlichkeit nicht mit meinen Anfällen „verschont“, aber anfangs tat ich das aus purem Trotz. Jetzt kann ich es mit Selbstsicherheit tun, was etwas ganz anderes ist.

Durch meine wachsenden Kontakte lernte ich erfolgreiche Menschen mit Epilepsie kennen, die ich wahrhaft bewundere. Eine Juristin, einen Sänger, Bundesligaprofis, Olympiasieger, deutsche Meister und einmal sogar einen Bundestagsabgeordneten. Erfolgreich mit Epilepsie. Oder trotz Epilepsie??? Betrachtet man das who is who der Weltgeschichte kann man nicht mehr umhin diese Riege der Anfallskranken zu bewundern und ich ertappe mich immer mehr wenn ich bei Gesprächen (nicht ganz ohne Stolz) sage „ach, der hat(te) auch Epilepsie“.

 

 

Mit umfangreichem Wissen über Epilepsie kann man seine eigenen Ängste in Schach halten und sein Leben wieder freier gestalten.

Mit dem Wissen, welche berühmten Epileptiker nicht nur unser aller Leben veränderten (z. B. Edison, Erfinder der Glühbirne), sondern auch die Weltgeschichte (z. B. Julius Cäsar, Napoleon). Die Freude mit denen ich berühmten Epileptikern im Kino oder TV zusehe (z. B. Danny Clover oder Hugo Weaving/Elrond aus Herr der Ringe und Agent Smith aus Matrix) oder zuhöre (z. B. DJ Ötzi oder Mario Andretti) und das Erlebnis erfolgreiche Sportler zu kennen (z. B. Marion Clignet, Jerome Becher, Uwe Haas u.s.w.) lässt mich das Wissen und Gefühl haben, das ich keine Angst zu haben brauche. Denn sie alle haben es geschafft und damit bewiesen, dass man durch Epilepsie weder dümmer wird, noch überbehütet werden muss. Ein bisschen mehr kämpfen muss man sicher, aber vielleicht hat dieser Kampf diese Menschen gerade so stark und besonders gemacht.

 

Nach diesen Jahren intensiver Beschäftigung mit Betroffenen und Fachleuten kann ich folgendes Resumee ziehen:

Outen Sie sich, wenn Sie können, in meinen Blogs auf dieser HP finden Sie einen sehr erfolgreichen Weg dazu, der sie nicht krank, sondern sogar interessanter erscheinen lässt. Natürlich erfolgreich getestet J 

Informieren Sie sich: Umso mehr Sie über „Ihre“ Epilepsie wissen, desto weniger können Sie Ängste und veraltete Ammenmärchen schrecken. Einen gut verständlichen und fachlich fundierten Weg finden Sie über folgende Homepage: www.anfaelle.jimdo.com, dort finden sie noch viele weiterführende Links und Tipps.

Lassen Sie sich inspirieren: Viele Menschen haben Epilepsie, vielleicht viel mehr als Sie denken. Lassen Sie sich von deren Geschichten inspirieren, das hilft viel mehr als sich in Selbstmitleid zu verlieren und wer weiß, vielleicht trägt der Eine oder Andere von Ihnen auch bald zur Inspiration Anderer bei. J

 

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Zukunft und den Mut, dafür zu kämpfen.

Ihre Anja D.-Zeipelt

 

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Unser Weihnachtsgeschenk für Sie

die HP während des Aufbaus
die HP während des Aufbaus

Endlich ist es soweit, nach langen Monaten Arbeit, Recherche und fachlich fundierter Unterstützung, steht nun eine ganz neue Möglichkeit der Information und Kommunikation für alle Anfallsbetroffenen zur Verfügung.

 

Wir haben in den letzten Monaten nicht nur eine Homepage gebaut die Epilepsiebetroffene und Betroffene von dissoziativen/psychogenen Anfällen auf einer Seite vereint, sondern bieten diese Homepage als individuell ausbaufähige Homepagevorlage für alle Interessierten an. Natürlich völlig kostenlos.

 

Der Vorteil liegt auf der Hand. Kompetente Information über Epilepsie, Anfälle, Erste Hilfe und motivierende Beispiele stehen in professionellem Design nicht nur kostenlos zur Verfügung, sondern kann für jede Selbsthilfegruppe individuell angepasst und ausgebaut werden.

 

Auf der Startseite erklären wir warum es so wichtig ist Aufklärung zu leisten und warum es so wichtig ist nur Fakten ins Netz zu stellen die von Fachleuten stammen. Zuviel Unfug findet sich bereits im Netz und verunsichert. Dem wollen wir entgegen wirken.

 

Die nächste Seite dient der Anfallsbeschreibung. Hier möchte ich Dr. Günter Krämer ganz herzlich danken, der uns seine Links zur Verfügung gestellt hat, die dafür sorgen das wir stets auf dem neuesten und kompetentesten Stand sind.

 

Zur Motivation zählt die Seite Prominenter Anfallskranker. Vieles hier ist nicht neu, manches aber schon. Lassen Sie sich überraschen...

 

Natürlich darf auch die erste Hilfe nicht fehlen. Die findet man zwar zuhauf im Netz, leider werden aber meist nur die Grand mals behandelt, andere Anfallsarten werden vergessen. Hier schaffen wir Abhilfe.

 

Bei Adressen haben wir zusammen getragen was uns rechtlich möglich war. Über jeden weiteren Eintrag freuen wir uns natürlich, obwohl unsere Adressdatenbank erstaunlich groß ist. Hier hat Dieter Schmidt fleißig recherchiert und Genehmigungen gesammelt.

 

Bücher und Literatur darf natürlich auch nicht fehlen, allerdings unterscheiden wir uns auch hier. Wir haben nur Bücher aufgenommen, die mindestens eine Leserbewertung mit 4-5 (von 5 möglichen) Sternen haben. Für Ihre Sicherheit!!! Zur einfacheren Bestellung können Sie direkt zu Amazon gelangen.

 

Im Impressum finden sich die Rechte an allen Bildern, die ich dieser Seite gerne zu Weihnachten schenken möchte.

 

Die drei weiteren Seiten habe ich als Idee für Sie angelegt. Dort können Sie weiter gestalten, Ihre Selbsthilfegruppe vorstellen, Gästebücher einfügen, interne passwortgeschützte Bereiche,Inhalte löschen,  u.s.w. Seien Sie kreativ, melden Sie sich gratis an und bauen Sie diese Partner Page für Ihre Gruppe ganz individuell aus.

 

 

So bleiben Sie bei Anfallsinformationen auf der sicheren Seite, können aber Ihre Selbsthilfegruppe ganz leicht öffentlich und bekannt machen und dabei so individuell bleiben wie Ihre Gruppe nun einmal ist.

 

Auf der linken "Anfaelle" Seite befindet sich ein Jimdo Werbekasten. Diesen können wir erst dann entfernen wenn wir einen Sponsor gefunden haben, der uns ein Upgrade bezahlt. Dann werden wir auch die Adresse in www.anfaelle.de ändern können. Solange wir aber noch gratis agieren, sind wir weiterhin (mit ein klein wenig Werbung) unter www.jimdo.anfaelle.com zu finden.

 

Ich hoffe, das wir Sie überzeugt haben und das Sie sich genauso über die neue Homepage freuen wie wir.

 

Anmelden können Sie sich unter

http://www.epi-on-board.de/ - ganz unten auf der Startseite ist das Anmeldefeld. Geben Sie einfach Ihre gewünschte Webadresse und Ihre vorhandene mail Adresse ein und schon gehts los.

 

Wenn Sie sich zu dieser Partnerseite anmelden, dann würde ich mich riesig über eine kleine persönliche Nachricht freuen, denn erst dann sehen wir das unser Werk gelungen ist.

 

Ich wünsche Ihnen eine tolle Zeit und viel Erfolg mit unserer/Ihrer neuen Internetpräsenz.

 

Ihre, ein klein wenig stolze, Anja D.-Zeipelt

 

 

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Tabu und Aufklärung bei Epilepsie

In unserer heutigen Zeit fordern immer mehr Menschen nach Aufklärung über alle möglichen Dinge. Aufklärung über misshandelte Tiere, Aufklärung über Aids, über das Waldsterben, über Brustkrebs, Missbrauch u.s.w..

 

Jeder einzelne dieser Aufklärungskampagnen ist so unglaublich wichtig und nur diesen Aktionen haben wir es zu verdanken, dass Menschen mehr aufeinander achten, Tiere schützen und umweltbewusster denken.

 

Auch im Bereich der Epilepsie werden immer Stimmen da sein, die sich über die Tabus bei diesem Thema beschweren und mehr Aufklärungsarbeit fordern. Doch, Hand aufs Herz, wer tut tatsächlich auch was dafür? In geschlossenen Foren, mehr Offenheit bei Epilepsie zu fordern ist einfach, doch absolut sinnlos, wenn man selbst nicht wagt Farbe zu bekennen.

Einige wenige Menschen setzen sich wie die Löwen für die Öffentlichkeitsarbeit bei Epilepsie ein, einige andere tun direkt an der Quelle etwas, also bei den Betroffenen oder deren Familien, aber wie sieht es bei den meisten anderen aus? Verlässt sich da nicht beinahe jeder auf den anderen?

 

Als mir die Idee für eine *Dachhomepage für Selbsthilfegruppen kam, ging ich gemeinsam mit meinem Gastschreiber Dieter Schmidt, mit Feuereifer an die Arbeit. Letzte Woche traf ich dann, bei anderer Gelegenheit, auf meinen Coautor, einen engagierten Arzt, der gerade für Epilepsiekranke übermenschliches leistet und der warnte mich, das er sich gerne überraschen lassen würde, er aber nicht glaubt das die Leute sich dort engagieren. Zuviel Arbeit… Und tatsächlich muss er es ja wissen, seine Erfahrung ist wirklich enorm. Seitdem bin ich ins Grübeln geraten. Lohnt sich das alles wirklich? Sind die Leute bereit dazu? Werden sie helfen zu helfen?

 

Tatsächlich bin ich sehr gespannt auf die Reaktionen und die Mithilfe der einzelnen Institutionen. Von Kliniken, Ärzten u.s.w. würde man wahrscheinlich weniger Engagement zu erwarten wie von Menschen, die von Epilepsie betroffen sind. Interessanterweise ist aber das Gegenteil der Fall. Meines Erachtens nach müsste doch jeder Epilepsiebetroffene mehr Interesse daran haben, das über Epilepsie aufgeklärt wird als jeder andere. Das mit der Homepage ist aber nur ein einziges Beispiel dafür, das zeigen soll, wie es tatsächlich um die Eigeninitiative der Menschen bestellt ist.

 

Man sieht dieses Desinteresse überall. Auf Veranstaltungen für Epilepsiebetroffene, in Foren, ja eigentlich überall. Natürlich fragen sich irgendwann auch Menschen die sich bereits für die Epilepsieaufklärung engagieren ob sich das alles überhaupt lohnt. Ich lese von Leuten, die ihre Selbsthilfegruppe geschlossen haben, weil kein anderer mithelfen wollte, ich höre von Menschen die mehr oder weniger nur solange „gebraucht“ werden wie sie von Nutzen sind und wieder von anderen die sich nur solange einbringen wie es ihnen schlecht geht. Danach beginnt ein neues Leben. Auch das ist verständlich. Wer schon Jahre oder Jahrzehnte für die Epilepsieselbsthilfe aktiv war und endlich Land sieht, dem muss auch gestattet sein neue Wege einzuschlagen. Jedoch sollten die Menschen das, was sie erarbeitet haben, dann nicht einfach verkümmern lassen, sondern an andere Aktive weiter „vererben“. So ist nichts verloren und neue Mitstreiter müssen den mühsamen Weg des Aufbaus nicht von vorne beginnen. Die Realität sieht leider anders aus.

 

Ist auch das ein Grund warum immer weniger Menschen bereit sind sich für andere einzusetzen? Weil sie glauben, das alles sinnlos ist?

 

Warum auch immer Sie glauben etwas tun oder nicht tun zu müssen, ich wünsche mir viel mehr Mitstreiter für Öffentlichkeitsarbeit bei Epilepsie, mehr Menschen die es wagen sich zu outen oder einfach mal einen Link weiter verbreiten. Leute die anstatt zu jammern den berühmten Stier bei den Hörnern packen und etwas tun.

 

Wenn jeder einzelne nur ein klitzekleines bisschen helfen würde, dann hätte die Epilepsie bald den gleichen Erfolg wie andere Aufklärungskampagnen und jeder wüsste das Epilepsie eher mit intelligenten Menschen in Verbindung zu bringen ist als mit dem Gegenteil. Dann müssten sich erfolgreiche Menschen nicht mehr vor den Kollegen verstecken und Epilepsiekranke nicht mehr wegen Unwissenheit anderer vereinsamen.

Denn, gemeinsam sind wir stark – tun wir etwas für uns selbst – packen wir es an…

 

 

Ihre Anja D.-Zeipelt

 

 

*Dachhomepage –Unter der Adresse www.anfaelle.jimdo.com finden Sie die, sich noch in Arbeit befindende, Seite für Anfallskranke und Selbsthilfegruppen.

 

 

 

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Epilepsie und Herbstblues

er legt sich immer in den Wind: der Drachen
er legt sich immer in den Wind: der Drachen

Gerade im Herbst haben die meisten Menschen einen Stimmungsabfall und es fällt den meisten Menschen schwer sich wieder daraus zu befreien. Wer einen Job hat oder Kinder die einen zum aufstehen zwingen, dem gelingt es besser mit dem Jahreszeittypischen Phänomen fertig zu werden.

 

Wer aber, beispielsweise, unfreiwillig, durch eine Krankheit, kein „Muss und Zwang“ zum funktionieren hat, dem fällt das „Kopf hoch halten“ oft sehr viel schwerer. Die wohltuende Sonne versteckt sich hinter dichten Wolkendecken, die Temperaturen sinken und das Licht wird dunkler. Eine Biologische Zeit der Ruhephase beginnt, wenigstens in der Pflanzen- und Tierwelt. Bei uns Menschen ist das anders geworden. An den Tagesabläufen ändert sich nicht viel, außer , das die Tage immer kürzer werden an denen die Arbeit getan werden muss. Stunden die einem täglich fehlen.

 

Manche Menschen fangen an zu hetzen, andere erlauben sich schon mal den Gedanken an den Sinn und Zweck dieser ganzen Situation und sehnen sich nach einem Leben bei dem sie eine klare Aufgabe haben, die sie erfüllt und antreibt.

Gerade Epilepsiepatienten haben hier einen harten Pfad zu gehen, denn mit vermehrten Infekten, häufen sich manchmal auch Anfälle und die gedrückte Stimmung lässt einen viel zu viel nachdenken und auf Signale des Körpers achten, die man nicht gleich zuordnen kann. Dinge, über die man im Sommer, wenn die Sonnenstrahlen den Körper wärmen, einfach mit einer Handbewegung weg streicht, werden im Herbst plötzlich zu einem schwermütigen Gedanken der die Psyche belastet.

 

Speziell Epilepsiepatienten haben eine höhere Gefahr an Depressionen zu erkranken. Die erschwerten Lebensumstände, die eingeschränkten Freiheiten, das Tabu und das Gefühl nicht verstanden zu werden, führen manches Mal in ein dunkles Loch. Wichtig ist hier, den Anfängen zu wehren. Gehen Sie bei emotionalen Problemen zum Arzt. 

 

Haben Sie nur düstere Stimmungen, kann es wichtig sein diesen nicht nach zu geben. Auch ich falle ab- und zu in eine grüblerische Starre, die mich einzufangen droht. Im Sommer gehe ich dann einfach nach draußen und lasse mir die Sonne warm ins Gesicht scheinen oder den warmen Wind die dunklen Gedanken vertreiben. Im Herbst wird es schon schwieriger, denn die Sonne ist kaum mehr zu sehen und der Wind lässt uns nur noch frösteln.

Deswegen kommt auch bei mir schon einmal der November Blues durch und ich lasse mich einen Moment fallen. Doch spätestens nach einer Stunde zwinge ich mich dann wieder an etwas schönes zu denken. An eine schöne heiße Tasse Tee, an die Weihnachtsdekoration die ich bald aufhängen will und ob ich etwas Neues basteln könnte.

 

Brauchen Sie etwas mehr Abwechslung, dann scheuen Sie sich nicht danach zu fragen. Mit Nachbars Hund Gassi gehen zum Beispiel, Kekse backen für die Menschen im Altenheim, ein Bild malen, eine Geschichte schreiben, sich Geschenke ausdenken für die Menschen die wir lieben.

Das hilft nicht nur unserer Seele, sondern es erinnert auch daran das es so viele wichtige und schöne Dinge auf der Welt gibt. Und wenn Sie das alles aus Zeitnot nicht schaffen, das lassen Sie einfach einmal etwas liegen und entspannen Sie sich.Denn auch unsere Seele braucht Zeit um sich etwas Gutes zu tun, damit der Novemberblues nur eine normale herbstliche Stimmungsschwankung bleibt und vor dem längeren Herbstblues die wunderschöne Weihnachtszeit kommt.

 

Ich würde mich freuen zu hören was Sie gegen den Novemberblues tun…

 

Ihre Anja D.-Zeipelt

 

Anmerkung: Ein netter Leser hat mich darauf aufmerksam gemacht, das hier noch eine Unterscheidung fehlt.

Der Epilepsiepatient kann auch durch Medikamente Depressionen bekommen und es gibt auch depressive Phasen die im Anschluss an Anfälle auftreten (postiktale Phase). Diese gehören natürlich in die Behandlung eines Spezialisten, der gezielt helfen kann.

 

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Faschingszeit und Karneval - sich selbst mal nicht so ernst nehmen...

Eine fröhliche Faschingszeit wünscht Ihnen Ihre Anja D.-Zeipelt

 

 

 

Faschingszeit, muss ein Epileptiker darauf verzichten??

 

Die fünfte Jahreszeit ist für viele Menschen ein absolutes Muss. Egal ob gesund oder krank, hier wird mal so richtig auf den Putz gehauen. Und das finde ich richtig und gut, warum soll einem Epileptiker dieser Spaß verwehrt bleiben?

 

Einmal im Jahr kein stromlinienförmiges Verhalten, mal aus sich herausgehen und fünfe grade sein lassen. Das können ALLE, auch Epilepsiekranke!

 

Natürlich gibt es Miesepeter, die Fasching als Kinderei und Blödsinn betrachten. Aber solche Leute haben nur die „anständige“ eingetrichterte Lebensweise im Sinn und verpassen die schönen, fröhlichen und ausgelassenen Stunden in ihrem Leben. Warum soll eine überschäumende Fröhlichkeit denn falsch sein?

 

Auch ich feierte in in meiner Jugendzeit und darüber hinaus ausgiebig „Fasenacht“ (so heißt das im Heidelberger Raum). Obwohl ich generalisierte tonisch klonische Epilepsie habe, ließ ich mir es nicht nehmen, fröhlich, ausgelassen zu sein. Tanzen wie der “Lumpen am Stecken“ war für mich die hellste Freude. Allerdings hielt ich streng gewisse Regeln ein: Um 24-1 Uhr war eisern Schluss und Alkohol war auch tabu. Man kann lustig und fröhlich auch ohne Alkohol sein.                             

 

Ich hatte damals nie einen Anfall


Diese Zeit möchte ich nicht missen, denn es war eine wunderschöne Zeit. Alles links oder rechts liegenlassen, einfach sich verkleiden und fröhliche Menschen kennenlernen. Das ist es was mich antrieb. Manche in Meiner Familie hielten mich für übertrieben, übergeschnappt oder verrückt. Aber zur absoluten Lebensfreude gehört auch das dazu.

 

Dieses Jahr begann eine besonderes närrische Kampagne, denn das Startdatum lautete: 11.11.2011                          


 Da muss jeder Frohnatur das Herz aufgehen.

 

Ich wünsche allen, auch den Epileptikern eine fröhliche Faschingszeit. Haltet Euch an gewisse Regeln. Dann könnt ihr eine besondere Lebensqualität erleben.

In diesem Sinne allen ein närrisches: Helau, Alaaf, Ahoi, Narri – Narro und Hoorig, hoorig – isch dia Katz,

 

Euer in der 5-ten Jahreszeit närrischer

Dieter Schmidt

 

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Epileptiker sind Juristen, Fußballprofis, Popstars und Bundestagsabgeordnete

Fast alle Menschen bekommen bei der Diagnose „Epilepsie“ ein mulmiges Gefühl im Magen und spurlos geht sie an den wenigsten vorbei. Jedoch ist es bemerkenswert, wie unterschiedlich die Folgen dieser Diagnose für den einzelnen Menschen sind.

Steht ein Mensch mitten im Berufsleben einer großen Firma, wird die Diagnose oft überraschend gelassen hingenommen, die Arbeitsbedingungen den individuellen Bedürfnissen des Mitarbeiters angepasst und es geht weiter im Berufsalltag. In kleineren Firmen sieht das Ganze oft sehr viel schwieriger aus, da außer Unwissenheit und Vorbehalten gegenüber dieser unheimlichen Krankheit, auch die wirtschaftliche Angst des Unternehmers im Vordergrund steht. Oft fällt da ganz schnell der Hammer und man hat als neuer Epilepsiepatient auch noch berufliche und existenzielle Sorgen.

 

Wen wundert es da, dass sich die berufliche Situation auch auf die soziale Integration des Betroffenen auswirkt. Denn wer beruflich abgelehnt wird, verfällt auch oft privat in eine soziale Isolation – nicht selten in eine, durch Unsicherheit, selbst hervorgerufene.

 

Es ist in den meisten Fällen absolut unnötig einen Anfallspatienten zu entlassen, insbesondere wenn es sich um eine Epilepsie ohne andere Primärerkrankungen handelt. Natürlich gibt es Tätigkeiten, die unter gewissen Anfallsformen nicht ausgeübt werden sollten, jedoch neigen sowohl Arbeitgeber als auch Betroffene, oder sogar Ärzte oft noch zur Pauschalisierung. Erstere meist aus Unwissenheit oder wegen falscher oder ungenügender Informationen. Glücklicherweise kann man sich heutzutage dahingehend umfassend beraten lassen.

 

Denn, wem schadet es eigentlich, wenn die Sekretärin für einige wenige Sekunden abwesend wirkt, weil sie eine Absence hat? Der Arbeitszeitausfall eines Rauchers ist garantiert höher. Wenn die Friseurin ihren Anfall früh genug spürt, um ihre Handwerksutensilien aus der Hand zu legen und den, häufig nur 2 Minuten andauernden, einfach fokalen Anfall abwartet, wen stört das schon? Denn epileptischer Anfall ist nicht gleich epileptischer Anfall. Diese Beispiele hören sich komisch an? Das mag sein, sind sie aber tatsächlich nicht zwangsläufig.

Die meisten Anfälle verlaufen wesentlich unspektakulärer als einige TV-Serien und Filme vermitteln. Bei vielen Betroffenen kann der Alltag nach einem Anfall tatsächlich weiter gehen, doch das muss man wissen

 

Gemessen wird im Berufsleben aber anders. Epileptiker fallen krampfend und zuckend zu Boden, haben Schaum vor dem Mund und nässen ein – das ist das Bild, was der Großteil der Bevölkerung vor Augen hat, wenn sie an einen epileptischen Anfall denken. Diese sogenannten Grand Mals oder generalisierten Anfälle sehen zwar sehr beängstigend aus und die Patienten sind nach den durchschnittlichen 2 Minuten Anfallsdauer auch nicht wieder fit, trotzdem sollte man nicht vergessen, dass diese Anfallsform lange nicht die häufigste ist und auch dann nur gelegentlich auftritt. Bei einigen Patienten nur alle paar Monate oder Jahre und dann auch nur ausnahmsweise auf der Arbeit. Zwischen den Anfällen sind Menschen mit Epilepsie ganz normale, intelligente Menschen und wertvolle Mitarbeiter. Die meisten Betroffenen verschweigen ihre Epilepsie leider wegen der genannten Vorbehalte.

 

Wüsste die Öffentlichkeit mehr über Epileptiker wie Edison, Napoleon, Jeanne Darc, Michelangelo, Papst Pius, Alfred Nobel, Da Vinci ec. würden die Vorbehalte gegenüber Betroffenen vielleicht verschwinden. Sie regierten, kämpften, führten, erfanden und erschufen Werke, die die Zeit überdauern. Die Welt wäre ein Stück ärmer, hätte man Michelangelo oder Da Vinci die Aufträge entzogen, nur weil sie gelegentlich Anfälle hatten.

 

Heute ist das oft genauso und ich möchte nicht darüber nachdenken, welches Genie vielleicht an der Umsetzung einer weltverändernden Idee gehindert wird, weil man ihn für nicht in der Lage dazu sieht.

 

Eine absurde Vorstellung, allerdings ist es leider nicht abwegig. Nach der Veröffentlichung meines ersten Buches rief mich ein Bundestagsabgeordneter an. Er war heimlicher Epilepsiepatient. Dass ein Politiker mein satirisches Buch überhaupt las, verwunderte mich schon sehr. Dass er mich anrief konnte ich kaum glauben. Aber was er mir schilderte, erklärte Einiges.

 

Vor einigen Jahren musste ich einen Zeitungsartikel lesen, der mir schlicht die Zornesröte ins Gesicht trieb. In einer Tageszeitung stand in großen Lettern „Firma stellt Schwerstbehinderten ein“. Schon beim Lesen dieser Zeilen war mir klar, dass es sich bei diesem reißerischen Titel im Endeffekt nicht um eine gute Tat, sondern letztendlich um eine Darstellung handeln würde, die nur auf eins abzielt. Schlagzeile, egal um welchen Preis. Dass die Firma diesen jungen Mann einstellte ist ganz wunderbar. Dass der junge Mann nun ein neues Selbstbewusstsein hat, ist schlicht unersetzlich. Dass die Presse diesen jungen Mann aber mit einem Foto darstellt, wo er an die Decke schaut, als wäre er nicht ganz bei sich, ist schon sehr verwunderlich. Dass der junge Mann aber nicht nur mit einem höchst unvorteilhaften Foto, sondern auch noch mit dem Stempel „Schwerstbehinderter“ und „der Epileptiker“ beschrieben wird, war mir unerträglich.

Zum einen, weil es vorgaukelt, dass alle Epileptiker schwerstbehindert sind. Zum zweiten weil die Beschreibung des Artikels zu verstehen gibt, dass diese Beschäftigung nur unter größter Rücksichtnahme der Kollegen und Maßnahmen des Betriebes möglich sei. Was ist das denn bitte für eine Message?

Seither sehe ich ihn häufig bei der Erledigung seiner Arbeit und im Kreise seiner Kollegen und käme nicht im Entferntesten auf die Idee, dass er sich in irgendeiner Form von seinen Kollegen unterscheiden würde. Der damalige Bericht aber, in dieser Form geschrieben, trieb die Aufklärung über Epilepsie wieder zurück ins düstere Vergangenheit.

 

Ein Epilepsiepatient ist nicht automatisch schwerstbehindert oder hat gar eine verminderte Intelligenz. Epileptiker sind Juristen, Fußballprofis und Popstars, Bundestagsabgeordnete und Firmeninhaber, Rekordhalter und Erfolgssportler, kreativ, sozial und ganz normale Menschen, denen man weder ansieht noch anmerkt, dass sie eine Krankheit haben. Eine Erkrankung, die nur phasenweise zuschlägt. Bei manchen öfter, bei anderen nur alle paar Jahre einmal.

Oder anders ausgedrückt, Epilepsiepatienten sind genauso vielfältig, individuell und besonders wie jeder andere Mensch auch.

 

Bevor wir Menschen Behinderte in eine Schublade stecken, sollten wir bedenken, dass der nächste Epileptiker, der vor uns steht, unser Leben verändern könnte. Sei es durch eine bahnbrechende Erfindung, durch einen Richterspruch, eine gute Tat oder einfach weil es ihn gibt.

 

In diesem Sinne

 

Eure Anja

 

 

 

 

 

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Aufklärung tut Not

Am jüngst zurück liegen den Tag der Epilepsie gab es bundesweit zahlreiche Veranstaltungen zum Thema und es ist gleichermaßen erschreckend (aufgrund der Notwendigkeit), wie erfreulich (bezüglich der wachsenden Offenheit), wie viele Menschen doch die Gelegenheit zur Information nutzten.

Von kleinen Veranstaltungen bis zu großen Aktionen ergriffen die Menschen die Gelegenheit zur Weiterbildung und zum Outing. Eine Entwicklung die jedes Jahr besser wird. Natürlich liegt die Besucherzahl überwiegend am Angebot der Veranstalter und deren Werbung, jedoch wagten sich noch vor wenigen Jahren sehr viel weniger Besucher zu öffentlichen Veranstaltungen und auch das Interesse Nicht Betroffener war geringer.

Das liegt unter anderem an der immer besser werdenden Aufklärung der Menschen aber auch an der immer mehr bekämpften Tabuisierung von Epilepsie. Wenn ich die Aktion heraus picke an der ich am Tag der Epilepsie teil genommen habe, wird deutlich, dass auch große Zeitungen wie Bild.de oder große Tagesblätter auf solche Veranstaltungen umfassend hinweisen. Obwohl der Tag der Epilepsie viele Gelegenheiten bot, sich auf Veranstaltungen zum Thema zu informieren, wurde die Aktion „Hörertelefon“ so stark genutzt, dass im Sekundentakt die Anrufe eingingen. Ein gutes Beispiel für den Bedarf an Aufklärung. Genauso beeindruckte mich, das nicht nur Betroffene anriefen, sondern auch Mitmenschen, die bereits Zeuge eines Anfalls waren oder Musiker, die wissen wollten wie ihre Lichtanlage auf Epilepsiekranke wirken kann. Ein Zeichen dafür, dass die Offenheit und Akzeptanz gegenüber Epilepsiepatienten wächst...

Indirekt negativ zu bemerken war die häufige Skepsis der Patienten gegenüber ihrer Ärzte. Diesbezüglich kamen sehr viel mehr Fragen als ich erwartet hätte. Da fragt man sich unweigerlich woran das liegen mag. Liegt es an der mangelnden Erklärungsbereitschaft der Ärzte oder schlicht am Zeitmangel, dem die Ärzte viel zu oft ausgesetzt sind. Die Folge sind unbeantwortete Fragen und Unsicherheiten auf Seiten der Patienten. Hier wäre die Politik aufgefordert den Ärzten zeitliche Erleichterung zu verschaffen, die sie für ihre Patienten nutzen könnten.

Wie in vielen Lebenslagen wäre hier aber auch die Eigeninitiative der Betroffenen nützlich. Informationen in Selbsthilfegruppen, im Internet und in Büchern könnten viele Unsicherheiten nehmen und mehr Verständnis schaffen. Um meinen eigenen Beitrag hierzu zu leisten, werde ich weiterhin wöchentlich einen kleinen Denkanstoß in meinem Epilepsieblog geben. Obwohl der Blog über tausend Zugriffe pro Monat hat, wagen sich nur ganz wenige mit zu diskutieren. Hier wäre ein nächster Schritt die aktive Teilnahme an Blogunterhaltungen. Sie sind anonym und könnten zu einer weiteren Aufklärung beitragen.

Jede Stimme ist wichtig um die Tabuisierung der Epilepsie zu durchbrechen, ich freue mich auf Ihre!!!

 

Eine mutige Zeit wünscht Ihnen Ihre

 

Anja Daniel-Zeipelt

 

Zu einigen Fragen der Telefonaktion gelangen Sie hier

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Loslassen oder vermehrt behüten bei Kinder mit Epilepsie

Da ich momentan an einem Layout für eine Dachhomepage für SHs arbeite, möchte ich mich ganz herzlich bei Dieter Schmidt bedanken, das er mir vorab schon einige Blogartikel geschickt hat, damit hier keine Lücke entsteht und jede Woche ein neuer Blog veröffentlicht werden kann. Vielen Dank also an Dieter Schmidt, der nun auch für die neue Homepage fleißig recherchiert und schreibt.

 

Loslassen oder vermehrt behüten bei Kinder mit Epilepsie

 

Mein Kind hat Epilepsie, da fragt sich doch jede Mutter/jeder Vater, kann unser Kind jemals selbstständig leben? Ich würde ja sagen, denn 70% aller Epileptiker sind durch gute Einstellung der Medikamente anfallsfrei.

Es ist aber gerade für Kinder und Jugendliche oft ein Problem, sich an ganz wichtige Regeln zu halten. Diese Regeln heißen nun mal regelmäßige Tabletteneinnahme und regelmäßiger Schlaf.   Diese Regeln den Kindern verständlich zu machen, ist sehr oft eine große Geduldsarbeit. Dass aber zur nötigen Hilfe auch viel Mut zu einer gewissen Distanz und Selbstständigkeit gehört, möchten viele Eltern am liebsten ignorieren.                                                                                        

Ich habe auch schon viele Eltern erlebt, die verzweifelt um Rat fragten. Diese Eltern, so finde ich, hatten den Mut zur Frage der möglichen Unterstützung für ihr Kind. Viele halten ihr Kind auch schlicht für unfähig, sich allein beweisen zu können. Andere wiederum haben übergroße Angst, dass etwas Schlimmes passieren könnte. Es kann immer etwas passieren, egal ob krank oder gesund. Hier sind die Unterschiede bei einem Unfall sehr unbedeutend. Man darf nie vergessen, dass das Kind bis zum 18-ten Lebensjahr und oft darüber hinaus, viele Hürden zu bewältigen hat. Kindergarten, Schule, Fortbildung, Studium. Und dazwischen kommt noch die Pubertät. Vertrauen schaffen, indem man ihnen gewisse Eigenständigkeit nicht nur erlaubt sondern auch zutraut, wäre ein wichtiger Schritt.     

                                           

Junge Menschen mit Epilepsie: Eine pädagogische Zusatzherausforderung für Eltern und Lehrer


Nicht wahrhaben wollen. Völlige Unvernunft und Uneinsichtigkeit herrscht bei vielen jugendlichen Epileptikern. >> Ihr könnt mir doch nicht alles vorschreiben, das ist mein Leben<<. Und dabei wird oft die Tabletteneinnahme und der Schlaf ignoriert. Man will gar nicht krank sein, man will mit den Freunden zusammen sein und auch mal ein Bier trinken. Die Jugendlichen die so ihr Leben planen, haben später ernsthafte gesundheitliche Probleme und erreichen auch nicht diese Freiheit, die sie gerne hätten. Was sie damit erreichen ist, dass Eltern, Lehrer, und Ärzte - eben alle, die sich verantwortlich fühlen - mit Warnungen und Drohungen hinter ihnen her laufen... und nicht ihr Ziel erreichen, sondern nur mehr trotzige Abwehr hervorrufen.

Es ist gar nicht leicht, zusehen zu müssen, wie sie sich ihren eigenen Weg zum Erwachsenwerden suchen. Die gut gemeinten Ratschläge von den Eltern und Ärzten werden in den Wind geschlagen. Und man muss befürchten, dass sie aufgrund der Anfallserkrankung ohnehin geringeren beruflichen Chancen, ihre mögliche Zukunft verbauen oder sogar ernstliche gesundheitliche Schäden davontragen. Trotzdem erscheint mir dieser Versuch eines "eigenen Weges" natürlicher als das andere Extrem:

 

Es gibt auch junge Epileptiker die übervorsichtig sind: Meine Tabletten muss ich immer ganz pünktlich nehmen. Wird’s mal 5 Minuten später, dann droht eine Katastrophe. Ich brauche 10 Stunden Schlaf - und sind die Leute in meiner Umgebung ab 20.30 Uhr nicht ruhig, dann sind sie schuld daran, wenn ich Anfälle bekomme. In die Disco, Kino? oder alleine mit Bus, Bahn fahren? Kaffee, Cola oder gar mal ein Bier trinken? Sport, körperliche oder geistige An-strengung, jegliche Art von Stress...? Das ist für mich gestrichen und wer anderer Meinung ist, der hat von Epilepsie keine Ahnung oder will mich nur quälen. Ziehen wir da nicht kleine Egoisten groß?

Das sind Extrembeispiele, die ich hier beschrieben habe. Sie sollen verdeutlichen, worum es bei dem Thema "loslassen, überbehüten" geht. Neben all den Dingen, die ein gesunder Jugendlicher in dieser Zeit zu bewältigen hat, müssen auch die von Epilepsie betroffenen jungen Menschen den angemessenen Platz im Leben finden.


Es macht den Eindruck, als würde jeder Versuch, einmal etwas Neues auszuprobieren, solche Angst auslösen, dass diese jungen Leute lieber alle Einschränkungen ertragen. Oder sollten sie etwa einen Gewinn aus ihrer Rolle des kranken, ständiger Rücksichtnahme bedürftigen Menschen ziehen? Kann ein junger Mensch einen derart starren Rahmen so zu seinem Eigen machen, dass er gar nichts anderes mehr will? Er lässt sich Medikamente richten und von den Eltern verwöhnen. Das ist ein sicherer Weg in die Unselbstständigkeit! Wir fühlen uns gefordert, diesen jungen Leuten das "richtige Leben" zu zeigen - je nach Beruf sind wir dazu sogar verpflichtet, denn mit dieser Einstellung wird ihnen eine Integration in das Berufsleben oder ein eigenständiges Leben ohne die ständige Hilfe Dritter kaum gelingen. Dabei ist es aus unserer Sicht ganz wichtig, die Anfallserkrankung nicht in den Mittelpunkt des Lebens zu stellen - denn sie würde dort so viel Raum einnehmen, dass für anderes kein Platz bleibt. Die Epilepsie soll und kann aber auch nicht einfach aus dem Leben "gestrichen" werden. Sie ist vorhanden und verlangt Beachtung ebenso wie eine Sehschwäche, ein zu kurz geratenes Bein oder eine außergewöhnliche Schuhgröße.                                                                  

Anders als oft angenommen, bedeutet dies nicht besondere Rücksichtnahme, nicht spezielle Schonräume und auch nicht die Ausstattung mit bestimmten Schutzmaßnahmen oder das Einüben von Verhaltensregeln. Es bedeutet Gefahren und Risiken sachlich mit Eltern, Lehrern und Vorgesetzten zu besprechen und zu erklären, andererseits aber Raum für Experimente und neue Erfahrungen zu geben und diese mit zu tragen. Ein gewisses Risiko darf ruhig dabei sein, wenn alle Beteiligten sich dessen bewusst sind. Den eigenen Erfahrungsspielraum erweitern, die tatsächlichen Grenzen und Fähigkeiten kennenzulernen. Das kann man nur, wenn man versucht (vermeintliche) Grenzen zu überschreiten. Das gilt für junge Menschen mit Epilepsie genauso wie für gesunde Jugendliche. (Quelle: Dr. H.Elsner)


Ich wünsche Euch viel Kraft und Mut das bestmögliche für Eure Kinder zu machen. In diesem Sinne, alles Gute

 

                                                                            Ihr Dieter Schmidt

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Der Anfallskalender, wichtig oder einfach nur lästig?

Ein Anfallskalender kann auch erfreulich sein, wenn man die Besserung schwarz auf weiß sieht...
Ein Anfallskalender kann auch erfreulich sein, wenn man die Besserung schwarz auf weiß sieht...

Gerade wer eine neue Krankheit oder einen neuen Krankheitsschub hat, kommt an die Grenzen dessen was er einordnen kann. Oft gibt es Symptome die man als Laie nicht in Zusammenhang bringen würde, die ein Arzt aber ganz anders deutet und umgekehrt. Speziell bei Epilepsie ist die genauste Aufzeichnung, auch Anfallskalender genannt, unglaublich wichtig für die richtige Diagnose und Behandlungsstrategie. Deswegen ist jedem Patienten, der nicht gerade anfallsfrei ist, eine Führung solcher Aufzeichnungen wärmstens ans Herz gelegt, da Epilepsie sich oft herkömmlichen Methoden zur Diagnostik entzieht. Dasselbe gilt für die Umdosierung der Medikamente. Da Antiepileptika mitunter ungewöhnliche Nebenwirkungen haben können, ist es wichtig zu unterscheiden ob die Missempfindungen mit den Medikamenten, einem Anfallsgeschehen oder einer anderen Problematik zu tun hat. Nicht selten haben gerade Epilepsiepatienten auch mit psychischen Erscheinungen zu tun, die nicht als solche wahr genommen werden. Aus diesem Grund kann der eigenverantwortliche Patient in erforderlichen Situationen einen Anfallskalender führen.

 

Ich selbst habe wegen Allergien und Unverträglichkeiten schon oft mein Medikament wechseln müssen und habe dabei festgestellt, dass die meisten vorgedruckten Anfallskalender viel zu schwammig und grob erscheinen, da dort kein Platz für außergewöhnliche Erlebnisse, wie z.B. anfallsauslösende Ereignisse oder Missempfindungen ist. Aus diesem Grund habe ich mir angewöhnt meinen Tageskalender in einer Datei auf meinem PC zu führen. So ist ausreichend Platz und ich kann schlussendlich Parallelen heraus filtern oder auch Dinge wieder streichen, die offensichtlich „unschuldig“ an meinem Problem sind. Gerade in den Anfangszeiten meiner Epilepsie, half mir dieses Vorgehen Anfallsauslöser heraus zu finden oder auch zu streichen.

 

Das Problem hierbei ist die genaue Eigenbeobachtung. Man entdeckt so Manches was einem ansonsten nicht aufgefallen wäre. Es wird beinahe unmöglich ein Zipperlein zu übersehen. Auch Kleinigkeiten, die jeden gesunden Menschen genauso plagen wie uns Epileptiker. Anfangs war das auch alles sehr nützlich. Ich hatte genaustens Buch geführt über Tagesverlauf, Stress, welche Art von Stress, Missempfindungen und den Verlauf eines Anfalls und dessen Vorboten. Allerdings hatte ich einen entscheidenden Vorteil, wie ich heute erkenne. Erstens hatte ich mehrere Anfälle pro Tag und Zweitens dauerten einige Anfälle beinahe eine Stunde. Das gab auch meinem Mann die Möglichkeit und Zeit meine Anfälle zu beschreiben, und anhand dieser Beschreibungen kristallisierte sich heraus, dass ich sowohl epileptische als auch dissoziative Anfälle hatte. Ich selbst hätte es nicht beschreiben können, da ich bei den dissoziativen Anfällen umdämmert war. Das ist auch der Grund, warum eine Fremdbeobachtung so nützlich ist. Ein Außenstehender kann genau auf die Uhr schauen oder sehen, ob die Augen offen oder geschlossen sind. Dinge, die viele Epilepsiepatienten nicht wahrnehmen können. Ein weiterer Aspekt, einen lieben Angehörigen zu einem Beobachter zu machen, ist die Tatsache, dass dieser Angehörige zeitnah aufzeichnen kann. Ich selbst war nach einem Anfall viel zu erschöpft und hatte auch zu starken Muskelkater im Bauch, als das ich mich dazu hätte aufraffen können. Klar, nach 45 Minuten Situps ;-) Mein Mann schrieb aber sofort mit und vergaß dabei auch nichts Wichtiges.

 

Der Nachteil an dieser Kalendermethode ist die Dauerbeobachtung in der man sich Selbst befindet und in der man sich auch von den Angehörigen zu glauben scheint. Trotzdem waren diese Aufzeichnungen wichtig für mich, denn sie sorgten für die richtige Behandlung. Und damit auch für Hilfe. Die genaue Abklärung erfolgte zwar in der Epilepsieklinik, aber meine Beobachtungen hatten meinen Arzt zu dem ersten Verdacht gebracht. So bin ich von damals täglichen, langen und schmerzhaften Krämpfen meines gesamten Oberkörpers, bis zu heute nur noch seltenen zweiminütigen Krämpfen meines Armes gekommen. Ein großer Erfolg für meinen Verlauf.

 

Nun beobachte ich täglich Menschen, die sich auch genauestens beobachten, dabei aber alles, wirklich alles, auf die Epilepsie zurück führen. Sie beobachten sich zwar Selbst, aber sie nehmen sich subjektiv wahr. Hier wäre die Aufzeichnung eines Tagebuchs wirklich sinnvoll. Da sie sich sowieso selbst im Fokus haben, wäre es nur noch ein kleiner Schritt diese Beobachtungen auch aufzuschreiben. In einer Tabellenähnlichen Form verfällt man nicht in die Methodik sein ganzes Seelenleben niederzuschreiben und kann sehr schnell Parallelen erkennen und passend zuordnen. Detailliertes Aufschreiben von Gefühlen kann man bei Bedarf auch zusätzlich in einer separaten Datei anlegen, denn Schreiben hilft!

Die Tabelle aber soll nur dazu dienen sich Selbst und dem Arzt einen Überblick zu geben. Auch wenn diese Selbstreflektion lästig ist, wird man doch schnell feststellen, dass viele Dinge, vor denen man bisher vielleicht Angst hatte, keinen Anlass dazu geben. Man hat ihnen aus Übervorsicht zu viel Raum gegeben und kann sich nun, wo man es besser weiß, freier fühlen. Und man gibt dem Arzt neue Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Behandlung.

 

Aus diesem Grund ist ein Anfallskalender sicher erst einmal lästig und wie ein stiller Beobachter. Wenn man ihn aber konsequent bearbeitet, werden sich bald die ersten Ergebnisse zeigen. Am Ende kennt man seine Epilepsie genau, kann sich besser einschätzen und kennt die Gefahren, die für einen persönlich im Anfallsgeschehen relevant sind oder einfach nur eine persönliche Spukgeschichte waren.

 

Ich wünsche allen eine objektive Selbstwahrnehmung und schnelle Erfolge bei ihrer Epilepsiebehandlung.

 

Ihre Anja D. Zeipelt

Mein Anfallskalender

Ich möchte Ihnen hier gerne meinen Anfallskalender zum Download anbieten. Er hat mir große Dienste erwiesen und vielleicht ist er auch für Sie interessant. Sie finden ihn auch (mit Vorschau) auf dieser Seite.

Download
ein detaillierter Anfallskalender
Der Kalender kann mit einem Excel Programm bearbeitet und ausgefüllt werden.
Anfallskalender.xls
Microsoft Excel Tabelle 26.0 KB
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Epilepsie in Krisensituationen

Jeder Epilepsiekranke kennt die Gefahren- oder Verbotslisten, die Verbote und vermeintlichen Gefahren, welche uns verunsichern und ängstigen. Ganz oben auf dieser Liste steht negativer Stress. Überrascht uns negativer Stress, schlummert schon tief in uns die unterschwellige Angst vor dem „Rache“ Anfall, der unweigerlich kommen muss. Glauben wir zumindest.

 

Tatsächlich es so, dass ein Streit, eine selbst organisierte, stressige Party, Ärger und Wut oder schlicht die Angst vor dem nächsten Anfall uns tatsächlich oft von den Beinen reißt. Bei manchen geschieht das unmittelbar nach Auftreten der ersten Anzeichen, bei anderen erst wenn der Stress wieder nachlässt und Ruhe einkehrt. Ob wir in diesen Momenten von „echten“ epileptischen Anfällen oder, wie es einigen von uns zusätzlich geht, von psychogenen (dissoziativen) Anfällen heimgesucht werden, spielt letztlich keine große Rolle. Der Anfall ist da und im schlimmsten Fall endet mit ihm eine lange anfallsfreie Zeit.

 

Mit genau solchen Anfällen rechne ich seit zwei Wochen. Zuerst türmte sich privates unbekanntes Land vor mir und ich hatte keine Ahnung wie ich damit fertig werden sollte. Dazu war ich, bei einer Städtereise, akutem Schlafmangel, Stress und zwischendurch auch einem Streit ausgesetzt. Tagelang hatte ich Schwierigkeiten beim Schreiben oder bei den einfachsten Aktivitäten. Noch bevor ich erholt war, kam meine Tochter als Notfall in die Klinik und die Befürchtungen der Ärzte hörten sich für mich mehr als bedrohlich an. Erneut hatte ich Schlafmangel, Sorgen und nackte Angst. Aber eins fehlte bei all diesen negativen Erfahrungen. Zeit, um mir Sorgen um mich selbst zu machen. In Hamburg (der Städtereise) könnte ich den ausbleibenden Anfall noch auf die Valium schieben, die ich vorsorglich genommen hatte um mich wieder zu beruhigen. Eine absolute Ausnahmesituation, möchte ich betonen. Aber im Fall meiner Tochter hatte ich das nicht getan. Zum einen weil ich erst Tage zuvor eine geschluckt hatte, zum anderen weil ich hellwach sein wollte, wenn etwas passierte. So stand ich tagelang unter Strom und hatte keine Zeit mir Gedanken über mich oder eventuelle Anfälle zu machen. Meine Gedanken waren einzig und alleine bei meinem Kind.

 

„Was, wie und woher“ waren die einzigen Fragen die mich beschäftigten. Das und natürlich die für uns Epileptiker manchmal unvermeidliche Frage „wie komme ich ohne Auto in die Klinik?“ Denn ich wollte bei ihr sein, selbst wenn ihr Freund auf ihrem Bett saß und ihre Hand hielt, war ich ihre Mutter und meine einzige Sorge galt ihr. Kurz, auch wenn zwischenzeitlich die eiserne Zange meinen Nacken umspannte, auch wenn ich nur mit Mühe die Tränen unterdrücken konnte und auch wenn ich vor lauter Schlafmangel kurz vor dem Umfallen stand, hatte ich keinen Gedanken an einen Anfall verschwendet. Die einzigen Gedanken waren mit der jungen Frau beschäftigt, die meinen Kopf voll und ganz in Anspruch nahmen.

 

Als sie dann entlassen wurde, schliefen wir alle zuerst kleine Ewigkeiten und versuchten uns mit der Situation zu arrangieren. Mir war zwar klar, dass ich jetzt mit einem Anfall rechnen musste aber ich hatte weder die Lust noch die Kraft mich mit dem Gedanken auseinander zu setzen. Sollte er doch kommen, wenn er unbedingt will – ich hatte jetzt andere Sorgen. Und so verrückt das klingen mag, ich habe zwar gefühlt Literweise Tränen vergossen aber der Anfall war immer noch nicht da. Was mich an einen Satz aus meinem ersten Buch erinnert „alles Kopfsache oder was?“

 

Als ich mein erstes Buch schrieb hatte ich so gut wie keine Ahnung von Epilepsie und kam durch reine Selbstbeobachtung auf diese Theorie. Jetzt habe ich zwar relativ viel Ahnung von Epilepsie aber keine Ahnung von meinem eigenen Körper, wie oben genannte Beispiele eindrucksvoll beweisen. Bis vor kurzem dachte ich noch genau über meine Epilepsie Bescheid zu wissen und jetzt bin ich schlicht überrascht.

Geht es Ihnen manchmal genauso? Schreiben Sie Ihre Erlebnisse in diesen Blog, ich würde mich freuen.

 

Einen klaren Kopf und anfallsfreie Zeit wünscht Ihnen

 

Ihre Anja D. Zeipelt

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Ein Wunder namens Lachen (Humor Teil II)

Das Wunder namens Lachen

Stellen Sie sich ein kleines Baby vor. Es sitzt breitbeinig vor Ihnen auf dem Boden, stolz, weil es zum ersten Mal nicht umfällt und strahlt Sie an. Die Pausbacken glänzen von Babycreme, die Haare stehen zerzaust vom Kopf und zwischen dem strahlenden Lächeln blinzelt ein einziger Zahn hervor. Das Glitzern in seinen großen unschuldigen Augen löst etwas aus, gegen das man sich nicht wehren kann und man lächelt zurück. Es liegt ein Zauber in diesem einen kleinen Moment.

Jetzt sitzen Sie in einem Restaurant und am Nachbartisch bekommt ein Fremder einen Lachkrampf. Unweigerlich müssen Sie mit lachen. Das Lachen steckt an weil es so ehrlich, so pur und rein ist. So voller Lebensfreude. Es öffnet das Herz!

Auf der Straße sehen Sie einen einsamen Menschen und schenken ihm ein warmes Lächeln. Er wird überrascht sein und sich freuen, aber am meisten schenken Sie dem Menschen für einen kleinen Moment ein Stück vom Glück.

Zauber, Freude, Glück und so vieles mehr macht ein Lachen aus. Aber was passiert in diesem Moment in unserem Innersten? Es wird uns warm ums Herz. Unsere Schmerzen scheinen für den Moment vergessen und die Zeit könnte still stehen so schön ist dieser Augenblick. Manches Lachen hallt noch Stunden nach. Da wir aber nicht immer ein einzahniges Baby, einen Lachkrampf geschüttelten Menschen oder einen einsamen Fremden zur Verfügung haben, hat die Natur den Humor erfunden.

Es ist wie mit dem Glas Wasser: Ist es halb voll oder halb leer? Zwei Sichtweisen für dieselbe Sache und man kann Selbst entscheiden welche einem lieber ist. Ich tendiere zu dem halb vollen Glas. Wenn wir in gemütlicher Runde beisammen sitzen und uns Witze erzählen, dann habe ich noch ein Lächeln im Gesicht wenn ich ins Bett gehe. Ich bin total entspannt und es geht mir gut, obwohl ich vielleicht vorher mit krampfartigen Bauchschmerzen das Haus verlassen habe.

Humor ist wenn man trotzdem lacht. So oder so ähnlich heißt es in einem alten Sprichwort. Auch in Momenten wo das Leben kein Zuckerbrot serviert. Nicht weil wir gefühllos wären, sondern weil es wohl kaum einen Menschen gibt der keine Sorgen hat und er in diesem Moment vielleicht einfach einmal fröhlich sein will. Und das wird ihm in dieser Situation garantiert besser bekommen als Gespräche von der Leidensfront .

Wenn wir bei einer Gelegenheit, die Möglichkeit haben über unser Problem Epilepsie zu reden, sollten wir uns gut überlegen wie der andere sich gerade fühlt. Viele unverständliche Reaktionen hängen auch davon ab wie es dem Zuhörer Selbst gerade geht. Hat er vielleicht selbst Druck? Oder Angst vor der Epilepsie, weil er nichts darüber weiß? Welche Reaktionen lösen welche Sätze bei ihm aus? Wie verunsichert bin ich denn Selbst in einer für mich ungewohnten Situation? Für uns alle sehr schwere Momente, die wir aber alle kennen sind z.B. Beerdigungen in der Familie von Freunden oder Bekannten. Wie viel leichter ist es doch wenn man den Trauernden die Hand reicht und sie einem ein leises Lächeln zu werfen. Das ist kein fröhliches Lächeln, sondern ein ermutigendes Lächeln. Ein Lächeln das auch sagen könnte „Es ist so furchtbar schwer für uns aber wir schaffen das“. Ich habe das in den letzten Jahren tatsächlich öfter erlebt, einmal sogar bei einer Mutter die ihren Sohn verloren hat. Ein Lächeln unter Tränen die an das Kind erinnerten, forderte mich ohne ein Wort auf, die Unsicherheit abzulegen. So ein verzweifeltes Lächeln nimmt einem die Sprachlosigkeit, das Hilflose und baut Brücken zu Andern. Der Bann ist gebrochen, man traut sich weiter auf die Menschen zu zu gehen und kann ihnen besser helfen.

Die Situationen sind eigentlich nicht vergleichbar, trotzdem spiegeln sie die wieder, was werden kann wenn man ein kleines bisschen auf die Menschen zugeht. Es ist nur ein winziger Schritt für die Einen, ein ganz großer für Andere aber in jedem Fall erlernbar und lohnenswert. Manche Menschen mit Epilepsie sind der Meinung dass sie gemieden werden oder sogar ausgelacht. Das kann richtig oder auch falsch sein, jedoch hat das Meiden sicher nicht den Grund der Epilepsie, sonst würden alle Epileptiker gemieden. Und das ist ganz und gar nicht der Fall! Wenn man gemieden wird kann das Zweierlei sein: Unsicherheit durch Unwissenheit der Außenstehenden oder schlicht oben genanntes eigenes Verhalten dass die Menschen verscheucht, also die unverhältnismäßige Leidensmiene und das Jammern. In letzterem Fall ist es egal ob es sich um Epilepsie oder einen Schnupfen handelt, das lösen wir ganz alleine durch unser Verhalten aus. Aber auch gegen die Unsicherheit können wir etwas tun.*

Wenn Menschen lachen passiert das auch oft aus Unsicherheit und manchmal ist ein vermeintliches Auslachen auch ein Miteinander lachen. Ich persönlich kann über mich sehr gut lachen. Alleine oder gemeinsam mit anderen Menschen, über meine Epilepsie oder deren Begleiterscheinungen. Und uns allen tut das unglaublich gut. Ein Lachen ist wie ein Sonnenstrahl der unser Herz erwärmt. Auch und besonders in schweren Zeiten.

Für mich, meine Familie und Freunde ist Humor die beste Medizin und die Brücke die uns miteinander verbindet und zusammen führt. Ich bin mir sicher, das ich ohne diesen Humor und die Fähigkeit mich nicht ganz so ernst zu nehmen, viele Menschen verloren hätte. Aber nicht wegen der Epilepsie, sondern wegen meines Verhaltens. Da ich aber keinen einzigen wichtigen Menschen wegen meiner Anfälle verloren habe ist Humor wohl nicht nur körperliche sondern auch seelische Medizin und ganz nebenbei wohl auch das einzige Heilmittel das keine Nebenwirkungen hat.

In diesem Sinne: Heute schon gelacht???    

Ihre Anja D.-Zeipelt 

 

*(siehe meinen Artikel „Outing“ http://www.epi-on-board.de/eigene-publikationen-in-zeitschriften)

 

Und hier noch eine Zugabe von meinem Gastschreiber Dieter Schmidt:

 

Humor und Freude ist nötig, besonders bei Epileptikern


Der Mensch, egal ob krank oder gesund, neigt zum Pessimismus.

„Der da vorne bekommt immer das bessere, das größere, das meiste – ich bin nicht so gut, bin auch kleiner und habe auch weniger“

Man kann auch sagen – „Der da vorne ist gesund, glücklich und reich. Ich bin krank, unglücklich und arm“.

Ist wirklich so? 

 

Fehlt hier vielleicht eine Portion Selbstbewusstsein? Neigen wir nicht gar zu leicht zum Jammern und zu Selbstmitleid?     Stellt Euch vor, der Andere hat plötzlich nichts mehr, weil er bestohlen wurde.

 

Wie reagieren wir?  Mit Genugtuung? Oder gar mit Freude? Sind wir wirklich realistisch? Kann es sein, dass wir zu sehr egoistisch sind?

Wir dürfen solche Vergleiche nicht machen!      Der Reiche wie der Arme sind am Sterbebett haargenau gleich dran, der eine wie der andere kann nichts mitnehmen.


Hier wäre Demut, Rücksicht, Freude und vor allem Humor das Mittel zum sozialen Frieden. Es schreibt sich so leicht, ist aber so schwer umzusetzen. Kann es sein, dass wir nicht mehr fähig zum Lachen sind?

Lachen ist kinderleicht, man meint das braucht man nicht mehr. Man ist ja schließlich erwachsen geworden. Was für eine Fehleinschätzung, Lachen ist die Grundnahrung unseres Gemütszustandes.

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Lachen - trotz und gerade mit Epilepsie - .                                                                          

 «Humor verhindert, dass uns der Kragen platzt». «Lächeln ist das Kleingeld des Glücks», meinte Heinz Rühmann sehr weise. Denn ein Lächeln oder ein herzhaftes Lachen entspannen einen kritischen Moment oder eine peinliche Situation und schaffen eine neue Nähe zwischen jenen, bei denen das Lachen aufkam. Darauf kann man auch zukünftig bauen.

Humor und Lachen sind eigentlich für alle Menschen unverzichtbar. Beides erleichtert manch gespannte Situation im Beruf und im gestressten Alltag. Dies gilt sowohl in gesunden als auch kranken Tagen, und auch vom Kind bis zum Greis.


Humor ist eine nette Form, Einsichten weiterzugeben. Anonym


Was aber ist Humor? Hat nur Humor, wer gut Witze erzählen kann? Kann man Humor überhaupt lernen? Und wenn ja, wie können Humor und Lachen in der Familie gefördert werden? Wirf mal einen kurzen Blick hinter die Kulissen des Phänomens Humor.


Einige Anregungen:

Zunächst sehen wir in einem Beispiel, wie Humor im Leben einer hochbetagten Epileptikerin noch immer einen sehr wichtigen Platz einnimmt: Diese Frau, nun 80-jährig, ging, als Sie noch keine Epilepsie hatte, immer gerne ins Cabaret, in den Zirkus oder an andere Orte, wo es etwas zu lachen gibt. Aus gesundheitlichen Gründen kommt sie nun seit einigen Jahren nicht mehr gut aus dem Haus heraus. Anstatt über diesen Verlust zu jammern, kaufte sie sich ein leeres Buch. Darin können nun ihre Besucher allerlei Heiteres aufschreiben, einkleben oder zeichnen. Insbesondere eine Nichte schreibt regelmäßig eine lustige Anekdote auf. So gibt es nicht nur Gesprächsstoff während des Besuchs, sondern die alte Dame schafft sich zuhause eine Art heitere Privatbühne. Dieses Beispiel zeigt, dass Humor trotz und mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen aktiv wach gehalten werden kann.


Humor ist die Lust zu lachen, wenn einem zum Heulen ist. Werner Finck

Dies fällt einer betagten Frohnatur bedeutend leichter als einer durch Schwermut und Griesgram gezeichneten alten Person. Wenige Menschen sind jedoch immer und ausschließlich griesgrämig. Manchmal können einige Fragen weiterhelfen, um dem Humor auf die Spur zu kommen.


Humor ist der Versuch, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Ernst Kreuder 

Diese Fragen können sowohl Angehörige als auch das Fach-Personal im Krankenhaus stellen:

Welche Streiche habt ihr früher am 1. April gemacht?

Welche Streiche habt ihr in der Schule mit dem Lehrer gespielt?

Gibt es einen Komiker oder Kabarettisten, den du besonders gerne magst? Was gefällt dir an ihm/ihr?

Worüber kannst du lachen oder schmunzeln?

Die Antworten zu diesen Fragen geben Hinweise über den Humorstil und Humorvorlieben. Mitunter entstehen daraus konkrete Vorschläge, wie Humor aktiv in den Alltag integriert werden kann:

Sollen wir wieder einmal ein altes Fotoalbum anschauen?


Ich habe den Film «Komiker» mit Oliver Hardy und Stan Laurel gesehen. Er handelt von Humor eines US-amerikanischen Duos auch unter den Bezeichnungen Dick und Doof oder Stan & Ollie bekannt. Manchmal ging es auch ziemlich deftig zu und her. Willst Du das Video einmal zusammen mit uns ansehen?


Humor ist der Schwimmgürtel auf dem Strom des Lebens. Wilhelm Raabe 

• Wenn du Erich Kästner magst, bringe ich dir ein Buch von ihm mit und lese dir daraus vor.

Humor im Alltag zu leben, heißt also längst nicht nur Witze erzählen. Vielmehr ist Humor eine Geisteshaltung, dank der man das Leben nicht allzu ernst nimmt. Betroffene und Angehörige chronisch kranker Menschen nähern sich mitunter recht zaghaft dem Thema Humor. Oft liegt der Schmerz über die Erkrankung und das Leiden der nahen Verwandten oder Freunden wie ein schweres Gewicht auf ihren Schultern. Das gibt ihnen vor allem zu Beginn der Krankheit manchmal kaum Freiraum für Heiterkeit und Lachen. In solchen Momenten kann es für Angehörige sehr erleichternd sein, wenn sie beim Therapeuten Heiterkeit spüren oder Lachen hören.


Humor ist, durch die Dinge hindurchsehen, als ob sie aus Glas wären. Kurt Tucholsky

Nicht selten nehmen Therapeuten eine Art Katalysator- Funktion ein, um Humor zum Leben zu erwecken. Angehörige sind deshalb oft dankbar für Anregungen, wie Heiterkeit trotz und mit Krankheit im Alltag spürbar werden kann.             Quelle: IREN BISCHOFBERGER


Man kann an diesen wunderbaren Beispielen die Wege erkennen, aus einer scheinbar ausweglosen, traurigen Situation herauszukommen. Aber laufen und nachmachen müsst Ihr schon selbst.

Ich wünsche allen zaghaften viel Mut, diesen Weg zu gehen. Alles Gute wünscht Euch

Ihr Dieter Schmidt

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Humor als Heilmittel

Rezept- und kostenfrei

 

„Humor ist wenn man trotzdem lacht“, besagt ein altes Sprichwort. Eine andere Weisheit besagt, „Humor ist die beste Medizin“. Jedes Sprichwort birgt ja irgendwelche Wahrheiten in sich, die von Generation zu Generation weiter gegeben werden. Es ist eine Gabe in allem Schlechten auch etwas Positives zu finden. Es ist aber auch etwas, das man lernen und entdecken kann, wenn man mit offenen Augen durchs Leben geht.

Viele Gute Dinge passieren erst weil vorher etwas Schlechtes passiert ist. Und Manches was sich vorab als Schlecht darstellte, stellt sich hinterher als Rettung heraus.

Deswegen ist es meine Regel niemals den Humor zu verlieren, nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Die Epilepsie war nicht mein erster Schlag der Kategorie Tabu Thema. Aber es war mein erster Offensivschlag den ich mit Humor und Sarkasmus würzte. Ich war es leid Opfer zu sein und mich auf die verworrenen Wege des Schicksals zu verlassen. Diesmal wollte ich mich an keine Regeln halten und auch nicht defensiv sein. Ich nahm mir ein Beispiel an Menschen die das Schicksal schwer gebeutelt, die aber immer ein Lachen auf den Lippen hatten und fing ebenso an, meine neue Lebenssituation (Epilepsie), entgegen jeder Erwartung, humorvoll zu verarbeiten.

Dabei fällt auf, wie viel leichter es Menschen haben die ihre Sorgen mit Humor nehmen können. Es ist ja nicht so dass sie weniger Probleme haben, aber sie haben weniger Schwermut, weniger Einsamkeit, mehr Freunde. Beobachtet man schwermütige Menschen bei Feierlichkeiten, die gerne über ihre „Leiden“ berichten, sieht man die Menschen in ihrer Umgebung Scharenweise flüchten. Andere, positivere Menschen haben vielleicht dasselbe private Problem oder noch viel Schlimmere, aber auf diese Personen gehen plötzlich all diejenigen, die eben noch geflüchtet sind zu und nehmen sie herzlich in den Arm.

Was ist der Unterschied? Sind diese Menschen reicher, schöner, wichtiger? Nein, es ist ganz einfach. Sie sind positiver. Sie schaffen es auf herrlich erfrischende Weise dasselbe zu erzählen, was andere nur leidend in der 10fachen Zeit herunter jammern und haben trotzdem genauso viel mit geteilt wie der Dramaturg. Und mal ehrlich, wenn wir die Zuhörer des Dramas wären? Würden die meisten von uns wohl dasselbe tun. Unauffällig flüchten. Nicht weil wir gefühllos wären oder gemein, sondern weil es wohl kaum einen Menschen gibt der keine Sorgen hat und nicht mit seinen eigenen Problemen kämpft. Weil er vielleicht genau in diesem Moment einfach einmal fröhlich sein will und vergessen möchte was ihn bedrückt. Und das geschieht mit Humor nun einmal wesentlich einfacher als mit schwermütigen Berichten von der Leidensfront .

In meinem speziellen Fall nahm mein humorvolles Auftreten Anderen die Angst und machte sie neugierig. Man akzeptierte mich genauso wie vorher, machte seine Witze mit mir und fragte nur mal nebenbei nach meiner Epilepsie. Genauso wollte ich es. Ich brauchte meine Lachpausen. Wenn ich unterwegs war bei Vereinen und Freunden vergaß ich oft ganz dass ich Epilepsie habe und wenn dann ein Anfall in der Öffentlichkeit passierte war das kein Problem für mein Umfeld. Man half mir immer so gut und undramatisch wie nur möglich.

Interessant war, dass meine Anfälle dadurch abnahmen. Ich hatte Zuhause, wenn ich mir Gedanken machte, wesentlich häufiger Anfälle als unterwegs, wenn ich lachen und abschalten konnte. Plötzlich outeten sich auch andere Leute aus unserer Umgebung und erzählten von ihrer Epilepsie. Und sie lernten humorvoll damit um zu gehen. Natürlich ist es nicht toll einen Anfall zu bekommen, aber wird er durch Selbstmitleid schöner? Wegen des Humors habe ich alle meine Freunde behalten, Sicherheit gewonnen, weil Jeder weiß was zu tun ist und ich entdeckte neue Aufgaben für mich.

Meine Tochter wendet diese Methode auch im Krankenhaus an, wo sie arbeitet. Und tatsächlich hat es sich schon herum gesprochen wie positiv sich ihre fröhliche humorvolle Art auf die Patienten auswirkt, wie es sich überträgt und die Menschen von ihren Beschwerden ablenkt.

Humor müsste es auf Krankenschein geben - da dies aber Eines der wenigen Dinge ist, die glücklicherweise noch kostenfrei sind, ist er auch so für Jedermann zu haben. Ich denke jeder Mensch kann lernen, dass das Glas nicht halb leer, sondern halb voll ist. Und wenn man es dann zusätzlich noch schafft über sich selbst lachen zu können, hat man einen großen Teil eines beschwerlichen Weges doppelt so leicht zurück gelegt und ist gewappnet für die Zukunft.


Einen sonnigen Gemütstag wünscht Ihnen Ihre Anja D.-Zeipelt

 

 

Eine kleine Anleitung wie das geht, finden Sie hier (von Dieter Schmidt): 

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HUMOR HILFT HEILEN,

kurz: HHH

 

Vor nicht allzu langer Zeit lernte ich einen Lachjogatrainer kennen. Ein ehemaliger Sozialarbeiter UND Asthma-Erkrankter, der seine persönliche Krise mit Selbsttherapie meisterte. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Vom chronisch Kranken Asthmatiker ist er zum Humor-Lach- und Selbsthilfetherapeuten geworden. Trotz Atmungsschwierigkeiten hat er das Lachen professionell zum Beruf gemacht. Einen größeren Gegensatz kann man sich kaum vorstellen, aber dieser Mann hat sich mit einer bestimmten Atemtechnik selbst geheilt. Menschen, die nicht mehr richtig lachen können (oder, die das Lachen sogar gänzlich verlernt haben!), haben sich im Verlauf ihrer Lebensgeschichte gerade jene Erwachsenen-Strategie allzu sehr zu eigen gemacht, die dem Motto folgt, dass spontane Impulse um jeden Preis kontrolliert werden müssen. Das mag im Alltagsleben zwar gewisse Vorteile bringen, doch die lebendige Effektivität - die sich stets auch im Lachen äußert - bleibt unweigerlich auf der Strecke! Deshalb sollten wir den spielerischen Umgang mit der natürlichen Aggressivität des »Kindes in uns« ermöglichen. Denn Lachen ist ganz normal, zur richtigen Zeit ist Lachen Therapie.

Er erklärte mir einige Techniken des erlernbaren Humors:

 

  • Man kann sich mit entsprechenden Spielen „locker“ machen. Z.B.: Man konzentriert sich mit Blickkontakt auf den anderen Menschen, Blickkontakt ist ein großes Problem bei chronisch Kranken (wie z.B. Epileptikern). Im prüfenden Blick fühl sich dieser häufig bloßgestellt, er fürchtet den skeptischen Blick des Anderen und das Lächeln, das er als Spott oder Geringschätzung wahrnimmt. Das aus der Angst vor dem Ausgelacht werden empfundene „dreckige grinsen“, kann eine traumatisierende Wirkung ausüben.
  • Zwei Teilnehmer stehen sich gegenüber, sodass jeweils ein Teilnehmer einem anderen ins Gesicht blicken kann. Der rechte Arm wird ausgestreckt, damit die Hand auf der linken Schulter des Partners aufliegen kann. Dadurch wird einerseits die Distanz bemessen, andererseits ergibt sich so auch ein Körperkontakt. Nun wird das Gesicht ausgiebig verzogen - entsprechend dem Vorbild der Slapstick-Komiker »Dick« und »Doof«: Abwechselnd werden die Backen aufgebläht (= »Dick«) und das Kinn so weit wie möglich hinabgezogen, sodass sich der Mund leicht öffnet (= »Doof«). Es gilt die paradoxe Anweisung, dabei möglichst ernst zu bleiben, was auf die Dauer allerdings kaum gelingen wird!
  • Der Clown ist der reduzierte Mensch schlechthin: Er ist in jeder Hinsicht weniger kompetent als der normale Erwachsene. Bewusst will er weniger gescheit, weniger geschickt, weniger redegewandt usw. sein. So ist der Clown das Ebenbild eines unvollkommenen Menschen. Da der Clown dies absichtlich will, zeigt er eine enge Seelenverwandtschaft zum unverletzten kleinen Kind. Wie dieses orientiert er sich in seinem Tun naiv und bedenkenlos am Lustprinzip. Wie das Kind kümmert er sich nicht um etwaige peinliche Konsequenzen. Denn der Clown ist in seiner Reduktion ganz bei sich selbst!
  • Man soll einen komischen Vortrag halten. Zunächst beginnt man ganz normal über ein beliebiges Thema zu sprechen. Auf ein Zeichen hin wird eine bestimmte Sprechhemmung eingeleitet, so dass der normale sprachliche Fluss schlagartig verändert wird. Das wird dadurch bewirkt, dass zum Beispiel                                    - ein Schluck Wasser im Mund behalten wird,- ein Streichholz zwischen die Schneidezähne geklemmt wird, - Brausepulver im Mund aufgeschäumt wird, - ein Bleistift in die Mundwinkel geschoben wird, - »rückwärts geatmet«, das heißt beim Einatmen gesprochen wird, - mit weit ausgestreckter Zunge gesprochen wird.  Das Lachen und die Komik bleibt nicht aus.
  • Im Zwiegespräch wird eine typische Konfliktsituation inszeniert. Der Herr „X“ bringt seine Vorwürfe vor, während der Herr „Y“ begeistert zustimmt und jeweils hinzufügt: »Das ist unheimlich wichtig für mich, dass du mir das sagst! « Oder: »Jetzt wird mir endlich klar, warum ich sozial so schlecht ankomme! « Nach jeder dieser Beispiele offenbart der Angegriffene eine weitere »Schwäche«, zum Beispiel: »Wusstest du übrigens, dass ich außerdem nicht richtig buchstabieren kann? « Und dann werden die Rollen vertauscht, jetzt ist der „Y“ der vorwirft! Es kommt erstaunliches zum Vorschein.               Aus:   © Dr. Michael Titze

Eines darf der gesunde Humor nie: Er darf den anderen nicht verletzen oder beleidigen. Die Grenzen des Humors sollten eingehalten werden. Wer über sich Selbst mit Anderen so richtig herzhaft lachen kann, lebt einfach selbstbestimmter und unabhängiger. Denn: Wer immer ernst und verantwortungsschwer ist, wer das Leben stets als Problem sieht, ist leichter lenkbar und somit auch gut vor den Karren anderer Interessen zu spannen.

Lachen ist ganz normal und kostet nichts, warum soll man es nicht tun?

 

Lachen steckt an und zwar ganz ohne Nebenwirkungen ;-)

Tu es einfach, diese Ansteckung braucht keine Medikamente!!

Und es wirkt garantiert

 

Menschen die einfach mal humorvollen „Quatsch“ machen, leben –statistisch gesehen- länger. Mein Lachjogatrainer sagte damals:

 

„Krankheit ohne Humor führt häufig zu Depressionen, Krankheit mit Humor führt wieder ins Leben!“

Also versucht zu leben, es lohnt sich!

 

Ich wünsche Euch allen Humor, viel Möglichkeiten zum lachen und lustig zu sein.

 

In diesem Sinne, Ihr Dieter Schmidt

 

 

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Epilepsie und Einsamkeit

Ich finde dieses Thema äußerst wichtig, habe aber Selbst niemals Einsamkeit erlebt, weshalb ich meinen Gastschreiber Dieter Schmidt gerne zu Wort lassen wollte. Hier ist sein Bericht...

 

Ihre Anja Zeipelt

 

Epilepsie und Einsamkeit


Einsamkeit ist an und für sich etwas Schönes, man genießt die Ruhe, die Natur und die ganzen Wunder dieser Erde. Das alles ist aber geplant und ausgesucht, man kann ja jederzeit wieder zurück in die „wirkliche“ Welt. Der Rückzug aus dem Alltag kann auch als heilende Flucht gesehen werden, um seine Gedanken wieder in Ordnung zu bringen. Wir nennen es schlicht Urlaub vom Alltag.

Aber es gibt auch Einsamkeit, die aus bestimmten Situationen geschieht.


  • ·         Familiensituation
  • ·         Arbeitssituation
  • ·         Armutsituation
  • ·         Reichtumsituation
  • ·         Gesundheitssituation

Bei all diesen Punkten besteht die Gefahr einsam und isoliert zu werden. Das ist allerdings eine krankmachende Einsamkeit, für die es kein Medikament gibt.


Bei Krankheiten wie Epilepsie kann es durchaus zu einer Abkapselung kommen. Die Krankheit selbst wird in der Öffentlichkeit zwar erwähnt, aber nicht wirklich wahrgenommen. Sie ist tabu, nicht erwünscht, man will nichts damit zu tun haben. Der Epilepsiekranke schämt und versteckt sich im öffentlichen Leben, weil er sich selbst weniger, minderwertiger vorkommt. Er gibt sich selbst die Schuld an der ganzen Misere und wird sich öfter fragen; womit habe ich das alles verdient. Wenn dann noch die Ausklinkung zur Familie dazukommt, ist ein einsamer kranker Mann/Frau vorprogrammiert.


Das kann alles in besseren Bahnen ablaufen, wenn Akzeptanz auf beiden Seiten herrscht. Wenn die Familie, die/der Partnerin/Partner zusammenhalten und ein gewisser Halt dadurch entsteht.    

       

 Weil die große Mehrzahl der Menschen Angst vor Epilepsie hat und nicht viel Ahnung von unserer Krankheit, nehmen sie Abstand von uns.


Wenn man aber sein Leben nach eigenen Plänen aufbaut, kann es schon Momente geben wo man sich einsam und alleine fühlt. Man stößt auf Unverständnis und kann sich nicht in allen Kreisen bewegen. Es kann soweit kommen, dass dieses Leben nach den eigenen Ansichten sogar Sinn und Spaß machen kann. Man nimmt sich bewusst zurück, und zieht in seine eigene Welt als eine Art Selbstschutz. Dadurch hat man keinen Kontakt zu realen Welt, man ist in seinem Schmerz gefangen.


Man macht dies ganz bewusst und meint jederzeit Kontakt mit Freunden aufrechterhalten zu können. Versuche werden gemacht, über Interessensgruppen Freunde kennenzulernen, z.B. über die Selbsthilfe die Ähnliches erleben. Dies kann natürlich auch über die neuen Medien, via Internet geschehen dass sich geradezu in dem Moment als ideales Instrument anbietet. Dabei übersieht man gerne, dass man in ein noch tieferes Loch fallen kann.

                                             

Man möchte gerne glauben, dass die Einsamkeit sogar schön und wichtig sein kann. Die eigene Wohnung ist ja der ideale Ort als „geschützter“ Raum, wo man sich nach Bedarf zurückziehen kann. Hier kann man sich von quälenden Gedanken befreien, so die eigene Meinung. Deshalb ist es gar nicht einfach, wieder mit der „Außenwelt“ zu kommunizieren. Man befürchtet überrollt zu werden und nicht mehr seine eigenen Wege gehen zu können.


Die Krankheit Epilepsie zu akzeptieren, mit ihr leben zu wollen, kommt in diesem Moment nicht in den Sinn. Mir scheint, das jammern, klagen und zetern solchen Menschen wichtig ist. Eine Portion Egoismus anderen gegenüber ist hier schon dabei. Sich zusammenzureißen, zu sagen „ich schaff das, mit starkem Willen schaff ich das“, wäre ein Weg. Aber ich glaube, das ist hier leider Utopie.


Wer einsam ist und dass noch gerne, der muss auch wissen dass er alleine ist, und das ist er nicht gerne.


In diesem Sinne wünsche ich Euch gute, verständnisvolle Freunde die Euch den Weg zu einem akzeptablen Leben zeigen. Aber er muss im wirklichen Leben statt finden.


Ihr Dieter Schmidt

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Epilepsie und Arbeit

Ich finde es immer wieder erstaunlich wie oft ich höre das Behinderte bevorzugt eingestellt werden. Frauen übrigens auch. Geht man nun von der Annahme aus, dass weibliche Behinderte dann am leichtesten einen Arbeitsplatz finden würden, würde ich das als logische Schlussfolgerung genauso betrachten.

 

Dummerweise ist aber die Realität eine ganz andere. Wenigstens bei Epilepsie. Als ich nach meinem Unfall meine Diagnose bekam, nahm sich die Frau meines Chefs nicht einmal die Zeit ein paar freundliche Worte zu finden. Im Gegenteil forderte sich mich sofort auf zu kündigen. Dieses Telefonat ist nicht nur wegen der ungeheuren Frechheit lächerlich, sondern auch wegen der Tatsache, dass mich kein anderer Mitarbeiter ersetzen konnte. Bevor also ein Epilepsie kranker Mitarbeiter mit Ahnung dort arbeitet, arbeitet lieber eine Mitarbeiterin ohne die geringste Ahnung???

Fairerweise muss ich einräumen, dass ich ein paar Wochen arbeitsunfähig geschrieben werden sollte, doch das kann tatsächlich jedem Mitarbeiter mal passieren. Es hätte eine Lösung gegeben, hätte man sich zusammen gesetzt und unterhalten aber das war wohl zu viel verlangt. Die Auflösung des Rätsels kam schnell, schneller als ich dachte. Man löste meine Abteilung einfach auf und entließ meine Kollegin gleich mit. Schlussendlich schloss man sogar das ganze Geschäft. Da frage ich mich als normal denkender Mensch, kam meine Epilepsie gerade günstig als Ausrede und man suchte schon vorab einen Grund um den Laden zu schließen oder verbreiten wir Epileptiker tatsächlich so eine Angst?

 

Wie auch immer das in meinem Fall war, wohnt um die Ecke auch ein behinderter Mann der partout keine Stelle bekommt. Offensichtlich kann er nicht so einfach laufen wie ich das kann aber seine Arbeit ist hervorragend. Warum also bekommt er keine Stelle? Zu alt? Zu krank??? Ein Mann??????

 

Wenn ein Mann mit einer leicht zu erkennenden leichten Behinderung keine Stelle bekommt, muss man nicht lange rätseln warum das bei uns Epileptikern nicht klappt. Bei uns sieht man gar nichts. Unsere Beeinträchtigung ist unsichtbar und nicht zu erfassen für den Otto Normal Arbeitgeber. Interessant finde ich, dass ganz viele Behinderte oder Frührentner überall gerne umsonst arbeiten dürfen. Geradezu überschlagen tun sich manche Leute beim Lob auf diese Leute, so gewissenhaft ist ihre Arbeit.

Klar, außer bei den Anfällen sind Epileptiker ja auch gesund*, da ist es nicht verwunderlich das sie eine tolle Arbeit verrichten. Zusätzlich sind sie motiviert, denn sie wollen ja nicht darum liegen und zeigen das sie immer noch kompetente Arbeit verrichten. Aber wenn es um die geschäftliche Beschäftigung solcher Menschen geht, ziehen die Arbeitgeber lieber „Gesunde“ vor.

Ich bin immer wieder verwundert dass diese meist wunderbaren freundlichen Menschen zurück gesetzt werden, nur um dann einen unhöflichen arroganten Menschen einzustellen. Gesundheit vor Kompetenz. Natürlich ist das nicht immer so. Häufig bekommen tatsächlich qualifiziertere Menschen ohne gesundheitliche Probleme den Job. Was ja auch völlig o.k. wäre, wenn da nicht der Zusatz wäre „Behinderte bekommen bei gleicher Qualifikation den Vorzug“. Denn es stimmt definitiv nicht, was uns diese angeblichen Gutmenschen da vorgaukeln.

 

Ich selbst bin schon einmal in die Tretmühle Arbeitssuche gekommen und empfand diese Zeit als die deprimierendste meines Lebens. Entlassen wurde ich als Abteilungsleiterin einer kleinen Unternehmens, als Epilepsiekranke war ich dann nicht mehr vermittelbar. Trotz Zusatzausbildungen und verschiedener Qualifikationen. Beim Arbeitsamt durfte ich dann Kurse besuchen. EDV… ausgerechnet ich musste einen Einsteigerkurs in EDV belegen. Es gab damals schon kaum etwas wo ich fitter war. Dementsprechend sinnlos war das Ganze für mich. Aber die Kursleiter freuten sich über meine Unterstützung. Einen Job gab es trotzdem nicht für mich. „Nicht mit dieser Krankheit“ wie mir nicht nur mein Neurologe, sondern auch ein Mitarbeiter des Arbeitsamtes mündlich bescheinigten.

Für die Rente ist man zu gesund, zum arbeiten ist man… ja was ist man denn dann? Zu epileptisch???

 

Manche Epileptiker geraten somit in die Harz 4 Tretmühle, andere wiederum sind stur und wollen partout kein Geld vom Staat haben. Im Prinzip finde ich diese Einstellung absolut lobenswert, denn ich bin auch einer dieser Vertreter. Auf der anderen Seite ist ein Ausweg nicht ganz so einfach wie man sich das vorstellt und erhofft. Einer dieser Auswege ist der Weg zur Selbstständigkeit.

Und bei vielen klappt das auch auf Anhieb ganz hervorragend. Andere bemerken allerdings erst spät dass sie entweder die falsche Branche gewählt haben oder der Körper den zusätzlichen Belastungen nicht gewachsen ist. Ein plötzliches erneutes Auftreten von Anfällen, schwächere Belastbarkeit und andere körperliche Störungen machen sich oft erst durch den Druck der Selbstständigkeit bemerkbar.

Ist man angestellt, fließt das Geld auch dann noch weiter wenn man mal einige Tage ausfällt. Als Selbstständiger sind solche Tage emotional total belastend. Die Angst stellt sich ein. Was sagt der Kunde, was macht mein Körper, kann ich das auffangen? Mit jedem Rückschlag wird der Druck größer und damit die Gefahr erneuter oder vermehrter Anfälle. Nur allzu deutlich spürt man die körperlichen Grenzen, die uns in einen Teufelskreis ziehen.

 

Dasselbe gilt für Epileptiker im Angestelltenverhältnis. Bei großen Firmen geht das meist noch recht gut, doch in kleinen Firmen geht die Angst um, sobald die Epilepsie wieder zuschlägt. Die Angst zu versagen, schlechter zu sein, den Anforderungen nicht mehr nach zu kommen. Ein normaler Spannungskopfschmerz kann dann ganz schnell als Vorbote eines Anfalls fehl gedeutet werden und schon kommen wir noch mehr unter Druck.

 

Als ich zum ersten Mal den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, hatte ich Großes vor. Ein Geschäft mit kundenfreundlichen Öffnungszeiten und tollem Service sollte mein fehlendes Gehalt ersetzen. Ich war mir so sicher dass ich das alles ganz locker bewältigen würde. Doch ich hatte mich und meine körperlichen Möglichkeiten völlig falsch eingeschätzt. Die Anfälle blieben nicht einfach weg nur weil ich Geld brauchte. Im Gegenteil kamen sie scheinbar erst durch den Druck wieder. Mit jeder schlechten Bilanz feilte ich an neuen Ideen, verwarf sie wieder, recherchierte, arbeitete und versuchte alles nur erdenkliche um auf die Beine zu kommen. Doch ich hatte zwei Dinge übersehen. Zum einen die Wirtschaftskrise und zum anderen die Warnsignale meines Körpers. Bis mein Körper komplett streikte. Das war das Aus für mein Geschäft.

 

Ich lese und höre auch stets von Epilepsiepatienten die entweder verzweifelt von Behörde zu Behörde rennen oder im Strudel der Selbstständigkeit sich selbst vergessen und Risiken eingehen, von denen sie bald merken das sie sie eigentlich nicht tragen können. Dasselbe passiert vielen von uns im Berufsleben.

 

Aber es gibt auch noch die Kehrseite der Medaille. Arbeitgeber die Menschen trotz der Epilepsie einstellen. Vielleicht, weil sie sich einfach mal die Mühe gemacht haben sich näher mit dem Umstand der Epilepsie zu beschäftigen. Oder weil sie anderen eine Chance geben wollen. Manchmal aber auch ganz schlicht weil die Beschäftigten ihre Epilepsie verschwiegen haben. Rein aus der Not heraus.

Auch, weil eine Epilepsie zum Stillstand gekommen ist, was den Patienten ganz neue Möglichkeiten eröffnet oder weil die Patienten keinerlei Nebenwirkungen haben. Ein Ziel das man mit Macht anvisieren sollte. Nicht wenige schaffen dann auch den akademischen Abschluss oder sind sehr erfolgreich im Beruf.

 

Andere schaffen trotzdem keinen Fulltime Job mehr. Einige Medikamente oder Krankheitsverläufe wirken auf manche Patienten ermüdend oder stören die Konzentration. Wenn einem plötzlich die Worte fehlen oder die einfachsten Handgriffe nicht mehr gelingen wollen, dann ist dies ganz klar ein Zeichen für eine Überlastung. Der Kopf schreit regelrecht nach dem „Aus“ Schalter und nach Schlaf. Dinge die irgendwann nicht mehr zu verbergen sind und zu einem Halbtagsjob zwingen.

 

Mich hat dieser Umstand zur Aufgabe gezwungen. Jedoch muss man ja nicht jeden Wassereimer stets ganz voll transportieren. Ich werde nun so viel aus dem Eimer heraus kippen das ich ihn wieder tragen kann und mich dann neu orientieren. Wer nicht kämpft der hat schon verloren und ich hoffe für uns alle, dass Jeder einen Weg findet seinen eigenen Anteil am Lebensunterhalt finanzieren zu können.

 

In diesem Sinne wünsche ich allen Betroffenen beruflichen Erfolg und allen Arbeitgebern mehr Mut Epilepsiebetroffene ein zu stellen. Es lohnt sich!!!

 

Ihre Anja D.- Zeipelt

 

 

*Epileptiker ohne eine andere Grunderkrankung

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(Er)leben lassen

Wie häufig stehen wir einem Kranken, Schicksalsgebeutelten, Trauernden u.s.w. gegenüber, schütteln ihm die Hand und sagen „das kann ich verstehen“ oder „das kenne ich“.


Genauso oft hören wir Sätze wie „wenn mir das passiert wäre, dann hätte ich dies und jenes gemacht“. Speziell bei Dingen die wir nicht greifen können sind solche Sätze schnell gegeben.

Wenn ich vor 12 Jahren von Kindesmissbrauch hörte, sagte ich stets „den Mistkerl würde ich umbringen!!!“ Als genau das ein Jahr später meinem eigenen Kind passierte war ich still. Ganz still. Denn alles war anders als ich erwartet hätte, es fühlte sich auch ganz anders an, so beunruhigend strategisch ruhig. In meinem Herzen brodelte der Hass, aber in meinem Hirn ratterte die Logik. Und in meinem Herzen eine Sorge, die den blinden Hass weit überlagerte.

Was nützte jetzt noch die Rache? Was jetzt zählte waren kluge Entscheidungen mit klarem Kopf und das Wissen für mein Kind, das die Eltern sein Fels in der Brandung sein würden.

Natürlich erstatteten wir Anzeige und taten alles, damit so wenig Spuren wie möglich im Leben unserer Familie verbleiben würden. Trotzdem ist und bleibt es ein Teil unserer Familiengeschichte und mit jedem neuen Fall wird es wieder präsent, doch wir leben ganz normal weiter, mit Hilfe einer Therapeutin. Aber wenn ich das getan hätte was ich noch ein Jahr zuvor prophezeit hatte, dann wäre unser aller Leben zerstört gewesen.


Was ich damit sagen will, wenn man die Situation nicht selbst erlebt hat, dann hat man keine Ahnung wie man sich fühlt oder was man tun würde. Leere Sprüche, nervende Phrasen, sind das Einzige was wir dazu beisteuern können und ich kann nur Jedem raten sich bei Betroffenen mit solchen Kommentaren zurück zu halten…

 

Was hat das alles mit Epilepsie zu tun, werden sich so Einige fragen. Andere haben die Parallelen vielleicht schon wieder erkannt. Auch hier kommen wir immer wieder in die Situation wo wir mit gutgemeinten Ratschlägen bombadiert werden.

Natürlich gibt es das auch bei anderen Krankheiten aber kaum eine Krankheit fühlt sich so intensiv an und läuft so extrem über die Psyche wie die Epilepsie.

Und das kann keiner nachempfinden. Wir selbst finden kaum die passenden Worte für die Beschreibung, wie sollte es ein anderer da verstehen können. Viele Krankheiten kann man mit körperlichen Beschwerden beschreiben, wie z.B. Erbrechen oder Durchfall, Bauch- oder Kopfschmerz, da sie jeder schon mindestens einmal erlebt hat – aber wie beschreibt man Epilepsie???


Man kann vielleicht noch die Symptome beschreiben die gängigen Erlebnissen entsprechen. Beispielsweise das schmecken oder riechen von Dingen. Schwindelgefühle kennt sicher auch jeder und zittern und Blackouts sind auch vielen Menschen bekannt. Doch das alles beschreibt nur ein Minimum der möglichen Symptome und auch nur das was wir im Moment eines Anfalls erleben, doch das was wir als Mensch erleben, das steht auf einem ganz anderen Blatt.

 

Ich möchte hier ganz bewusst das Beispiel eines an Epilepsie erkrankten Kindes heraus heben, das mit täglichen oder wöchentlichen Anfällen geplagt wird. Einmal, weil ich in meinen letzten Berichten gerne die weniger schweren Fälle in der Vordergrund schob und zum Zweiten, weil es hier sehr gut zu beschreiben ist.

 

Das Kind, ich nenne es Sophie, hat seit seiner Geburt epileptische Anfälle. Sophie hat so genannte Grand mal Anfälle und kennt es auch nicht anders. Das etwas an ihr nicht stimmt merkt Sophie zum ersten mal an den Reaktionen ihrer Familie. Die immer besorgten Gesichter, das ewige belauern und fern halten von anderen Kindern, wenn diese auf Kinderrutschen gehen oder auf Kletterspielzeuge. Da Sophie es aber nicht anders kennt, macht es ihr auch nicht sehr viel aus. Sie hält es für normal. Dann aber erfolgt die Einschulung und die Lehrer verhalten sich Sophie gegenüber anders, vielleicht sogar ängstlich.

Mittlerweile ist Sophie soweit medikamentös eingestellt das sie nur noch monatliche Anfälle bekommt und doch merkt sie, das sie anders behandelt wird als andere Kinder. Das Gefühl ein Außenseiter zu sein ist das Schlimmste. Sophie kann noch nicht erklären was an ihr anders ist und die anderen Kinder können nicht erklären warum ihre Eltern so komisch auf Sophie reagieren.


Einige Jahre später verhalten sich auch die Kinder seltsam. Es wird getuschelt und gelacht und Sophie weiß nun ganz genau dass das alles mit ihrer Epilepsie zusammen hängt. Ihre Eltern belagern sie zwar mittlerweile nicht mehr so schlimm wie früher, sind aber trotzdem immer präsenter als die Eltern aller anderen Kinder. Nicht selten bringt dass Sophie den Spitznamen „Baby“ ein.

Nach dem Abi dann der Befreiungsschlag, Sophie musste auf eine fremde Uni und zum ersten Mal von Zuhause fort. Neue Menschen, neue Ziele, zum ersten Mal Selbstständigkeit. Ihre Eltern waren dagegen, doch Sophie wusste, dass das ihre einzige Chance war aus dem goldenen Käfig auszubrechen, ihre Chance erwachsen zu werden - also ging Sophie.

 

Zum ersten Mal im Leben hatte sie das Gefühl ein eigenständiger Mensch zu sein. Die mütterlichen Kontrollanrufe ignorierte Sophie wenn es ihr zu viel war und von den gelegentlichen Anfällen bekamen ihre Eltern nichts mehr mit. In ihrer WG gingen alle total easy mit Sophies Anfällen um und so bekam sie ein Selbstbewusstsein das sie immer mehr zu neuen Taten antrieb.

Auch wenn immer alle Sophie versicherten das sie wüssten was in ihr vorging, hatte tatsächlich nicht Einer auch nur die geringste Ahnung.

 

Wer will denn verstehen wie es ist wenn man sich in seinem eigenen Körper gefangen fühlt. Wer weiß schon wie es ist wenn man die Kontrolle über sein ganzes Tun und Sein verliert und wie es sich anfühlt wenn diese lauernden Anfälle sich anschleichen.

Das kann keiner verstehen der es nicht selbst erlebt hat.

 

Dasselbe gilt für die Überfürsorge der Eltern, den Streit den sie haben weil sie sich uneinig sind wegen der Erziehung des Kindes. Hier geht es nicht mehr um Förderung des Kindes sondern um Beschützen. Und das arme beschützte kleine Mädchen will nichts mehr als seine Ruhe haben.

Die Fragen der Lehrer im Schullandheim vor allen Schülern sind genauso unangenehm wie das ausgrenzen bei manchen Sportarten. Viele sagen, sie würden es verstehen aber wer es nicht erlebt hat, kann es nicht verstehen.

 

Ich selbst habe es nicht als Epileptiker erlebt sondern infolge eines Luftröhrenschnittes mit anschließendem künstlichen Koma. Was mir blieb war schweres Asthma auf das man in damaliger Zeit noch keine passende Antwort hatte. Heute bekommt man Aerosole für Notfälle oder zur Vorbeugung, damals sahen die Notfallmaßnahmen noch sehr viel dramatischer aus. Und ich fand es nicht lustig!!!

Als ich mit 15 anfing zu rauchen, war das reine Auflehnung gegen diese Krankheit und die Überversorgung meiner Eltern. Ich ging auch jahrelang nicht mehr zur Prophylaxe beim Arzt und nahm lieber Anfälle in Kauf.

Ich boykottierte diese Krankheit nach allen Regeln der Kunst. Drei Jahre später war ich ausgezogen und übernahm endlich selbst die Verantwortung für mich. Prophylaxe und tägliche Medikamente gegen das Asthma sind seitdem selbstverständlich und rauchen tue ich auch nicht mehr.

 

Was ich aber nicht mache, ist alles, was einen Asthmaanfall auslösen könnte zu vermeiden. Ich entwickelte multible Allergien gegen Gräser, Pollen, Staub, Tiere u.s.w. und damit waren plötzlich überall Anfallsauslöser, egal wo ich hin ging.

Gerade als ich dachte mehr Einschränkungen gingen nicht mehr, bekam ich dann noch meine Epilepsie und damit die Krönung zu meinem „du darfst nicht“ Lebenswandel.

 

Immer wieder „hast Du Deine Tabletten genommen“, „pass auf, hier sind Reiter die haben Pferdehaare an der Kleidung“ und mahnende Blicke meiner besorgten Familie machten mir das Leben leid. Und immer wieder dazwischen „ich kann ja verstehen, aber…“

Unsinn, keiner kann etwas verstehen nur weil er dabei zusieht. Man muss es erlebt haben um zu wissen wie es ist ausgegrenzt zu werden oder sich selbst ausgrenzen zu müssen.

 

Und ich hatte nun die Nase voll. Ich mied die ersten beiden Jahre alles und dann begann ich meine Allergien zu ignorieren. Ein Allergiepillchen jeden Tag und langsam aber sicher näherte ich mich wieder allem was ich jahrelang gemieden hatte.

In der Tasche hatte ich immer das Notfallspray und mutig ging ich meinen neuen Weg. Mit diesen Maßnahmen schien sich aber auch ein Schalter in meinem Kopf umzulegen. Ich hatte keine Angst mehr vor der Natur, ich genoss sie wieder. Jeden Tag ein kleines bisschen mehr.

Zwei Jahre später konnte ich die Pollenschutzgitter an dem Schlafzimmerfenster entfernen und heute schaffe ich sogar Tage komplett ohne Tabletten in der freien Natur – und ich liebe es!!!

In der Zwischenzeit kauften wir uns sogar einen Hund und es ist herrlich mit ihm zu spielen – und, meine Allergie gegen die meisten Hunde ist futsch. Bei der Epilepsie machte ich es dann genauso, ich probierte immer mehr aus und stellte immer öfter fest dass mein Kopf eine große Rolle spielt. Viele Dinge vertrage ich gar nicht, andere wiederum machen mir nichts mehr aus – vielleicht weil ich mir keinen Stress mehr mache???

 

Das was wirklich stresst sind die Kommentare anderer. „Darfst Du das?“ „Passiert da auch nichts?“ „Ich verstehe das“. Meine Güte, was für Phrasen.

Ob ich das darf? Nun ja ich habe vielleicht Epilepsie, bin aber nicht intelligenzvermindert, also werde ich wohl nichts tun was ich nicht darf oder vertrage. Und wenn, wird es plausible Erklärungen geben.

Ob was passiert? Ich habe keine Ahnung, genauso wenig wie der Skifahrer der sein Leben lang die Loipen runter fährt oder der Autofahrer der jeden Tag zur Arbeit fährt. Ihr versteht das??? Ich will es mal so ausdrücken, Ihr glaubt vielleicht es zu verstehen, tatsächlich versteht es aber nur der, der weiß wie es sich anfühlt wenn eine Aura kommt. Der die Unsicherheit kennt, wenn Neugierige einen anstarren oder wer das Bedürfnis nach Freiheit gespürt hat, weil er sich lange im eigenen Körper eingesperrt fühlte.

Das Gefühl , wie es ist den Fahrtwind zu spüren, wie erhebend es ist etwas alleine zu tun und wie mies man sich fühlt wenn man behandelt wird als wäre man unfähig eine eigene Entscheidung zu treffen, nur weil man anders ist oder etwas schlimmes erlebt hat.

 

Anders herum können wir auch nicht erwarten dass uns die Menschen verstehen.

Meines Erachtens, ist das auch gar nicht nötig.

Meine Kinder und Freunde tun auch Dinge die ich nicht verstehen kann, genauso wie ich Dinge tue die sie nicht verstehen können. Das Einzige was hier zählt ist das Verständnis das Jeder seinen eigenen Weg finden muss und das man die Menschen die man liebt und deren Entscheidungen toleriert.

Wir sind nicht alle gleich und fühlen auch nicht alle gleich aber in einem unterscheiden sich die wenigsten. Beinahe jeder hat Wünsche und Träume für seinen Weg zum Glück. Wir alle wollen uns wohl und lebendig fühlen und gehen oftmals verschlungene Wege bis zu unserem Ziel.

Aber es ist unser Weg. Und auch wenn ihn nicht jeder verstehen kann, kann ihn uns auch keiner (ab)nehmen und das ist das was zählt und uns so individuell macht.


Ich wünsche allen einen aufregenden, aber glücklich machenden Weg.


Ihre Anja Zeipelt

 

 

 

 

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Epilepsie und Kinderwunsch

Als ich mit 33 Jahren die Diagnose Epilepsie erhielt, bekam ich die Empfehlung auf weitere Kinder zu verzichten. Da meine Familienplanung sowieso schon beendet war, kein großes Thema für mich. Ich war einfach nur dankbar, dass ich zwei wunderbare Kinder hatte und nicht zu den Frauen gehörte, die schon mit Epilepsie geboren worden waren. Was für mich kein Drama war, erschreckte Professoren, die später meine Geschichte hörten, zutiefst und ich musste mit Erschrecken fest stellen dass dieses Kinderverbot nicht nur veraltet, sondern auch unsinnig war. Von da an begann ich zu recherchieren.

 

Meinen Recherchen zufolge gab es nun zwei Punkte die Neurologen im Allgemeinen dazu veranlassten ein Kinderverbot auszusprechen.

 

  1. Die Medikamente
  2. Die Vererbbarkeit

 

Schauen wir uns Punkt 1 an, muss ich gestehen dass mich diese Medikamente, die ich damals nahm, tatsächlich gewaltig aus den Socken schlugen – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Mein Schlafbedarf stieg auf 16 Stunden täglich, meine Aufnahmefähigkeit sank dagegen gleich null und mein Körper rebellierte auf vielfältige Weise gegen dieses Mittel. Mein damaliger Neurologe sagte dazu nur: „Pest oder Cholera“.

 

Dieser Satz machte mich zwar damals wie heute stocksauer, er verhalf mir aber zu meinem nächsten Schritt – ich wechselte den Arzt! Bei meinen weiteren Recherchen stellte sich schnell heraus, dass mein Medikament zwar wunderbar billig für die Kassen war - aber auch genauso veraltet. Mittlerweile müssten die Tabletten ihren 50. Geburtstag hinter sich haben und es gab vor 9 Jahren tatsächlich auch schon vielfältige Alternativen an Medikamenten, die man einer 33 jährigen Frau geben konnte, ohne ihr das Kinder kriegen zu verbieten. Punkt 1 schied also aus.

 

Beschäftige ich mich mit Punkt 2, ist das biologische Verständnis, was man bereits in der Schule lernt, absolut ausreichend um diese Frage zu beantworten. Ich kann selbstverständlich nichts vererben was ich selbst nicht in die Wiege gelegt bekam. Da ich meine Epilepsie aber erworben habe, genau wie die meisten meiner Epi-Kollegen, kann ich sie auch nicht vererben.

 

Erwerben kann man eine Epilepsie relativ leicht, ein kleiner Sturz auf den Kopf genügt (bei Fahrrad Fahrern und Inline Slatern ohne Helm gleichermaßen beliebt), ein Schlaganfall, Jemand der seinen Durst nach alkoholischen Getränken nicht ganz steuern kann, eine Blutung, ein Tumor oder sonstige Entwicklungen sind durchaus geeignet dazu das ganze Leben, von heute auf morgen, auf den Kopf zu stellen. Solche Dinge kann man aber nicht vererben.

Da man vor 9 Jahren den Ursprung meiner Epilepsie nicht fest stellen konnte, hätte man die Empfehlung weitere Schwangerschaften zu umgehen, als ganz sinnvoll hinnehmen können, wären da nicht die wissenschaftlichen Zahlen zu vererbbaren Epilepsien gewesen...

 

Eine Epilepsie ist tatsächlich vererbbar, allerdings in einem Maße, die sich wesentlich geringer von den Gefahren gesunder Frauen unterscheidet als man vielleicht vermuten könnte. Leider ist es nun einmal nicht von der Hand zu weisen dass die Entwicklung eines neuen Lebens ein hochkomplizierter Prozess ist, der jederzeit Gefahren mit sich bringen kann und auch Fehler beinhalten könnte. Das weiß jede werdende Mutter und der Gedanken spielt die gesamte Schwangerschaft eine, wenn auch nur unterschwellige, Rolle.

 

Tatsächlich liegt die Gefahr ein an Epilepsie erkranktes Baby zu gebären bei 5% wenn ein Elternteil Epilepsie hat, wogegen die Gefahr bei einer gesunden Mutter auch bei 1% liegt. Andersherum gesehen bekommt man zu 95% ein Baby ohne Epilepsie – eine sehr viel positivere Aussage. Die größte Gefahr geht von idiopathischen Epilepsien aus. In unten stehendem Link finden Sie Näheres zu den aktuellen Fakten von vererbbaren Epilepsien.

 

Noch schlimmer als all diese veralteten Verbote, sind die Aussagen, die manche Mütter ihren Kindern diesbezüglich mit auf den Weg geben. Wenn ich an dieses Thema denke, packt mich tatsächlich völliges Unverständnis und ich wünsche diesen Müttern oder Eltern eine Klage wegen seelischer Grausamkeit. Das klingt hart? Ich weiß. Es ist auch eines der Dinge die eigentlich so gar nicht meinem Naturell entsprechen. Aber das Leid das ich dann und wann zu hören bekomme, lässt einfach keine anderen Gefühle mehr zu. Da werden Kinder als Krüppel, behindert oder dumm beschimpft. Fragt sich, wer hier ganz offensichtlich einen Mangel an Intelligenz hat.

 

Hier gehen einige Familienmitglieder so weit, dass sie ihren Epilepsie kranken Angehörigen eigene Kinder verbieten. Da frage ich mich zum Einen, in welchem Jahrhundert wir leben und andererseits geht mir durch den Kopf wie kalt eine Familie sein muss, wenn sie sich so wenig für die Krankheit ihrer Kinder interessiert, denn ich kann mir keinen anderen Grund vorstellen warum sie nicht wissen dass Epilepsie Kranke weder geisteskrank noch behindert sind. Und so normal, oder wahrscheinlich wesentlich normaler sind, wie sie selbst.

 

Eine Schwangerschaft mit Epilepsie ist zwar eine Risikoschwangerschaft, jedoch zählt man auch eine 35jährige Gebärende schon dazu. Wer Epilepsie hat und sich ein Baby wünscht, sollte frühzeitig zum Arzt gehen und alles mit ihm besprechen. Eventuell müssen die Medikamente umgestellt werden oder man muss andere Fragen abklären. Eine Vorlaufzeit von 1-2 Jahren wäre hier optimal.

 

Die Schwangerschaft wird, wie jede Risikoschwangerschaft, engmaschiger betreut und beobachtet. Was aber, gerade in einer Schwangerschaft, zu den schönsten Arztbesuchen zählt die es geben kann. Bei der Geburt ist es, je nach Risiko, ratsam in eine Klinik zu gehen die sich mit der Betreuung Epilepsie Kranker Gebärender auskennt. Ein Kaiserschnitt ist hier nicht zwangsläufig nötig, wie Viele befürchten. Und auch die Stillzeit kann durch eine liebevolle Betreuung der Hebamme ganz normal ablaufen.

 

Das Zusammenspiel werdender Eltern, der Hebamme, Geburtsklinik und Gynäkologin sollte auch bei einem gesunden Elternpaar schon optimal aufeinander abgestimmt sein, denn nichts verunsichert junge Eltern mehr als unterschiedliche Meinungen, die es bei Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit Zuhauf gibt. Hat die Mutter Epilepsie, sollte eben der Neurologe noch mit eingebunden werden.

 

Ich möchte hier einige passende Links zu diesem Thema einstellen, bei denen Sie die tatsächlichen Gefahren einer Schwangerschaft bei Epilepsie nachvollziehen können.

 

http://www.epikurier.de/Erblich-bedingte-Epi.1367.0.html

 

http://www.apotheken-umschau.de/Gehirn/Epilepsie-Schwangerschaft-trotzdem-moeglich-51684.html

 

Sollten Sie schon schwanger sein und obige Vorbereitung verpasst haben, ist es nicht zu spät eine Verbindung zwischen Gynäkologen, Neurologen und Hebamme zu schaffen, die zusammen arbeiten und Ihnen einige hilfreiche Tipps mit auf den Weg geben können. Sie werden ruhiger schlafen können wenn Sie ihre persönlichen Risiken (sei es Tabletteneinnahme, Anfallsverhalten oder auch Genetik) einschätzen können.

 

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Familienplanung, eine komplikationslose Schwangerschaft und ein wunderschönes Familienleben.

 

Ihre Anja Zeipelt

 

 

 

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"Ist das nicht gefährlich?"

„Ist das nicht gefährlich“ ist ein Satz den Epilepsiekranke oder deren Angehörige gerne mal stellen. Darf ich in die Badewanne, kann ich Fahrrad fahren, darf ich Treppen laufen. Diese und viele andere Fragen ranken sich immer wieder um den Mythos Epilepsie. Oder, wenn ich solche Fragen höre, um die Geißel Epilepsie. Um nichts anderes scheint es sich meiner Meinung nach zu handeln, wenn man von solchen Fragen und Gedanken beherrscht wird. Manche Leute haben mehr Angst sich bei einem Anfall an einer Zigarette zu verbrennen, als daran an Krebs zu erkranken. Eine Wahrnehmung, die Alarmglocken schrillen lässt.

 

Was lässt Menschen so ängstlich werden… Sicher ist es, gehen wir mal vom optisch dramatischsten aller Anfälle, dem Grand mal, aus, eine niederschmetternde Erfahrung in der Öffentlichkeit einen Anfall zu bekommen. Dass dies zu Unsicherheit und Ängsten führt ist menschlich und näher betrachtet auch völlig nachvollziehbar. Aber bei allen diesen Fragen wird a) nicht nach nach Anfallsarten differenziert und b) geht die Frage nicht um Öffentlichkeit sondern um die Gefahr bei einem Anfall. Doch wie hoch ist eine solche Gefahr im allgemeinen Vergleich? Hat ein Nicht-Epilepsiekranker nicht genauso hohe Chancen sich eine Verletzung zuzuziehen?

Laut Verkehrs Unfallstatistik passieren besonders viele Unfälle beim Abbiegen an Kreuzungen. Fußgänger sind besonders gefährdet. Meiden wir nun alle Kreuzungen? Auch der Haushalt bietet massenhaft Möglichkeiten sich zu verletzen. Doch auch hier ist die Unfallursache keineswegs ein epileptischer Anfall, sondern reiner und purer Leichtsinn oder Hektik. Fensterputzen auf dem Bügelbrett, Telefonieren und das Baby auf dem Wickeltisch liegen lassen, kochen und mehrere Sachen gleichzeitig machen. Über hochstehende Teppichkanten oder herumliegende Kabel stürzen, Leitern nicht sicher aufstellen. Da fällt schon beim Lesen etwas auf, nicht wahr??? Viele dieser Dinge bekommen Anfallskranke vom Arzt her schon verboten. Die Folge: Wir sind vorsichtiger. Seit meiner Epilepsie achte ich dreifach auf sicheren Abstand vom Abgrund wenn ich Fenster putze. Vor meiner Epilepsie habe ich auch schon mal bei einem Dachfenster das Gleichgewicht verloren und mich böse verletzt. Heute räume ich zwar noch die Spülmaschine aus während ich mir die Zähne putze aber wenn ich koche, bleibe ich konzentriert dabei. Ich bin also von Haus aus viel vorsichtiger geworden aber prophylaktisch alles verbieten lasse ich mir nicht von meiner Epilepsie. Warum nicht??? Ganz einfach. Ich bin noch am Leben und leben heißt für mich lebendig sein, an allem teilhaben können, glücklich sein. Wenn ich beispielsweise den Aufzug nehme anstatt die Treppe zu laufen, dann könnte ich natürlich den Treppensturz verhindern. Ich verbrauche aber unnötig Strom, trainiere meinen Körper weniger (was ungesund ist) und laufe Gefahr einen Anfall im Aufzug zu bekommen und nicht entdeckt zu werden. Was ist da besser? Keins, natürlich nicht. Also tue ich das, was mir mehr zusagt, was für mich normaler ist, was ich auch ohne Epilepsie tun würde. Und zwar ohne mir Gedanken darüber zu machen. Und das kann man lernen.

 

Was ich damit sagen will, es kann immer etwas passieren, es gab auch schon viele Fragen diesbezüglich, aber wieso macht man sich als Epi ständig einen Kopf über Sachen über die man als Gesunder gar nicht nach gedacht hätte. Ich habe Epi weil ich als "Gesunder" leichtsinnig war. Als Epi würde ich nicht mehr ohne Helm fahren. Als Allergiker mit einer multiblen Allergie gegen alles was fliegt und blüht und wiehert, schließe ich mich auch nicht Zuhause ein, sondern gehe raus in die Natur. Mit Medikamenten, klar - aber 100% Schutz geben die mir auch nicht. Und wenn ich alleine im Wald einen Asthmaanfall bekomme, könnte das auch ziemlich dumm ausgehen. Aber ich will nicht auf die Natur verzichten. Und auch nicht auf die Stille und Einsamkeit des Waldes. Für mich ist die Natur alles, auch wenn mein Körper das etwas anders sieht. Aber das ist für mich Leben. Seltsamerweise hat mein Körper, seit ich meinen Kopf ausgeschaltet habe, sehr viel weniger mit allergischen Anfällen reagiert als vorher. Weniger Gedanken, weniger Asthmaanfälle, weniger Notfallmittel. Klingt komisch, ist aber so. Den Grund kenne ich nicht und ehrlich gesagt ist es mir auch egal. Ich genieße es einfach und verschwende keinen Gedanken mehr an das „was wäre wenn“.

 

Früher bekam ich einen Asthmaanfall wenn der Wind von der Weide des Nachbarortes kam, heute bleibe ich bei den Pferden stehen und beobachte sie. Total verrückt und vielleicht auch riskant aber ich genieße es. Und mit jedem einzelnen Asthmaanfall den ich weniger bekomme, steigt meine Lust auf die Natur. Es ist herrlich wenn man die Angst abgebaut hat. Dasselbe habe ich bei meiner Epilepsie geschafft. Ich hatte dissoziative Anfälle entwickelt. Die Angst vor einem epileptischen Anfall bescherte mir einen dissoziativen Anfall. Bis ich es schwarz auf weiß hatte. Die Epilepsieklinik bestätigte die Vermutung dass sich durch meine Angst etwas Neues entwickelt hatte, eine neue Art der Krampfanfälle. Aber nun hatte ich die Chance dagegen anzugehen. Auch hier war ein erster Schritt das Laufen alleine in der Natur. Mein Mann kannte zwar den Weg, den ich Laufen wollte aber er rief nur an wenn ich meine Zeit überzog. Mit jedem einzelnen Lauf wurde ich sicherer. Das Laufen tat mir physisch und psychisch so gut, dass wir uns einen Hund zulegten der mich zwang jeden Tag in den Wald zu gehen. Ein Durchbruch für mich. Danach wurde ich Faschingsprinzessin und ging das Wagnis ein auf der Bühne einen Anfall zu bekommen. Doch der Spaß überwog die Unsicherheit und wieder war mir ein Schritt gelungen. Ich ging immer ein Schrittchen weiter, traute mich mehr und heute bin ich fast anfallsfrei und die Anfälle die ich bekomme sind so klein, das man sie fast gar nicht mehr mit bekommt als Außenstehender. Ich bemerke sie natürlich immer noch und finde sie auch immer noch nicht witzig aber sie bestimmen mich nicht mehr. Jetzt habe ich die Zügel in der Hand und bestimme mein Leben alleine. Bis aufs Auto fahren tue ich alles was ich möchte und das wird auch noch sehr lange so bleiben.

 

Ein sehr interessantes Beispiel ist da eine Bekannte von mir, die eine sehr schwere Epilepsie hat. Sie ist nicht einstellbar und hat mehrfach am Tag Grand mal Anfälle. Sie goss sich dabei einen Topf kochendes Wasser über und hatte dabei wirklich schwere Verbrennungen. Trotzdem lebt sie weiter alleine und kocht. Sie nimmt ihre starken und täglich mehrfachen Anfälle gerne für ihre Freiheit in Kauf. Wenn man ihre täglichen schweren Anfälle und die Verletzungen die sich dabei zuzieht vergleicht, ist Letzteres sehr selten. Aber sie hat ihre Freiheit, 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag.

 

Jeder muss für sich selbst entscheiden was für ihn persönlich wichtiger ist, die absolute (vermeintliche) Sicherheit oder einfach nur Leben!!!

 

Ich wünsche Jedem, dass er seinen persönlichen Weg findet

Ihre Anja D. Zeipelt

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Epilepsie in der Öffentlichkeit

Beide sind ungefährlich... ;-)
Beide sind ungefährlich... ;-)

Epilepsie und Öffentlichkeit ist ein ganz eigenes und spezielles Thema. Ein Thema für verschlossene Türen! So war es auch einmal mit Homosexualität und Aids. Bei ersterem änderte sich das durch wachsende Toleranz und auch Neugierde unserer Gesellschaft. Bei Aids änderte sich viel durch die Solidarisierung Prominenter mit Aidskranken und den großen Werbekampagnen im Fernsehen. Doch ist das Tabu bei Aids wirklich abgeschafft wie viele meinen? Stellt sich ein Aidskranker tatsächlich an die Theke und erzählt so nebenbei das er HIV positiv ist? Wohl eher selten.

 

Aber gerade das führen viele Epilepsiepatienten an wenn sie sich über das Tabu Epilepsie beschweren. Sie vergleichen die Öffenlichkeitsarbeit bei Aids mit der von Epilepsie. Doch der Vergleich hinkt. Öffenlichkeitsarbeit bei Aids diente ja nicht nur der Solidarisierung und Aufklärung über Aids, sondern auch der Vermeidung vor Ansteckung. Die Menschen mussten lernen das es nicht gefährlich ist Kontakt mit einem Aids Kranken zu haben, solange man bei Intimverkehr einige Dinge beachtet. Da war eine offensive Kampagne zum Schutz der gesamten Gesellschaft, ob Erkrankten oder Gesunden. Epilepsie ist aber nicht ansteckend. Epilepsie ist eine tabuisierte Krankheit, das ist richtig, aber aus ganz anderen Gründen.

 

Wie man in einem Blogbeitrag von Dieter Schmidt lesen kann, wurden Epilepsiekranke in Kriegszeiten noch als Versuchskaninchen missbraucht und vergast. Später ließ sich das Vorurteil Geisteskrankheit kaum widerlegen, denn immer noch hören Betroffene dass sie darüber lieber nicht sprechen sollten. In extremem Fällen verstecken Eltern ihre Kinder sogar heute noch, wenn sie bemerken dass ihre Kinder Anfälle bekommen. Vergessen ist, das die größten Köpfe unserer Menschheitsgeschichte Epileptiker waren, wie z.B. Nobel, Papst Pius, Jeanne Darc, Julius Cäsar, Da Vinci u.s.w.. Ohne den Epileptiker Edison säßen wir noch heute abends bei Kerzenschein, was sicher sehr romantisch wäre aber auch sehr unpraktisch.

Vergessen scheint auch, dass Epilepsie einmal als heilige Krankheit gesehen wurde. Ist all das tatsächlich vergessen? Oder eher verdrängt oder nicht bekannt? Verdrängt zu Zeiten als die Kirche immer mehr die Macht übernahm und Epileptiker stigmatisierte. Von Besessenen wurde man dann zu Geisteskranken oder Irren und bis vor wenigen Jahren entweder zum gänzlichen Tabu oder zu einem, für Film und Fernsehen, spektakulären Fall. Denn Niemand fällt so schön dramatisch wie ein Anfallskranker. Das bringt Quote… Quote und Angst. Angst vor dem Unbekannten…

 

Wie sagte man zu mir in der Klinik: “Wie bekommt man denn SOWAS?“ Gute Frage, dachte ich. Doch offen gestanden wusste ich das damals selbst nicht. Mir erging es genau wie den behandelnden Ärzten. Wie schnell man sich eine Epilepsie, bzw. einen Krampfanfall einhandeln kann, war mir gar nicht klar. Und der Gesamtbevölkerung scheinbar auch nicht, sonst würde der Eine oder andere sicher etwas vorsichtiger mit seinem Körper umgehen. Komasaufen gäbe es vielleicht gar nicht mehr. Und Kinder würden gerne ihre Helme aufziehen. Vielleicht!!! Vielleicht aber auch nur wenn man das allgemeine Bild der Epilepsie aufrecht erhält. Hinfallen, Schaum vor dem Mund, Einnässen, Krampfen, Scham.

 

Was aber wäre, wenn die Öffentlichkeit erfahren würde, dass es viel häufiger andere unauffälligere Anfallsarten gibt. Wenn z.B. bei einer Ärztesendung einfach mal ein Besucher starr in eine Ecke schaut als würde er träumen. Nur ganz wenige Sekunden. Und dann würde der aufmerksame Doktor eine Epilepsie diagnostizieren. Unspektakulär??? Ja, das mag wohl stimmen aber es würde sicherlich eine große Diskussion in Gang setzen. Das soll Epilepsie gewesen sein? Gibt es das wirklich? Eine nette Szene für eine Polizeisendung wäre auch die superintelligente Chefin, die plötzlich unkontrolliert Dinge tut, die so gar nicht logisch sind und dann nach nur 2 Minuten wieder überrascht klar wird. Die Fahndung nach der Droge ergäbe dann eine komplex fokale Epilepsie, die sie selbst überrascht, hat sie das doch schon ewig.

Ganz unspektakulär auf den ersten Blick aber tausend Fragezeichen über den Bildschirmen… Der Professor der eben mal zwei Minuten mit der Hand zittert, die Richterin die mal eben inne hält um dann ganz, als wäre nichts gewesen, weiter spricht. Ganz interessant wäre auch der klassische Grand mal, also das hinfallen und krampfen, OHNE Einnässen und ohne Festhalten und Panik Außenstehender.

Ich stelle mir da eine Abifeier vor, ein Jugendlicher kippt um und die ganze Klasse reagiert ganz gelassen. Ein Klassenkamerad schnappt sich eine Decke und legt sie dem Kumpel unter den Kopf, ein anderer räumt die Stühle beiseite und ein Dritter ruft die Eltern an um sie, in ganz ruhigem Ton, zu bitten ihren Junior einzusammeln, damit er beim Abiball, wo er als Schüler des Jahres gekrönt wird, wieder fit ist. Die Anderen unterhalten sich derweil darüber das er ja jetzt schon eine Weile anfallsfrei war aber die Medikamente wegen einer Magen Darm Grippe wohl in der Wirksamkeit etwas abgeschwächt waren. Ganz unspektakulär, als wäre dies das normalste von der Welt. Und zum Abschluss noch ein Danke der Eltern, die heilfroh sind dass die Klasse so toll und vorbildlich reagiert.

 

Doch was sehen wir? Krampfende die von laut umher schreienden Helfern fest gehalten werden, ein panischer Notarzt der seinen Assistenten anbrüllt und in der Klinik die niederschmetternde Diagnose, das er wohl nie wieder ein normales Leben führen kann. Na Klasse… Und dann wundern wir uns über das Bild des Epileptikers in der Gesellschaft.

 

Auf der anderen Seite muss ich gestehen das auch ich, alles was ich z.B. über Diabetes oder einen Herzinfarkt weiß, aus Kliniksendungen kenne. Schlussendlich weiß ich also so gut wie nichts und das wenige wird noch falsch sein. Natürlich kann man jetzt argumentieren dass es doch nun wirklich genug medizinische Sendungen gibt die fundierte Aufklärung über diese Krankheiten liefern. Das ist definitiv richtig aber was betrifft das mich? Keiner in meiner Familie hat einen Herzinfarkt oder Diabetes und solange das so bleibt habe ich mit meiner eigenen Geschichte genug zu tun. Ich bin Anfang 40 und habe noch sehr viel mehr anderes im Sinn als mich nur mit Krankheiten zu beschäftigen die ich vielleicht irgendwann mal bekommen könnte – oder auch nicht…

 

Es gibt also nur zwei Möglichkeiten die Öffentlichkeit über das wahre Gesicht der Epilepsie auf zu klären. Erstens, die Medien fangen endlich an die Dramatisierung der Realität weichen zu lassen und Zweitens müssen wir Selbst unseren Beitrag leisten. Wer uns kennt wenn wir uns outen weiß, dass wir intelligent sind und weit davon entfernt geisteskrank zu sein. Wenigstens im medizinischen Sinne… ;-)

Die meisten Gesprächspartner sind auch sehr interessiert wenn man lachend erzählt was es für Schauergeschichten über Epilepsie gibt. Ich sage immer gerne „früher hätte man mich verbrannt. In der Walpurgisnacht geboren und dann noch Epilepsie, das wäre zu dämonisch gewesen“ Daraufhin kommt wirklich immer ein lockeres entspanntes Gespräch zustande wo man vieles ins rechte Licht rücken kann. Und ich persönlich rücke nicht nur meine eigene Anfallsart ins rechte Licht, sondern ganz nebenbei auch noch einige andere Anfallsarten, nämlich die unspektakulären und unbekannten. Die meisten Menschen verlieren so innerhalb weniger Minuten ihre Unsicherheit von einem gesamten Krankheitsbild und nicht selten kommt dann der Satz „Naja, meine Tante hatte ja auch Epilepsie…“

 

In diesem Sinne

Ihre Anja D.-Zeipelt ;-)

 

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Schulmedizin und Homöopathie bei Epilepsie? (von Gastschreiber Dieter Schmidt)

Schulmedizin

Hausarzt, Neurologe, Psychologe, Epileptologe


Naturheilmedizin

Heilpraktiker, Homöopathen, Naturheilkundler, Selbstheiler, Schamanen, Priester, und selbst Jesus war ein Heiler

Der Grundsatz: Wer heilt hat recht, gilt immer.

Man sagt, für jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen. Es wird auch von der heilenden Kraft des Lachens geredet. Seelenheilkunde war schon immer ein großes Thema.

Es hat in allen Kulturen Menschen gegeben, die heilerische Fähigkeiten mit der Unterhaltung verbanden. Und dann gab’s da noch den Medizinmann.

Ein Großteil der Medizin ist immer Seelenheilkunde gewesen, doch dafür fehlt den Ärzten in unserem Kassensystem heute oft die Zeit, deshalb sind ja auch Heilpraktiker so beliebt. Es ist natürlich eine Sache der Finanzierung und hier sind betuchte Leute sehr im Vorteil. Man sagt nicht umsonst, was nichts kostet ist nichts. Was teuer ist MUSS gut sein. „Glaube versetzt Berge“!


Aber, bei den schweren chronischen Krankheiten kann die Naturheilkunde der Schulmedizin nur unterstützend helfen. Nachweislich können hier nur Pharmazeutische Mittel wie Antiepileptika bei Epilepsie mit Erfolg wirken. Das wird immer wieder gepredigt, aber es hören nur die zu, die sich den Heilpraktiker nicht leisten können. Schade eigentlich, denn auch Schulmedizin und Heilmedizin könnten ein durchaus starkes Team in unserer Gesundheitspolitik sein.


Freie Therapiewahl für alle

Ein Hauptinteresse, das uns alle eint, ist unsere Gesundheit. Wer als Pflichtversicherter krank wird und schulmedizinische Therapien und Medikamente NICHT wünscht, sieht sich mit mindestens zwei Problemen gleichzeitig konfrontiert.

Der Hausarzt kennt sich mit Naturheilverfahren nicht unbedingt aus und der Heilpraktiker wird von der Krankenkasse nicht bezahlt. Was bleibt dem Patienten nun anderes übrig? Schulmedizinische Medikamente schlucken? Oder tief in den Geldbeutel greifen, um sich naturheilkundlich beraten und behandeln zu lassen?

Ein Herzinfarkt erfordert zum Beispiel akute medizinische Hilfe. Aber wenn die Gefahr gebannt ist, dann kommt die Naturmedizin unterstützend zum Einsatz. Das gilt auch für Krebspatienten, Epilepsiepatienten etc. Strahlen- oder Chemotherapien sind nachweislich besser verträglich, wenn sie durch Naturmedizin ergänzt werden."

Doch um welche Erkrankung es auch geht - in allen Fällen ist fachkundiger Rat wichtig. Denn falsch dosiert oder verkehrt angewendet, können auch Naturheilmittel schaden. Viele Patienten glauben, Naturheilverfahren hätten weder Neben- noch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Stimmt nicht", "Was wirkt, kann auch Nebenwirkungen haben." Die seien jedoch bei natürlichen Medikamenten "nicht annähernd so extrem wie bei vielen schulmedizinischen Arzneien".

Da der Normalverbraucher naturgemäß wenig Geld für Sonderausgaben, wie homöopathische Arznei oder Akupunktur hat, ist er automatisch der Schulmedizin ausgesetzt. Er kann sich etwas Besseres schlicht und einfach nicht bezahlen. 


Die bekanntesten Naturheilverfahren: Akupunktur, Anthroposophische Medizin, Aromatherapie, Ayurveda, Bach-Blütentherapie, Bioresonanztherapie, Chiropraktik, Erdstrahlen-Abwehr, Frischzellentherapie, Heilfasten und Entschlacken, Hildegard-von-Bingen, Homöopathie, Irisdiagnostik, Magnetfeldtherapie, Ozontherapie, Reiki, Schüßler-Salze, Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), Trennkost. Sie sehen schon, hier tummeln sich einige „Spezialisten“. Man könnte es mit einem Haifischbecken vergleichen…


Schulmedizin und Naturheilverfahren können sich ergänzen

Viele sagen ja schon: Ich kann mir keine Krankheit mehr leisten. Da ist viel Wahres dran.

Ich wünsche Euch optimale ärztliche Versorgung


Dieter Schmidt

 

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Achterbahn Epilepsie

Sonntag Morgen, die Sonne scheint auf das verschlafene Gesicht, die Brötchen liegen schon im Körbchen, der Kaffee duftet und vor einem liegt ein toller Tag mit der Familie. Epilepsie, ja und??? Wen interessiert die schon?

 

Mittags am See kitzelt der warme Wind die Nase und lässt die Haare herrlich wehen, während die Sonne auf dem Wasser glitzert. Herrlich!!! Vor wenigen Jahren noch wäre das nicht möglich gewesen, da war man noch nicht anfallsfrei und gehörte zu den wenigen Prozent von Epilepsiekranken die von Flackerlicht Anfälle bekommen, aber jetzt, jetzt hat man durch die Tabletten alles im Griff und kann es auch genießen. Die Welt kann so schön sein.

 

Abends im Bett denkt man noch lange darüber nach wie positiv sich doch alles entwickelt hat im Gegensatz zu früher, als man verzweifelt gegen die Anfälle kämpfte und im Dunkeln tappte. Man schläft dankbar, mit einem Lächeln im Gesicht, ein.

 

Als man montags wieder aufwacht sind die Beine wie Blei, die Augen wollen einfach nicht auf gehen und das Geschrei der Kinder macht einen beinahe wahnsinnig. Dünnhäutig ist man geworden, schwerfällig, antriebsarm, nicht belastbar. Das sind die Tabletten, manchmal schlagen die Nebenwirkungen eben wieder zu. Nicht immer gleichbleibend, je nach Tagesform mal mehr oder mal weniger aber an diesem Tag eben nicht mehr zu ignorieren. Während man sich und seinen Körper quält steigt erneut die unterdrückte Wut auf. Warum??? Warum muss ich so viele Tabletten schlucken, warum muss ich Epilepsie haben, warum bekomme ich keinen Arbeitsplatz, warum bin ich gereizt? Und überhaupt, warum ich???

 

Gestern noch, als man den Mann im Rollstuhl sah, war man dankbar dass man nur Epilepsie hat. Gestern noch, als man in den Nachrichten die Katastrophenmeldungen gesehen hat, war man dankbar hier zu leben – in relativer Sicherheit. Gestern noch, als man die alten Fotoalben durchsah und Bilder gesehen hat aus Zeiten wo man viele Anfälle hatte, war man dankbar für die Fortschritte der Medizin und die Medikamente. Aber gestern ist nicht heute. Vergessen ist der Weitblick, die Dankbarkeit und das tolle Lebensgefühl von gestern. Heute ist nicht gestern, heute sind die alten Schatten wieder da. Die Schatten von denen wir uns allzu oft mitreißen lassen. Und wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, wissen wir ja auch dass wir vor den Anfällen nie sicher sind. Genau wie kein anderer Mensch, der Unterschied ist nur, wir wissen was es bedeutet Anfälle zu haben, während der überwiegende Teil unserer Mitmenschen keine Ahnung hat das auch er eine Wahrscheinlichkeit von 5% hat einen epileptischen Anfall zu bekommen. Wir kennen die Macht die uns überwältigt, uns die Zügel aus der Hand reißt und uns ins Straucheln kommen lässt.

Aber genau das kann auch ein Vorteil sein. Wir kennen es und tief in unserem Innern erwarten wir es auch. Und das ist das eigentliche Problem. Wenn uns dann ein Freund sagt, denk an die alte Weisheit von Reinhold Niebuhr „Lieber Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hin zu nehmen die ich nicht ändern kann, gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. „ dann wissen wir das er recht hat.

Es nützt uns nichts zu trauern, zu neiden oder zu jammern. Unsere Unzufriedenheit wird nur größer und unsere Stimmung nur noch schlechter.

 

Im Inneren wissen wir ja auch dass es kaum einen Menschen auf der Erde gibt der nur mit Glück und ganz ohne Schmerzen gesegnet ist. Jeder trägt sein Päckchen auf seine Weise, der eine früher, der andere später. Und schauen wir uns in der Welt um, entdecken wir, dass bei uns selbst die Ärmsten noch mit einem Computer ausgestattet sind. Hören wir uns um, dann merken wie sehr schnell, dass viele Menschen um uns herum auf sehr hohem Niveau jammern. Ganz ohne Epilepsie und ich denke mir „wenn Ihr wüsstet“. Bevor ich mich von solchen Jammereien herunter ziehen lasse, meide ich solche Diskussionen und versuche mich mit fröhlichen Menschen zu umgeben. Die lassen mich vergessen wie schwankend ich manchmal bin.

 

Trotzdem kann man ja nicht immer raus gehen und seinem Innersten trotzen. Und manchmal ist einem auch ein herrlicher Sonntag zu viel. Da ist das sonst so herrliche Vogelgezwitscher plötzlich Geschrei im Kopf und der verständnisvolle Partner versteht die Welt nicht mehr. Nicht umsonst ist die Depressionsrate bei Epilepsiekranken höher als unter der Normalbevölkerung.

 

Oft ist es ein schleichender Prozess. Ein Prozess den wir selbst kaum bemerken. Und doch sollten wir ihn nicht ignorieren. Wir Epilepsiekranken brauchen einfach die Zeit für die Prozesse die in uns ablaufen. Eine Epilepsie ist eben nicht nur ein gebrochener Arm. Epilepsie ist auch heute noch Stigma, Tabu, Einschränkung und Unsicherheit. Eine andauernde Riesenbelastung, aber auch eine Chance. Eine Chance für den Mut, Dinge zu ändern, die man ändern kann. Klären wir zuerst uns auf und dann alle anderen und das Tabu wird Risse bekommen. Gleichzeitig wird auch unsere Unsicherheit schwinden und uns Selbstbewusster werden lassen (siehe unsere berühmten Vorgänger). Und ganz nebenbei können wir noch Menschen helfen. Doch wir sollten dabei auch nicht vergessen dass es trübe Montage gibt, wo uns alles schwer fällt. Vielleicht schaffen wir es ganz alleine durch diese Montage, vielleicht sollten wir aber auch Hilfe annehmen, sei es in Form von guten Gesprächen, durch eigenes aufschreiben seiner Belastungen oder ganz klassisch auch in einer längeren Therapie gegen mehr als nur schwarze Montage.

 

Epilepsie ist eine Berg- und Talbahn. Mal geht’s hinauf und mal hinab. Und meist entzieht sich diese Fahrt unserer Steuerung. Ein zu langes Hinauf rächt sich bei uns Epileptikern manchmal auch durch ein rapides Bergab. Geben wir beiden Strecken nicht zu viel Raum und versuchen wir unser Leben wieder auf eine Gerade zu bringen. Harmonie in uns selbst zu finden und die Höhen und Tiefen als eine Nebenwirkung zu sehen. Eine Nebenwirkung die wir nicht ändern können, die wir vielleicht aber etwas gelassener nehmen könnten, wenn wir daran arbeiten.

 

In diesem Sinne wünsche ich allen eine gute Tagesform

 

Ihre Anja D.-Zeipelt

 

 

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EU-Parlamentarier für Epilepsiekranke

Folgende Info hat mich in den letzten Tagen erreicht - Bitte lesen:

 

http://diepresse.com/home/gesundheit/662654/Gegen-die-Angst-vor-der-Epilepsie?_vl_backlink=/home/gesundheit/index.do

 

Ganz wie der Absender es angeregt hat, werde auch ich mich an unseren Vertreter im Europaparlament wenden um unseren Bedürfnissen Ausdruck zu geben. Hier findet man den für uns zuständigen Vertreter:

 

http://www.europarl.europa.eu/members/public/geoSearch/search.do?country=DE&language=DE

 

Ich würde mich freuen wenn viele Mitstreiter mitmachen.

 

Eure Anja

 

Quelle: Regina Pöll/die Presse.com

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Halbgötter in weiß oder Weißkittelmafia

Das sind Bezeichnungen die ich immer wieder höre aber meinen Erachtens nach beide ziemlich unpassend sind. Zum Einen werden Ärzte durch den Begriff hochstilisiert zu allmächtigen, allwissenden Wesen, zum anderen von dann enttäuschten Patienten als die bösen Ärzte oder auch Weißkittel abgestempelt. Was gerne vergessen wird ist die Tatsache, dass unter den weißen Kitteln ganz normale Menschen stecken. Auch ein Doktor von und zu kann Migräneattacken haben, auch Prof. Helferlein Eheprobleme oder schlicht an Übermüdung kurz vorm Zusammenbruch stehen.

Leicht gemacht bekommen es die Ärzte von keiner Seite mehr. Beim Abitur werden hohe Anforderungen auf breiten Gebieten eine Hürde die vermeiden soll das Jeder Arzt werden kann, da es ein hoch anspruchsvoller Beruf ist, kommt dann aber der Praxisalltag nützen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse nichts mehr. Da werden Ärzten Dienste aufgebrummt die bei jedem anderen nicht denkbar wären. Dass die Konzentrationsfähigkeit nach bereits wenigen Stunden nachlässt interessiert nun nicht mehr. Der Operateur hat zu funktionieren, ob der Körper nun ein menschlicher ist oder nicht. Mindestens 100% sind hier Pflicht. Deswegen schickte der liebe Gott uns die operierenden Roboter. Wo den Mensch versagt, muss die Maschine her, Amen…

Auch die Leistungsfähigkeit eines Stationsarztes hat das übermenschliche gefälligst zu übersteigen. Der gute Mann hat gefälligst da zu sein. Immer und jederzeit und vor allem hellwach und hochkonzentriert. Das erwarten nicht nur die Patienten und Klinikchefs sondern auch die Krankenkassen, die ja schließlich genaueste Berichte, natürlich in verschlüsselter Form, haben möchten. So ist der Beruf des Arztes sehr vielseitig. Helfer, Retter, Halbgott, Bürokrat und Manager. Da ist es kaum verwunderlich dass dem Berufsstand Mediziner allmählich die tatsächlich Berufenen ausgehen.

Der kleine Landarzt hat da vielleicht noch etwas mehr Ansehen und mehr Zeit für echte Anteilnahme, betrachtet man sich jedoch die überall an Praxistüren aushängenden Abrechnungsmodelle sollte man besser überlegen ob der Berufsstand des Tierarztes nicht einträglicher wäre. Wer arbeitet schon für einen solch obskuren Stundensatz. Naja wir Autoren, die nicht gerade Joanne K. Rowling heißen vielleicht, aber wir finden das auch nicht beflügelnd und so manche Schreibblockade zeugt von Sorge um die Existenz. Die darf es freilich beim Arzt nicht geben, weder Viren, Bakterien noch der Sensenmann nimmt auf solche Sorgen Rücksicht. Jetzt wird sich Mancher aufregen und sagen dass der Arzt doch wohl genug verdiene. Das tut der eine oder andere sicherlich auch. Derjenige der eine gutgehende Praxis übernommen hat, der Glückspilz der vom gut situierten Elternhaus kräftige Finanzspritzen zum Studium und zur Einrichtung einer Praxis bekommen hat und sicher noch so manch andere vom Glück geküsste. Aber die Realität sieht heute anders aus.

Wir hätten unseren Kindern kein Medizinstudium ermöglichen können. Alleine die Regelstudienzeit beträgt ja schon 12 Semester und 3 Monate. Das bedeutet für viele Medizinstudenten den Berufsstart mit immensen Schulden. Die Frau meines Pneumologen erzählte mir einmal dass sie in der heutigen Zeit kaum noch die Chance auf eine eigene Praxis gehabt hätten. Nicht wegen des Wollens oder Könnens sondern alleine wegen dem finanziellen Aspekt. Was passiert? Die kleinen Praxen sterben aus, Landärzte werden immer weniger, anonyme Ärztehäuser in Städten werden die Regel sein.

Und was ist die Konsequenz dieser seltsamen Gesundheitspolitik? Immer mehr Spitzenärzte gehen ins Ausland, die Patienten müssen entweder einen Detektiv beauftragen um einen wirklichen Spezialisten für sein Leiden zu finden, denn Otto normal Doktor hat keine Zeit mehr für intensive Fortbildungen, er muss ja Bürokratie für die Kasse erledigen und Ärzte aus Berufung werden über kurz oder lang Geschichte sein.

Der tatsächlich leidtragende ist hier aber nur Einer, nämlich der, der am kürzesten Hebel sitzt. Der Patient. Hat man nicht zufällig das Glück Privatpatient zu sein, und ich gestehe dass ich das Vorziehen der Privatpatienten aus ökonomischen Gründen nachvollziehen kann, muss man Wochen- bis Monatelange Wartezeiten in Kauf nehmen. Eine Tatsache die Existenzen oder Leben kosten kann. Hat man die Wartezeit der Normalsterblichen, also der Kassenpatienten hinter sich gebracht, fängt das Glücksspiel erst an. Hat der Arzt überhaupt ausreichend Zeit für mich und hört er mir auch zu? Hat er Ahnung mit meinem speziellen Krankheitsbild und ist er auf dem aktuellen Stand oder muss nur dringend Geld in die Kasse und ich werde unnötig falsch behandelt, nur um diese wieder klingen zu lassen? Was meines Erachtens nach alles nicht nötig wäre, wenn der Arzt seine Leistungen anständig entlohnt bekäme und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen könnte die er für sinnvoll hält und nicht die Kassen. Interessant finde ich immer wieder die Sparmaßnahmen unseres Gesundheitswesens. Bei Epilepsiekranken ist der Wechsel eines Präparates von Hersteller A zum Hersteller B, trotz desselben Inhaltsstoffes problematisch, da erwiesenermaßen Anfälle ausgelöst werden können. Obwohl genau dies in einem ausführlichen Bericht der Apothekerfachzeitung im Jahr 2010 geschildert und vor einem Wechsel gewarnt wurde, passiert genau dies immer wieder. Der Patient muss hier aufpassen wie ein Luchs, denn nicht selten enden solche Sparverordnungen in der Klinik. Was dann die Frage aufwirft, was denn nun teurer kommt. Das Medikament was Anfallsfreiheit bescherte, auch wenn ein paar Euro teurer als das momentan günstigste Präparat, oder der Einsatz des Notarztes, mit anschließendem EEG, Blutentnahme und stationärer Aufnahme in der Klinik. Eine Hausfrau die ihrer Familie abgelaufene Lebensmittel gibt, nur weil sie zu geizig ist um Frische zu kaufen, würde man als verrückt abstempeln wenn die Familie mit Magen- Darm Koliken behandelt werden muss. Wer macht denn sowas??? Aber bei den Epilepsiemedikamenten wird so Einiges riskiert. Oftmals steht man als Patient einem Apotheker gegenüber der genau weiß das er gerade ein Risikomedikament übergibt, der jedoch zu machtlos ist um ein zu greifen. Da fragt sich der gesund denkende Mensch. Was wissen die Verantwortlichen einer solchen Gesundheitspolitik tatsächlich über ebendiese? Wenn der Gesundheitsminister hier ein Mitspracherecht hat, welche Qualifikation hat er überhaupt dazu??? Mich wundert es sowieso immer wieder wie man von einem Ministerposten zum nächsten springen kann. Allwissende Politiker?

All das macht sich im gesamten Gesundheitswesen bemerkbar und so ist es kaum verwunderlich das auch die Menschlichkeit manchen Ärzten massiv abhanden gekommen ist und das einzige was uns noch als menschlichen Patienten auszeichnet ist die Tatsache das wir auf zwei Beinen gehen (wenn wir noch können). Doch Kassen und Ärzte sollten sich nicht täuschen, in Zeiten des Internets und google ist die Eigeninformation der Patienten nicht mehr gering und mancher Patient zieht nach dem Gespräch mit dem Arzt kopfschüttelnd seiner Wege. Das Ärztehopping beginnt. Denn egal ob Kassen- oder Privat versichert, eine anständige Behandlung will jeder Patient – ob sich das nun aufs Fachliche oder auf die Menschlichkeit bezieht. Und solange es noch seltene Exemplare der Gattung Arzt aus Berufung gibt, die unsere Gesundheitspolitik noch nicht klein bekommen hat, werden wir sie suchen. Und das kostet…

 

Bleiben Sie gesund… Ihre Anja Zeipelt

 

 

 

Und hier noch ein sehr passender Artikel dazu von Dieter Schmidt (SHG Reutlingen):

 

 

Epilepsiebehandlung 1960 und 2010

Verhalten der Menschen mit Epilepsie 1960 und 2010

Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, wo Epilepsie ein Tabu-Thema war. Über Epilepsie wurde in den 60er Jahren nicht gesprochen, Epilepsie wurde weitgehend ignoriert oder verharmlost. Die NS-Zeit war ja immerhin erst 15 Jahre vorbei und die damaligen Horrortaten steckten den Leuten, hauptsächlich den Ärzten, noch in den Gliedern. Immerhin waren sie es, die die damaligen unwerten Leben in den Tod schickten. Und dieselben Ärzte sollten nun Epileptiker behandeln – ein unheimlicher Spagat!! Es war also durchaus nachzuvollziehen, dass die damaligen Betroffenen und deren Angehörigen die Krankheit verheimlichten so gut es eben ging. Bei den weniger spektakulären Epilepsiearten war dies auch überhaupt kein Problem, man wurde als nervös oder fahrig diagnostiziert. Bei den großen Anfällen wurde das schon etwas dramatischer, hier stießen die damaligen Ärzte an ihre Grenzen. Es wurde die „Fallsucht“ als Erb-und Geistes-krankheit eingestuft. Ich hatte damals (1955) das große Glück, an 2 junge, mutige Kinderärzte zu geraten. Sie waren die Vorläufer der neuen Epilepsiediagnostik. Spezialisten wie die heutigen Epileptologen gab es damals nicht! Die Behandlung bestand grundsätzlich aus äußerlicher Beobachtung und, das war neu, dem EEG. Medikamente waren Brom und Valproinsäure, Uraltmedikamente die teilweise heute noch Anwendung finden.

In den letzten 25 Jahren hat sich enormes getan. Diagnostische Gräte wie CMT, MRT wurden immer mehr verfeinert auch die Medikamente wurden immer besser und griffen die inneren Organe nicht mehr so sehr an. Zu guter Letzt kam die Epilepsiechirurgie, die schwere Epilepsien sehr gut behandeln kann. Man kann also insgesamt sagen, dass die gesamte Epilepsiebehandlung einen Erfolg verzeichnen kann.

Was gravierend auffällt, ist das Verhalten der Menschen damals und der Menschen heute.

Damals waren die Menschen bei weitem nicht so aufgeklärt wie heute, der Arzt war noch der Gott im weißen Kittel! Seine Meinung zählte und man glaubte es. Die Grand-mals wurden mit „Kanonen“ beschossen und die kleinen Anfälle meist vernachlässigt. Man kann sagen, wir waren sehr naiv weil wir es nicht besser wussten. Aber die Anzahl der Epileptiker muss sogar noch höher gewesen sein als heute. Denn es gab ja viele Kriegsverletzte mit Kopfwunden und solche Menschen hatten oft Epilepsie. Aber, und da wiederhole ich mich leider gerne, auch diese Leute verschwiegen ihre Krankheit.

Heute sind die Menschen durch die neuen Medien so gut aufgeklärt, dass die Ärzte sehr in Nöte kommen, wenn ein selbstbewusster Epileptiker als Patient in die Praxis kommt. Das ist gut dass mancher Epileptiker sein eigener Spezialist geworden ist, aber Voraussetzung für eine gute Behandlung kann nur eine gegenseitige vertrauliche Basis sein.

Diese Entwicklung ist für uns sehr gut und sollte unbedingt in allen Köpfen etwas ermöglichen. UND WENN ES NUR DEMUT WÄRE.


Dieter

 

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Anfallsauslöser - wieviel Macht haben sie wirklich?

Schaut und hört man sich in der Epilepsieszene um, geistert immer wieder ein einziges Wort durch alle Münder und Köpfe. Ein Wort, das alleine schon durch seine Existenz Angst zu machen scheint und Unsicherheit auslöst. Eine Buchstabenabfolge die genau das beschreibt was jeder Epilepsiekranke so sehr fürchtet. Die Anfallsauslöser.

 

Interessant ist die die Vielfältigkeit der Anfallsauslöser. Schaut man in medizinischen aktuellen Medien wird sehr vorsichtig mit dem Wort Anfallsauslöser umgegangen, wogegen manche Epilepsiepatienten immer und überall potentielle Anfallsauslöser lauern sehen. Ich möchte versuchen diesem Mythos heute einmal auf den Grund zu gehen.

 

Warum haben die Menschen eigentlich solche Angst vor den Anfallsauslösern? Klar weil sie Anfälle verursachen. Aber verursacht Angst nicht auch Anfälle? Warum kämpfen die Menschen dann gegen alle möglichen und unmöglichen Anfallsauslöser aber nicht gegen die Angst???

Der Eine oder Andere wird jetzt vielleicht sagen das man die Angst nicht bekämpfen kann, doch in kann Ihnen versichern dass das tatsächlich geht. Oftmals haben auch nicht die Anfallskranken selbst solche panische Angst vor den Anfallsauslösern, sondern deren Angehörige. Eine Mutter die mit Argusaugen jeden Freundetreff misstrauisch beäugt, aus Angst ihr Sprössling könnte in die gefährliche Disco gehen, wird dem Nachwuchs sicherlich keine Selbstsicherheit geben. Die Ehefrau die ihrem Mann das Fahrrad fahren ausredet weil er doch nicht nach 2 anfallsfreien Jahren wieder so ein Risiko eingehen will klammert höchstens, tut ihrem Mann aber nichts Gutes. Die Oma die Epilepsie immer noch als Teufelswerk sieht und ihrem Enkel das Reden über die Krankheit verbietet, erstickt das Kind in Selbstzweifeln und Depression.

 

Viele unserer Ängste haben wir nicht Selbst gemacht, sondern sie wurden uns diktiert. Andere wiederum haben wir persönlich anderen unbedarften Menschen eingeredet. Wenn 80% unserer Konversation mit dem Satz endet „das darf ich nicht“, wäre es ein Wunder wenn sich das nicht in den Köpfen verankern würde. Dabei würde uns Vieles vermeintlich Verbotene sogar sehr gut tun.

 

Gerade heute entdeckte ich durch einen Link auf einer Internetseite Ratschläge von einer Frau XYZ, die überall Bedrohungen lauern sieht.  Ich denke auch nicht dass Frau XYZ da alleine steht, vielmehr denke ich, das noch viele Patienten der Meinung sind das alle möglichen Anfallsauslöser auch ihnen persönlich gefährlich werden könnten. Im Prinzip glaube ich nicht nur daran, sondern bin mir da sogar sehr sicher, denn bis zum Jahre 2006 gehörte ich selbst noch dazu. Oder besser ausgedrückt, hatte ich selbst noch Angst davor…

 

In einer kleinen neurologischen Klinik vor knapp 10 Jahren: Diagnose komplex fokale Epilepsie. Behandlung: Ein Antiepileptikum das mich traumwandeln ließ und ein weißer Din A 4 Zettel, der mich tief verunsicherte. Auf diesem Blatt unschuldigen reinen weißen Papieres standen Dinge die mir ab sofort verboten waren. So mal nebenbei stand das da, auf weißem Papier in Times New Roman 12er Schrift. Ganz nebenbei würde sich durch diese Verbotsliste, die stark an die 10 Gebote erinnerten, aber mein ganzes Leben verändern, denn zufällig machten die meisten dieser verbotenen Dinge meinen Alltag aus.

 

Verboten waren...

 

-      Leitern steigen     (das war in meinem Beruf eher schlecht, denn   man bekommt ohne Leiter keine Gardinen an die Fenster.)

-      Fenster putzen    (damit kann ich leben, gut dass wir im oberen Stock wohnen, viel zu gefährlich…)

-     Kinder bekommen  (meine Familienplanung war zwar abgeschlossen aber war ich wirklich so schwer krank?????)

-    Auto fahren            (damit war meine Karriere dann sowieso beendet)

-    nicht baden           (auf meine neue Whirlwanne verzichten??? Das muss ich mir noch überlegen)

-   nicht schwimmen    (Mach ich sowieso nicht oft aber jetzt wo ich es nicht mehr darf…würde ich schon gerne)

-   nicht Fahrrad fahren    (damit komme ich klar)

 

Nun waren das ja nur die Verbote, das was jetzt kommen sollte waren die Anfallsauslöser und die machten mir noch sehr viel mehr Angst.

 

-          - Alkohol                               (Upps, ich feiere nicht nur gerne, ich genieße auch meine Weinabende)

-          - Flackerlicht        (gut dass ich aus dem Discoalter raus bin)

-          - Schlafentzug     (ich finde diese regelmäßigen Schlafenszeiten etwas lästig)

-          - Stress                   (das ist schlecht, seit meinen Anfällen stehe ich nur noch unter Stress)

-          - Aufregung         (Na Klasse, ich bin vor jedem Geburtstag meiner Kinder aufgeregt)

-          - Videospiele       (schade, habe ich bisher gerne mit meinem Sohn gespielt)

-          - Und andere Reize….  (nun ja…

 

….vergessen wurde auf diesem rein weißen Blatt das kleine aber feine Wörtchen „KANN“. Nach dem Pauschalformular hörte sich das so an als würden alle oben genannten Dinge für mich gefährlich sein. Ein kleines Missgeschick vielleicht oder auch ein Versäumnis des Schreibers aber dieses fehlende Wörtchen „kann“ oder „könnte“ veränderte mein Leben für die nächsten zwei Jahre komplett, denn ich war eine vorbildliche Patientin!!!

 

Zurück im Heute las ich in oben genanntem Ratgeberforum von Frau XYZ das Ausdauersport auch sehr gefährlich sei.

 

Wenn ich nicht schon vorab das Glück gehabt hätte von einem Epilepsie Professor aufgeklärt worden zu sein, hätte mich spätestens heute die Skepsis gepackt. Wenn Ausdauersport also schädlich ist, was ist dann mit dem Langstreckenläufer Georg Thoma, für den ein Marathon eher eine Kurzstrecke darstellt. Was ist mit Jerome Becher, der Marathon läuft und 24h Dauerschwimmen hinter sich hat. Was ist mit den anderen (berühmten) Sportlern mit Epilepsie?  Es mag durchaus sein dass nicht jeder Epilepsiepatient Ausdauersport verträgt aber bei der überwiegenden Zahl der Patienten wirkt Sport sogar entlastend, sie beschreiben sich nach dem Sport als emotional befreit und selbstsicherer.

 

Dieses Beispiel nehme ich nun als Anlass auch die oben genannten Verbote mit meinen eigenen Anfallsauslösern abzugleichen und auch mein heutiges Verhalten demgegenüber dar zu legen.…

 

-          - Leitern steigen                (Da ich eine Aura bekomme, habe ich persönlich genug Zeit um die Leiter wieder zu verlassen – ich steige also wieder auf Leitern, wenn auch nicht hoch)

-          - Fenster putzen                               (Hier ist dasselbe wie beim Leitern steigen, eine Aura warnt mich)

-          - Kinder bekommen         (Ich habe eine erworbene Epilepsie, kann sie also unmöglich vererben, doch selbst wenn das anders wäre, ist dieses Verbot nach heutigen Erkenntnissen veraltet. Epileptiker müssen auf Kinder nicht mehr verzichten.)

-          - Auto fahren                      (Der Verzicht aufs Auto fahren tut zwar weh, speziell in ländlichen Regionen, hat aber seinen Grund, weshalb ich da auf meinen Arzt höre.)

-          - Nicht baden/schwimmen (Das Risiko bin ich für mich eingegangen)

-          - Nicht Fahrrad fahren        (auch da hätte ich meine Aura als Frühwarnsystem)

 

-          - Alkohol                                               (macht mir persönlich gar nichts aus, allerdings habe ich wunderbare Alternativen gefunden – alkoholfreie Biersorten gibt es mittlerweile Zuhauf)

-          - Flackerlicht                        (ich gehöre zu den 5% der photosensiblen Epileptikern. Seltsamerweise habe ich aber bei der Provokation in der Klinik keine Schwierigkeiten gehabt, im alltäglichen Leben allerdings schon. Oftmals merkte ich es erst hinterher, wogegen mich auch nicht alles reflektierende oder rotierende reizt.)

-          - Schlafentzug                     (Hier kommt es auf meine Tagesform an. Manchmal schaffe ich keine 5 Stunden ohne Schlaf, an anderen Tagen reichen mir 5 Stunden Schlaf für 2 Tage. Ich achte da auf mein Befinden und reagiere darauf)

-          - Stress                                  (positiver Stress macht mir überhaupt keine Probleme, negativer Stress kann mich aber schon aus der Bahn werfen, besonders wenn er geballt kommt)

-          - Aufregung                         (Da ist es wie beim Stress, positive Aufregung ist o.k., negative kann sich bemerkbar machen)

-          - Videospiele                       (Damit habe ich keine Schwierigkeiten, allerdings spiele ich auch keine virtuell aufwendigen Spiele)

-          - Andere Reize…                                (Oh ja, es ist immer wieder überraschend….

 

…Vergangene Woche war ich zur Gründungsfeier einer Epilepsiestiftung eingeladen. Ich sollte Bilder ausstellen, malen und das entstandene Bild verlosen. Natürlich waren mein Mann und ich schon lange vor Beginn der Veranstaltung dort um aufzubauen und zu malen. Gleichzeitig baute die Musikkapelle ihr Equipment auf und stimmt die Instrumente. Alles war gar kein Problem bis man die Geige oder Violine einstimmte. Der Ton bohrte sich in meinen Kopf als säße er mitten im Hirn, um meinen Nacken/Hinterkopfbereich fühlte es sich an, als würde mich ein eiserner Ring umklammern. Ich konnte es einfach nicht aushalten, musste sofort raus gehen und mich ablenken. Selbst als ich im Flur war und den Ton nur noch gedämpft hörte, war er unerträglich präsent. Das war eine Überraschung für mich, denn ich hätte nie gedacht dass ein hoher Ton, bzw. eine schnelle Tonfolge bei mir Anfallsauslösend wirken könnte. Übrigens war ich die Einzige im Saal, die Probleme damit bekam. Woran man sieht wie individuell das alles ist.

 

… Zwei Tage später war ich wieder erholt und half meiner Schwiegermutter auf ihrem 70. Geburtstag. Gemeinsam mit meinem Mann und meiner Tochter richteten wir Brote und Kaffee, spülten ab und bedienten die max. 20 Personen. Nach drei Stunden schwirrte mir schon der Kopf, ich verwechselte Worte, zitterte und musste mich hin setzen. Nach einer kurzen Pause machte ich weiter und geriet an einen Mann der mir intensiv seine Geschichte erzählte. Inhaltlich ging ein Großteil nicht mehr in meinen Verstand aber der eiserne Ring um meinen Hinterkopf kam zurück und ich hatte das Gefühl gleich um zu kippen. Mir war klar dass ich ganz schnell absolute Ruhe brauchte und so fuhren wir schnell nach Hause. Der kühle Fahrtwind der durchs Fenster auf meine Stirn blies, ließ die Spannung etwas abbauen aber ich hätte mit Sicherheit keine 5 Minuten mehr ohne Folgen überstanden.

 

Ein herber Rückschlag für mich denn ich wollte so gerne wieder arbeiten gehen. Doch hier muss ich mich nun fragen, wo sind denn nun alles meine persönlichen Anfallsauslöser? Was kann ich tun, was kann ich nicht tun? Viele Leute machen mir normalerweise gar nichts aus. Jedenfalls nicht wenn ich nicht dauernd unter Strom stehe. Haben sich meine Anfallsauslöser geändert in den letzten Jahren oder war einfach alles etwas zu viel für mich? Vielleicht war es auch gar nicht epileptisch sondern psychisch?

 

Dabei habe ich mich in einigen Dingen niemals meiner Epilepsie gebeugt. Ich trainiere seit 16 Jahren mein Männerballett und habe auch nicht vor das aufzugeben, gehe als Ulknudel genauso auf die Bühne wie als Epilepsiebotschafterin und spiele auch Hobbiefußball. Das Risiko in der Öffentlichkeit einen Anfall zu bekommen habe ich also immer getragen, denn es war meine persönliche Entscheidung. Wenn es um den Arbeitsmarkt geht sieht es aber anders aus, da entscheidet ein Anderer…

 

Fragen über Fragen die man aber nicht mit einem pauschalen weißen Blatt Papier beantworten kann. Hier gilt es nun heraus zu finden warum ich plötzlich wieder so empfindlich bin. Ein Tagebuch wird mir und meinem Arzt helfen dies heraus zu finden. Dort werde ich meinen jeweiligen Tagesablauf, meine Stimmungen, Gefühle u.s.w. fest halten und analysieren. Nur so kann ich mich und meine Epilepsie neu kennen lernen und mein Leben so normal wie es mir möglich ist weiter leben. Ich habe das zwar alles schon hinter mir aber es scheint sich etwas geändert zu haben, also beginnt der Spaß von vorne.

 

So mühsam das auch alles sein mag, ist es trotzdem besser als allen potentiellen Anfallsauslösern aus dem Weg zu gehen. Epileptiker die sich, nur von Angst geleitet, allem entsagen, beschneiden sich und ihr Leben um ein großes Stück Lebensqualität und Freude. Ja, es gibt sie die Anfallsauslöser aber nicht Jeder hat dieselben. Genauso wenig wie es DIE Epilepsie oder DEN Patient gibt, gibt es DIE Anfallsauslöser. Wir sind individuell und das ist ja gerade das Schöne am Mensch sein.  Mein Rat: Vergesst nicht zu Leben, habt Spaß und investiert etwas Zeit in die Suche Eurer persönlichen Quälgeister. Die könnt Ihr dann verbannen aber mit allen anderen angeblichen Schatten kann man auch richtig viel Spaß haben.

 

In diesem Sinne würde mich Eure Meinung interessieren, unten im Blog ist`s möglich

 

Eure Anja D.-Zeipelt

 

Hier noch ein paar interessante und lesenswerte Links dazu:

http://www.epikurier.de/Ist-Stress-schaedlic.849.0.html  (Epilepsie und Stress)

http://www.epilepsie-selbst-kontrollieren.de/html.html (sehr interessante Seite)

http://www.epilepsie.sh/Anfallsselbstkontrolle.325.0.html

http://www.swissepi.ch/web/swe.nsf/swehomepage_followup?OpenPage

                                                          

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Epilepsie und das world wide web

Epilepsie hat eine große Zeitreise hinter sich und bis zum Jahr 2011 war es ein weiter und steiniger Weg. Zu Zeiten von Hippokrates war das Wissen über Epilepsie größer als ein Jahrtausend später und auch der Glaube an die Heilige Krankheit musste dem Glauben an eine Besessenheit weichen. Dass die Kirche, meines Erachtens nach, daran einen nicht unerheblichen Beitrag hat, drängt sich förmlich auf wenn man die Exorzismus Fälle betrachtet die noch bis ins letzte Jahrhundert praktiziert wurden.

Dennoch wird nicht nur das Wissen um die Epilepsie selbst, sondern auch das Wissen um prominente Epileptiker* immer größer. Ohne Edison lebten wir vielleicht heute noch im Dunkeln, Cäsar eroberte einen Großteil der Welt und Michelangelo war ein Künstler der noch heute Ehrfurcht in mir weckt. Allerdings nicht mehr als ich Leonardo da Vinci bewundere. Wer einmal in Rom seine Erfindungen und Werke bestaunt hat weiß was ich meine. Es gibt noch sehr viel mehr „alte Meister“ unter den Epileptikern*, doch wollte ich ja hier über die Epilepsie in der heutigen Zeit berichten.

Die heutige Zeit, also das 21. Jahrhundert, hat sich nicht nur in medizinischen Dingen weiter entwickelt, sondern speziell bei den sozialen Möglichkeiten haben sich ganz neue Welten aufgetan. Für uns Patienten fast noch mehr als für die Mediziner, denn soziale Netzwerke und globale Informationsmöglichkeiten helfen jedem von uns während die Medizin auch heute noch manchmal an ihre Grenzen stößt. Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden, ich bin äußerst dankbar für die forschende Pharma, für Ärzte die sich intensiv mit der Epilepsie beschäftigen, für Schwestern die sich weiter bilden und Apotheker die wissen das man nicht einfach ein Antiepileptikum gegen ein billigeres Generika tauschen darf. Trotz allen diesen wunderbaren Bemühungen hat nicht jeder Epileptiker* Zugriff oder Kontakt zu eben diesen vorbildlichen Menschen oder deren Informationen und so tappen immer noch tausende Epilepsiepatienten völlig im Dunkeln und werden teilweise nach haarsträubenden Methoden behandelt, die nach dem heutigen Wissensstand veraltet sind. 

Es ist auch heute noch durchaus möglich dass man „das Kinder kriegen“ verboten bekommt oder der Beißkeil für den Notfall gelehrt wird. Meine Diagnose im Jahre 2002 beinhaltete auch noch den Rat auf weitere Kinder zu verzichten. Den Grund habe ich nie erfahren und es ist auch gut so, sonst würde ich mich wahrscheinlich noch mehr über solche wohl gemeinten „Ratschläge“ ärgern. Doch dank der neuen Medien sind immer mehr Menschen aufgeklärt. Vielleicht nicht unbedingt gleich bei der Diagnosestellung aber einige Wochen danach hat ein großer Prozentsatz der Patienten sich sehr wohl umfassend über Epilepsie informiert. Besonders hilfreich sind dabei nicht nur die immer besser werdenden Bücher die außer den Medizinern auch dem Patienten hilfreich seine Krankheit schildert, sondern ganz speziell die Internet Medien, die einen großen Fundus an Informationen bereit hält.

Im Dschungel des world wide web ist es zwar nicht immer einfach nützliche Webseiten zum Thema zu finden und der eine oder andere Irrläufer kann auch schon mal mehr verwirren als nützlich sein, nichts desto trotz gibt es eine große Anzahl von Webseiten die liebevoll gepflegt, überarbeitet und aktualisiert werden. Gerade letzteres ist meines Erachtens sehr wichtig, denn das Internet vergisst nichts. Auch keine Dateileichen mit veralteten Informationen…  Ich habe mal eine Futterrezension über ein Welpenfutter geschrieben. Die Stuhlgangbeschreibung meines Hundes schwirrt heute noch virtuell durch Netz... ;-)    Nicht selten hat man mit etwas Muße auch mal das Glück und findet medizinische News über Epilepsie, zufällig gefunden über eine Suchmaschine oder gezielt gefunden, z.B. bei Epinews. Stets aktuell sind überraschenderweise die so genannten Social Networks, also sozialen Netzwerke die sich immer größerer Beliebtheit erfreuen. Diese Netzwerke beherbergen Gruppen die sich in einem Interessengebiet zusammen geschlossen haben und wo der interessierte Nutzer kostenfrei beitreten und sich informieren kann.  Schon am Namen erkennt man wie geeignet die Gruppe für einen selbst ist und viele Epilepsiepatienten oder deren Angehörige treten gleich mehreren Gruppen bei um umfassende Infos zu erhalten. Ich selbst schreibe nun schon seit mehreren Jahren in solchen Gruppen und habe ein paar Erfahrungen gemacht die ich gerne weiter geben möchte.

Zum einen ist nicht jeder der eine Gruppe eröffnet auch gleich ein Kenner dieses Gebietes. Oft ist die Gründung einer solchen Gruppe der Wunsch nach Konversation mit Gleichgesinnten. Mit Glück wird aus dieser Gruppe dann ein größeres Netz das auch Personen beherbergt die sich intensiver mit der Epilepsie auseinander setzen, wie z.B. Referenten, Krankenschwestern, Sozialarbeiter u.s.w.. Diese Gruppen erkennt man an einem sehr aktiven Austausch, meist täglichem Informationsfluss, und an der hohen Anzahl der Mitglieder. Gruppen die seit Jahren bestehen und noch keine 100 Mitglieder beisammen habe, können meist nicht sehr viel Erfahrungswerte weiter geben. Kleine Gruppen sind dafür anonymer als solche mit mehreren 1000 Mitgliedern. Hüten sollte man sich vor Nutzern die versuchen wollen den Arzt zu ersetzen. Selbst wenn ein Arzt in solche einer Gruppe wäre, könnte er zwar sehr wertvolle Informationen weiter geben, leider aber keinen persönlichen Arztbesuch ersetzen. Ein Besuch auf der Profilseite des Schreibers lässt schnell seine Kompetenz erkennen. Zur Not googele ich auch schon mal seinen Namen. Ein soziales Netzwerk kann also immer nur der Information persönlicher Erfahrungswerte dienen und dem Austausch von eigenen Erlebnissen. Hochaktuell sind solche Gruppen aber gerade bei der Weitergabe von Adressen, Websites, Buchtipps u.s.w.. Kaum einer der sich einem solchen Netzwerk anvertraut geht wieder unverrichteter Dinge. Die Motivation, das Verständnis untereinander ist einzigartig. Man könnte das Sozial Network mit einer riesigen virtuellen Selbsthilfegruppe vergleichen, bei der jeder das gibt oder nimmt was er zu bieten hat.

Anonymer sind dagegen Epilepsieforen die auch ohne die Anmeldung in einem Sozial Network auf zu finden sind. Dort kann man mit einem Usernamen, den man frei erfindet, Beiträge schreiben und lesen. Der Vorteil ist genau der das man sich eben nicht zwingend anmelden muss, der Nachteil ist aber auch der das man nicht nach voll ziehen kann wer den einen oder anderen Tipp zum besten gibt. Nicht selten habe ich einen meiner Beiträge dann schon bei Google entdeckt, dort wo er eigentlich nicht hin gehört, da ich ihn ja anonym geschrieben haben wollte. Der Mittelweg ist die Anmeldung in einem Sozial Network mit so gut wie keinen Informationen (das kann man alles einstellen) und ohne eigenes Foto, was aber eigentlich nicht gewünscht ist und auch sehr befremdlich wirkt weil andere sich öffnen und dasselbe dann auch erwarten können.

Es gibt aber auch Social Networks die nicht ganz so sicher sind wie man das gerne möchte. Bei Stern TV war mal ein sehr interessanter Bericht darüber. Trotzdem haben die unsichersten Networks den größten Zulauf, also scheint es die Bevölkerung nicht sonderlich zu stören. Ich habe noch nicht sehr viele ausprobiert, Twitter z.B. steht noch aus, aber vielleicht kann in der folgenden Diskussion ja der eine oder andere Leser etwas mehr Licht ins Dunkel bringen.

Ich habe für mich persönlich einige Epilepsiegruppen bei WKW entdeckt und dort auch noch keinerlei Datenlücken fest stellen können, deswegen werde ich diesen Foren vorerst auf jeden Fall treu bleiben. Ich bin gespannt was Ihr zu dem Thema beizutragen habt, ob Ihr dieselben Erfahrungen gemacht habt wie ich oder ganz anderer Meinung seid. Viel Spaß beim diskutieren….

* Ich benutze hier mit Absicht das Wort Epileptiker, denn ich empfinde entgegen mancher anderer Meinungen das Wort genauso wenig als diskriminierend wie „Allergiker“ oder „Diabetiker“. Obwohl ich mich öffentlich, aufgrund empörter „Epilepsiekranker“ schon dazu hinreißen ließ das Wort Epileptiker zu vermeiden, möchte ich hier ganz offiziell sagen dass ich nicht nur hinter diesem Wort stehe, sondern auch dahinter ein Epileptiker zu sein. Diskriminierend empfinde ich die Tatsache das man Worte verbieten will an denen nichts Schlimmes ist. So drängen die so genannten Kämpfer für „Epilepsiekranke“ sich und uns anderen Betroffenen nur noch mehr ins Abseits. Für mich erinnern solche sinnlosen Krümelsuchereien eher an Politik als an selbstlose aktive Hilfe für Epileptiker!!!

 

In diesem Sinne Eure

 

Anja D.-Zeipelt

 

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